Eine zweisprachige Zeitschrift für Poesie

Seit über einem Jahr erscheint Diwan, eine Zeitschrift für arabische und deutsche Poesie in Berlin. Die Idee für das Projekt entstand im Jemen.

Die Geburtsstunde der Zeitschrift „Diwan“ schlug in der jemenitischen Hauptstadt Sana. Dort fand im Herbst des Jahres 2000 ein deutsch-arabisches Dichtertreffen statt, initiiert von der irakischen Dichterin Amal Al-Jubouri und heutigen Herausgeberin der Zeitschrift. Ihr Motto war: „Es gibt keinen Okzident ohne den Orient, und es gibt keinen Orient ohne den Okzident. Sie unterscheiden sich voneinander und sie gleichen einander.“

An dieser Tagung im Jemen nahmen über hundert Schriftsteller aus dem deutsch- und arabischsprachigen Raum teil, darunter Hans Magnus Enzensberger, Adonis, Joachim Sartorius Volker Braun und viele andere und ließ die Gründer erstmals darüber nachdenken, wie auf Dauer eine lebendige und wirkungsvolle Beziehung zwischen den beiden Kulturen aufrechterhalten werden könne.

Am letzten Tag der Konferenz in Sana schlug Enzensberger die Gründung einer ​​Zeitschrift für arabische und deutsche Poesie in beiden Sprachen vor. Sie sollte sich der kulturellen Annäherung zwischen Abendland und Morgenland verschreiben.

Schon im Mai 2001 erschien in Berlin die erste Ausgabe in einer Auflage von 1000 Stück unter dem Titel „Diwan“, in der die für den Jemen verfassten Beiträge dokumentiert wurden.

Durch die Beteiligung deutscher und arabischer Künstler wird der deutsche Leser mit der arabischen Poesie bekannt gemacht und der arabische Leser mit der deutschen. Jede Nummer steht unter einem Thema, mit dem sich die Dichter aus der arabischen Welt wie Mahmud Darwisch, Adonis, Abbas Beydoun, Unsi al-Hadj und Abd Al Aziz Al-Moukaleh und aus Deutschland wie Raoul Schrott, Michael Krüger, Durs Grünbein, Hans Magnus Enzensberger und Joachim Sartorius auseinander setzen.

Die ersten Themen waren „Die Rolle der Lyrik in unserer Zeit, in der Ideologien und große Ideen im Schwinden begriffen sind“ und „Soll die Dichtung überhaupt etwas Gutes für die Menschheit bewirken?“ Eine andere Nummer beschäftigte sich mit „Poesie und Religion“ und die vierte und zuletzt erschienene Nummer mit dem „Schreiben im Exil“. Darin veröffentlichte „Diwan“ Essays und Interviews zum Thema Migration, Heimat, Ortswechsel und die Beziehungen zwischen Literatur und Exil.
Jedes Heft wird professionell gestaltet, mit zahlreichen erstklassigen Farb- und Schwarzweißbildern von bekannten Künstlern aus Deutschland und der arabischen Welt, wie Marwan und Max Neumann, Khalil Gibran und Günter Grass, Adonis, Jawad Salim, Jacob Mattner oder Rebecca Horn.

Der Name der Zeitschrift ist auch ihr Programm: „Diwan“ bedeutet auf Arabisch Podest, ein Versammlungsort oder auch Gedichtband. Die Poesie hatte bei den Arabern immer eine besondere Stellung. Noch heute spielt die Lyrik in der arabischen Welt von allen literarischen Formen die weitaus wichtigste Rolle, die arabischen Lyriker haben mit ihren Versen noch immer großen Einfluss auf die Meinungsbildung des Volkes. Die Araber nannten die Lyrik den "Diwan der Araber".

Natürlich spielt der Titel auch auf Goethes "West-östlichen Diwan" an. Mit der Gründung dieser Zeitschrift wurde an eine alte Tradition angeknüpft, die schon Goethe vorbereitet hatte. Denn in seinem „West-östlichen Diwan“, der durch Poesie zu einer Völkerverständigung gelangen wollte, hieß es: „Wer sich selbst und andre kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“

Die vier bisher erschienenen Nummern eröffnen dem arabischen und deutschen Lesepublikum die Möglichkeit, sich mit dem Stil, den Ideen und dem Ausdrucksspektrum der Poesie beider West-östlicher Diwan e.V.
Kronenstr. 43
D-10117 Berlin

Tel.: ++49 (0)30 20619981
Fax: ++49 (0)30 20619982

diwan_1@yahoo.de
Kulturen vertraut zu machen. Die Bedeutung solcher Übersetzungen liegt angesichts des „Konfliktes der Kulturen“ auf der Hand: der Mensch – so heißt es bei den Arabern – ist der Feind dessen ist, was er nicht kennt. Umgekehrt müsse er sich mit dem anfreunden, was er kennen lernt: Das Wissen vom Anderen bedeutet Annäherung an ihn, Verständnis für ihn und ermöglicht die Entdeckung des eigenen menschlichen Kerns.

„Diwan“ ist eine ungewöhnliche Zeitschrift und genießt mittlerweile große Anerkennung in Deutschland. Sie ist eine Nische für arabische Poesie in Deutschland und für deutsche Poesie in der arabischen Welt. Durch diese Zeitschrift erhält der arabische Leser zum ersten Mal direkten Zugang zu zeitgenössischer deutschsprachiger Poesie. Denn die Übersetzung ins Arabische geschieht zum ersten Mal direkt aus dem Deutschen und nicht wie so oft über eine Drittsprache. Ist die Übersetzung von Poesie an sich schon eine besondere Schwierigkeit, so konnte „Diwan“ durch die Qualität seiner Übertragungen überzeugen. Die Zeitschrift konnte die besten Übersetzer zur Mitarbeit gewinnen und so eine besonderer Sorgfalt bei der Übertragung der Poesie gewährleisten. Der interessierte Leser entdeckt auf seinen literarischen Streifzügen, dass Poesie nicht nur ein Aushängeschild des Bildungsbürgers ist, sondern eine lebendige Auseinandersetzung mit der Welt bedeutet.

Suleman Taufiq für Qantara.de

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