Orientmaler im Okzident, Orientalisten im Orient

Zwei Bücher behandeln die Geschichte der Rezeption des Orients und des Okzidents. Der New Yorker Kristian Davies erhellt die Wirkung von Bildern, der Kairiner Muhammad Immara die von Texten. Wolfgang Schwanitz stellt die Bücher vor.

Von Wolfgang G. Schwanitz

​​Während der Amerikaner Kristian Davies die westlichen Orientmaler des 19. Jahrhunderts und den Streit um den Orientalismus erkundet, versucht der Ägypter Muhammad Immara westliche Angriffe auf den Islam durch Zitate von 32 westlichen Gelehrten über den Islam zu entkräften und zugleich zu beweisen, dass der Islam die höchste Stufe monotheistischer Religionen ist. Maler unter Orientalisten hatten die seltene Gabe, wunderbare Motive in ihrer Kunst festzuhalten, erklärt Kristian Davies den Inhalt seines prächtigen Bildbandes. Der Amerikaner hat die beste Bildersammlung von Orientmalern ediert - jener Künstler also, die in den Orient reisten und die Ära vor dem Einbruch der Moderne festhielten. Er fand ihre Gemälde in 60 Instituten und zehn Ländern. Es ist ein Genuss, in dem Buch zu blättern, zumal er die Werke so meisterlich arrangiert und kompetent besprochen hat. Davies wählte die Motive Wüste und Karawane, Straße und Markt, Krieger, Frauen, Glaube und Gebet sowie Vergnügungen aus. Da ist der Franzose Léon Belly mit seinem Hauptwerk "Pilger ziehen nach Mekka", das zugleich auf dem Einband zu sehen ist. Wie beim Deutschen Gustav Bauernfeind mit "Markt in Jaffa" oder beim Amerikaner James Fairman mit "Blick auf Jerusalem", bringt uns Davies ihr Leben und Werk nahe. Ein Farbenfest feiern hier gleichwohl Arthur Rimbaud, Jean-Louis Burckhardt, Sir Richard F. Burton, Jean-Léon Gérôme, James Tissot und Jane Digby el-Mezrab. Davies fängt ihre goldene Ära ein, die von 1800 bis 1900 reichte. Für ihn sind die Orientmaler ein Teil der Aufklärung.

Edward Saids Orientalismuskritik

Der damalige Orient von Marokko über Persien bis Indien, so Davies, war denkbar bunt. Aber von ihm ging eine Uniformität der exotischen Attraktion aus. Die Rezeption des Orients durch den allein reisenden Künstler war unschuldig, bar der absichtlichen Verdrehung. Edward Said habe jedoch 1978 in seinem Buch über den Orientalismus eine neue Art der Kritik aufgebracht: das gesamte westliche Konzept des Orients sei pure Erfindung, so Said. Was Westler von der Linguistik bis zur Archäologie taten, habe alles schief dargestellt. Jahrhunderte der Orientalistik, Orientalist studies, seien Mittel der Spionage und der Unterwerfung gewesen, spitzt der Autor Saids Kritik zu. Und: Dieser Orientalismus habe in jeder Form dem Westen gedient. Zwar habe Said faszinierende Entdeckungen in einzelnen Fällen der Literatur gemacht, räumt Davies ein. Doch habe er alles mit Schuld vermutenden Thesen überzogen. Er sei extrem feindselig geworden. Jüngere Generationen hätten dies auf die Malerei des Orients im 19. Jahrhundert bezogen. Die Polemik Saids diente ihnen dazu, vorgeblich Falsches und Unwahres der Orientmaler zu enthüllen. Linda Nochlin und andere glaubten, in jenen Bildern Sexismus, Rassismus, Chauvinismus und viele weitere "-ismen" zu entdecken. Schnell waren sie dabei, argumentiert Davies, die Kunstwerke mit der kolonialen Expansion Europas zu verbinden. Im Jahrzehnt der Dekonstruktion, in den 80er Jahren, seien Werke der Orientmaler von jedem Punkt her demontiert worden: die Authentizität, auch die sublimere Absicht und Verbindung zum Imperialismus sowie das Vorurteil, gar noch bevor ein Künstler seine Reise in den Orient angetreten hat. Kritisiert wurde zudem, wie sie Frauen dargestellt hätten. In dem Saidschen Stil sieht auch Davies eine intellektuelle Verunreinigung. Er hält dem die hohe Kunst der Orientmaler entgegen: ein schönes Bild dürfe auch schön genannt werden. Im Gegensatz zu Saids Anwürfen möchte Davies den guten Ruf der Maler wieder herstellen.

Überlegenheit des Islam

Eine eigenartige Rehabilitation hingegen erfahren weitere Ziele der Kritik Saids: Muhammad Immara lobt Orientalisten im Westen. Er benutzt ihre Texte als Beweise, um die Überlegenheit des Islam darzutun. ​​Er hat sein Buch dreigeteilt. Im ersten Teil umreißt er den wahren Islam. In Teil zwei geißelt er den Kreuzzug, den der Westen seit dem 11. September 2001 gegen Muslime führe. Im dritten Teil zitiert er 32 Gelehrte aus dem Westen zum Islam. Es geht um westliche Akademiker und Auszüge aus ihren Texten. Da sind zum Beispiel William Montgomery Watt aus Schottland, Arnold Joseph Toynbee aus England, Sigrid Hunke aus Deutschland und Bernard Lewis aus den USA. Manche Angaben und Urteile über sie sind falsch oder fraglich. Immara hat ihr Leben nicht exakt genug recherchiert. Auch ist seine Auswahl problematisch: Toynbee und Hunke galten nicht als Orientalisten. Zuweilen sind die Zitate unklar, wobei offen bleibt, wo ein Zitat beginnt und wo es endet. Immara kombiniert ihm passende Stellen zu einem Mosaik, das den Islam recht rosig einfärbt. Dennoch sollte sein Werk weithin geprüft werden. Zum einen verleumdet er nicht im Saidschen Stil Orientalisten, sondern erkennt ihre Leistung an. Das eint ihn mit Davies, den überdies seine akademische Sorgfalt auszeichnet. Zum anderen prägt jeden Dialog die Rezeption, die Immara nun als Werbetrommel für den Islam benutzen will.

Wolfgang G. Schwanitz

© Qantara.de 2005

​​Kristian Davies: The Orientalists. Western Artists in Arabia, The Sahara, Persia And India. New York: Laynfaroh 2005, 304 S., 316 Farbbilder Muhammad Immara: Al-Islam fi 'uyun gharbiyya baina iftira' al-Djuhala' wa insaf al-'Ulama' (Der Islam in westlichen Augen zwischen Verleumdung durch Unwissende und gerechter Behandlung durch Gelehrte. Kairo: Dar ash-Shuruq 2005