Dr. Rachida Zoubid, 19. Juni 2009

zu "Integrative Islam-Interpretationen sind alternativlos" von Loay Mudhoon

Zum Lesebrief von Frau Cornelia Classen (08. Juni 2009) sage ich Folgendes:

Wenn man Diskussionen rund um die eigenen und / oder fremde Kultur vollbringt, hat man nicht unbedingt ein Identitätsproblem. Vielmehr versucht man dadurch sich selbst oder die fremde Kultur besser zu verstehen und dies lehrhaft erläutert an Dritte zu vermitteln. Die Kopfuchdebatten waren kein ein Ausdruck der "weiblichen Identität in der Krise", sondern ein bildungspolitisches Problem. Bezüglich der Debatte
rund um Scharia-Gesetze ist dies sowohl eine aufschlussreiche Initiative zum Dialog der Religionen in ihrer Beziehungen zu den politischen Systemen der jeweiligen Länder als auch ein Ausdruck derjenigen Toleranz- und Dialoggegner und Kämpfer, die ein Problem mit dem Verstehen des islamischen Rechts haben, weil sie keine Bereitschaft zeigen, das Fremde, ob religiös oder kulturell, zu verstehen und daraufhin neben dem Eigenen vorurteilsfrei zu akzeptieren. Es ist bereichernd zu versuchen, zwei oder mehrere extrem unterschiedlich aufgebaute Gesellschaftsstrukturen zu analysieren, zu verstehen und ohne wenn und aber zu achten, da man auf diesem Wege Toleranz erwirbt und verbreitet.
Was das Schariarecht angeht, so geht es dabei zwar um religiöse Bestimmungen, aber dank der Novellierung des Familien- und des Personenstandsrechts, zum Beispiel in Marokko und Tunesien, werden sie nicht immer angewendet, da sie – nicht alle- wegen der dringenden neuen weltlichen Evolutionen und der Unterzeichnung der Gleichstellungskonventionen usw., nicht mehr die zeitgemäßen Erfordernisse erfüllen. Somit darf man auf keinen Fall pauschalisieren und behaupten, dass religiöse Quellen in sämtlichen muslimischen Ländern die gesamte Gesellschaft regeln.