Kampf um die Macht

Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Teilen der sudanesischen Sicherheitskräfte und der unheilvolle Einfluss externer Finanziers der paramilitärischen "Rapid Support Forces" (RSF) gefährden den Demokratisierungsprozess des Landes. Von Samuel Ramani

Von Samuel Ramani

Am 14. Januar kam es an zwei Standorten des ehemaligen Nationalen Geheim- und Sicherheitsdienstes (NISS) in Khartum zu einem heftigen Schusswechsel. Der NISS ist ein mittlerweile aufgelöstes Sicherheitsorgan der Regierung des abgesetzten Präsidenten Omar al-Baschir. Staatsvertreter beschuldigten ehemalige Mitarbeiter des NISS, die Zusammenstöße im Poker um ihre Abfindungen angezettelt zu haben. Zwar schlugen die sudanesischen Streitkräfte (SAF) die vom NISS initiierte Rebellion schnell nieder, aber der Zwischenfall führte am 16. Januar zum Rücktritt des sudanesischen Geheimdienstchefs General Abu Bakr Mustafa.

Generalleutnant Abdel Fattah al-Burhan erklärte als Vorsitzender des sudanesischen Souveränen Rates, die Streitkräfte hätten die vollständige Kontrolle über den Geheimdienst wiedererlangt, aber der Vorfall vom 14. Januar verdeutlicht die tiefen Gräben innerhalb des sudanesischen Militärs. Sie gehen auf die Präsidentschaft Al-Baschirs zurück.

Nachdem Al-Baschir 1989 mit einem Staatsstreich die Macht ergriffen hatte, trieb er mit seinen Patronagenetzwerken entlang von Stammesgrenzen einen Keil ins sudanesische Militär und sicherte seine Macht durch geschicktes Ausspielen der arabischen Nationalisten und Islamisten innerhalb der SAF.

"Teile und Herrsche"

Diese Strategie nach dem Prinzip "Teile und Herrsche" verhinderte einen Putsch des sudanesischen Militärs gegen Al-Baschir zumindest so lange, bis dessen Position nach den Massenprotesten wegen der schlechten Wirtschaftslage des Sudan unhaltbar wurde. Die Unterstützung der sudanesischen Armee für den von Generalleutnant Al-Burhan geleiteten Übergangsmilitärrat (TMC) im April 2019 war jedoch weitgehend taktischer Natur. Die anhaltenden Proteste ließen alte Konflikte im sudanesischen Militär wieder aufleben.

Anschlag auf Ministerpräsident Abdalla Hamdok in Khartum am 9. März 2020; Foto: Reuters/N.Abdalla
Anschlagsversuch auf Sudans Ministerpräsident: Abdalla Hamdoks Fahrzeugkonvoi wurde am 9. März auf dem Weg in sein Büro in Khartum von Sprengsätzen getroffen. Der Ministerpräsident blieb unverletzt, wenige Stunden später setzte er die Regierungsgeschäfte fort. Hamdok steht im Sudan seit letztem August einer Übergangsregierung aus Militärs und Zivilisten vor. Seit seinem Amtsantritt versucht der frühere UN-Wirtschaftsexperte, die am Boden liegende Wirtschaft des Landes anzukurbeln, die Politik zu reformieren und mit den Rebellen im Westen und Süden über einen Frieden zu verhandeln.

Die innermilitärischen Konflikte traten offen zutage, nachdem die gefürchteten paramilitärischen "Rapid Support Forces" (RSF) unter den Demonstranten in Khartum am 3. Juni 2019 ein Massaker mit 128 Toten und zahlreichen Verletzten anrichteten. Der Staatsstreich vom April führte zwar zu großen personellen Veränderungen in den mittleren und unteren Rängen der SAF, zu denen auch viele Anhänger der Anti-Al-Baschir-Demonstrationen zählten, dennoch verhielt sich der TMC um Al-Burhan nach dem Massaker der RSF am 3. Juni passiv. Er blieb allerdings offen für eine Vereinbarung mit der sudanesischen Opposition.

Am 13. Juni erklärte der Chef der sudanesischen Luftwaffe, Generalleutnant Salah Abdel Khalig, die TMC wolle den Sudan nicht "für immer regieren", und sprach sich für einen politischen Übergang innerhalb weniger Monate aus. Abdel Khaligs versöhnliche Erklärung stand im deutlichen Gegensatz zur Drohung von RSF-Befehlshaber Mohamed Hamdan Daglo, genannt "Hemeti", einen Rücktritt werde es nur "über seine Leiche" geben.

Aufgrund der konträren Standpunkte von SAF und RSF zu Verhandlungen mit der Opposition wurden dem politischen Übergang im Sudan zunächst kaum Chancen eingeräumt. Doch letztlich machte die versöhnliche Haltung der SAF den Weg frei für das Abkommen vom 5. Juli, das der Opposition die Machtteilhabe zusicherte.

Blockade der demokratischen Transition

Das Abkommen sieht im "Souveränen Rat" aus Vertretern der Protestbewegung und des Militärs einen rotierenden Vorsitz der jeweiligen Seiten vor sowie landesweite Wahlen im Jahr 2022. Obwohl Hemeti am 17. August vor Staatsvertretern wie Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed und dem südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir das formelle Übergangsabkommen für den Sudan unterzeichnete, behindern die RSF weiterhin den Demokratisierungsprozess des Landes.

Die RSF stören den politischen Übergang im Sudan, indem sie regelmäßig Aufstände anzetteln und durch aggressive Maßnahmen ihre institutionelle Macht ausbauen. So sollen die RSF am 12. Juli einen Putschversuch initiiert haben, der zur Verhaftung von zwölf Offizieren und vier Soldaten führte.

General Jamal Omar, ein hochrangiger Vertreter im TMC, stellte eine direkte Verbindung zwischen diesem Putschversuch und den antidemokratischen Kräften her und erklärte, "eine Gruppe von Personen, die die Forderungen des Volkes ablehnen", bedrohe die Sicherheit des Sudan. Die RSF sollen zudem an einem Putschversuch vom 24. Juli mitgewirkt haben, der zur Verhaftung von General Bakri Hassan Saleh führte, der von 2013 bis 2019 Vizepräsident des Sudan war.

Die RSF stellen das anders dar: Es seien kriminelle Kräfte im sudanesischen Militär gewesen, die die Putschversuche angestiftet hätten, während die RSF sich der SAF lediglich angeschlossen habe, um den Aufstand vom 14. Januar niederzuschlagen. Doch Unterstützer des politischen Übergangs im Sudan sehen das destabilisierende Verhalten der RSF weiterhin mit Sorge.

Kontrolle über die ökonomischen Ressourcen

Die RSF untergraben nicht nur die Demokratie im Sudan durch Anzetteln von Putschversuchen, sie weiten auch ihren Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen aus, die ihre langfristige institutionelle Stärke absichern könnten. Obwohl Hemeti öffentlich die kleptokratischen Praktiken von Al-Baschirs Machtzirkel kritisierte, schloss der RSF-Befehlshaber Ende 2018 einen Vertrag mit Al-Baschir, der es Hemeti erlaubte, Gold im Wert von 30 Millionen Dollar über seine Familienfirma Algunade zu beschlagnahmen.

Die RSF bewachen zudem die Goldminen in Darfur und Südkordofan und haben die Kontrolle über die wirtschaftlichen Ressourcen Darfurs an sich gerissen, wobei sie 45 Dörfer zerstörten, Anwohner terrorisierten und Menschen außergerichtlich hinrichteten. Berichten zufolge haben die RSF auch Zugang zu Millionen von Euro an finanzieller Unterstützung der Europäischen Union für den Sudan erhalten, die europäische Politiker mit dem Ziel bereitstellten, den Zustrom sudanesischer Flüchtlinge über Nordafrika nach Europa zu verhindern.

Obwohl der Übergang im Sudan international breite Anerkennung fand – auch von den schärfsten Gegnern der sudanesischen Revolution wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Russland – unterstützen externe Mächte weiterhin die Bemühungen der RSF, den Demokratisierungsprozess im Sudan zu vereiteln.

Die RSF nehmen aktiv an der von den Saudis angeführten Militärintervention im Jemen teil. Im Juli 2019 wurden 1.000 RSF-Milizionäre nach Libyen entsandt, um die Offensive des mit den VAE verbündeten Befehlshabers der Libyschen Nationalen Armee (LNA), Khalifa Haftar, gegen Tripolis zu unterstützen. Diese Militäraktionen verschafften Hemeti und seiner Gefolgschaft die dringend benötigten finanziellen Mittel, wobei in Dubai ansässige Finanzinstitutionen als sicherer Hafen für die illegalen Goldeinnahmen der RSF dienen.

Die unheilvolle Rolle Russlands

Obwohl Russland mittlerweile freundliche Beziehungen zur sudanesischen Übergangsregierung aufgebaut hat und versucht, den Imageschaden zu beheben, den es durch den Einsatz privater Militärfirmen im Namen von Al-Baschir erlitten hat, stärkt Russlands Widerstand gegen eine friedenserhaltende Präsenz der Vereinten Nationen in Darfur indirekt den Einfluss der RSF in dieser Region.

Libyens General Khalifa Haftar; Foto: picture-alliance/Balkis Press
Dem „Haudegen der Cyrenaika“, Khalifa Haftar, treu ergeben: Im Juli 2019 wurden 1.000 RSF-Milizionäre nach Libyen entsandt, um die Offensive des mit den VAE verbündeten Befehlshabers der Libyschen Nationalen Armee (LNA), Khalifa Haftar, gegen Tripolis zu unterstützen. Diese Militäraktionen verschafften Hemeti und seiner Gefolgschaft die dringend benötigten finanziellen Mittel, wobei in Dubai ansässige Finanzinstitutionen als sicherer Hafen für die illegalen Goldeinnahmen der RSF dienen.

Trotz der fortgesetzten externen Unterstützung für Hemeti könnten die RSF in den kommenden Monaten verstärkt Gegenwind erhalten. Die Entscheidung des Sudans, seine militärische Präsenz im Jemen bis zum 14. Januar von 15.000 auf nur noch 657 Soldaten zu verringern, bringt eine der wichtigsten Einnahmequellen der RSF zum Versiegen.

Proteste, wie beispielsweise wiederholte Demonstrationen vor der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate in Khartum gegen die Teilnahme des Sudan an ausländischen Militärkampagnen, könnten zu einer weiteren Einschränkung der RSF-Präsenz in Libyen und im Jemen führen. Die Entscheidung des Führers der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung, Malik Agar, auf Khartum zuzugehen, um den Konflikt im Bundesstaat Süd-Kordofan zu beenden, könnte den SAF zu größerem Einfluss verhelfen und die Hegemonie der RSF eindämmen.

Wenn der Sudan von den USA nicht mehr als Terrorstaat eingestuft wird und die diesbezüglichen Sanktionen aufgehoben werden, könnte Khartum zudem auf finanzielle Unterstützung des Internationalen Währungsfonds hoffen. Dies könnte das Vertrauen der Öffentlichkeit in die sudanesische Zivilregierung stärken. Damit könnte der Weg für wirtschaftliche Reformen freigemacht werden. Die externen Finanziers der RSF ließen sich dann möglicherweise davon überzeugen, die rechtmäßigen Institutionen des Sudan zu unterstützen.

Der Sudan hat zwar ermutigende Fortschritte auf dem Weg zu einem demokratischen Übergang gemacht, der die sudanesischen Militärs veranlassen könnte, sich in ihre Kasernen zurückzuziehen, aber der anhaltende Machtkampf zwischen RSF und SAF gefährdet die politische Zukunft des Landes.

Die Tragfähigkeit des Demokratisierungsprozesses im Sudan wird davon abhängen, ob Khartum in der Lage ist, zivile Konflikte zu überwinden, die USA für Wirtschaftsreformen zu gewinnen und den unheilvollen Einfluss der externen Finanziers der RSF zu beschneiden.

Samuel Ramani

© Carnegie Endowment for International Peace 2020

Aus dem Englischen von Peter Lammers

Samuel Ramani ist Doktorand am "Department of Politics and International Relations" des St. Antony's College der Universität Oxford.