Verdächtiges Gedenken

Das iranische Regime hindert die prominente Künstlerin Parastou Forouhar an der Ausreise aus dem Iran. Sie war nach Teheran geflogen, um an einer Gedenkveranstaltung für ihre 1998 ermordeten Eltern teilzunehmen. Einzelheiten von Katajun Amirpur

Das iranische Regime hindert die prominente Künstlerin Parastou Forouhar, die in der Nähe von Frankfurt lebt, an der Ausreise aus dem Iran. Sie war nach Teheran geflogen, um an einer Gedenkveranstaltung für ihre 1998 ermordeten Eltern teilzunehmen. Einzelheiten von Katajun Amirpur

Porträtbild der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar; Foto: Parastou Forouhar
"Wenn ich den Mordfall nicht verfolgen würde, hätte ich das Gefühl, meine Eltern noch einmal zu verlieren", sagt die iranische Künstlerin Parastou Forouhar, deren Eltern ermordet wurden.

​​"Wenn ich den Mordfall nicht verfolgen würde, hätte ich das Gefühl, meine Eltern noch einmal zu verlieren." Seit Jahren setzt sich die bei Frankfurt lebende iranische Künstlerin Parastou Forouhar dafür ein, dass der Mord an ihren Eltern geahndet wird.

Sie waren am 21. November 1998 in Teheran vom Geheimdienst umgebracht worden. Jetzt ist Forouhar am Teheraner Flughafen an der Ausreise gehindert worden. Die Behörden zogen ihren Pass ein und erklärten ihr, das Informationsministerium habe Anklage gegen sie erhoben. Hintergrund sind vermutlich die Interviews, die Forouhar in den letzten Wochen gegeben hat.

Parastou Forouhar reist seit 1998 einmal jährlich nach Iran, um eine Gedenkveranstaltung für ihre Eltern zu organisieren. Ihre Eltern, zwei Aktivisten der "Partei des iranischen Volkes", waren die ersten Opfer einer politisch motivierten Mordserie.

Neben ihnen wurden im Herbst 1998 auch die Schriftsteller Mohammad Mochtari und Dschafar Puyandeh umgebracht. Da man die Autoren, die sich für die Wiederzulassung des Schriftstellerverbandes eingesetzt hatten, erdrosselt im Straßengraben gefunden hatte, gingen alle Morde als "die Kettenmorde" in die iranische Geschichte ein.

Mord an Forouhars Eltern

Dariush Forouhar und seine Frau Parwaneh hatten sich schon unter dem Schah und dann in der Islamischen Republik für Demokratie eingesetzt. Sie forderten die Trennung von Religion und Staat, gehörten zum säkular-nationalen Spektrum der Opposition.

Porträtbild von Parvaneh Eskandari Forouhar; Foto: wikipedia
Parwaneh Eskandari Forouhar sowie ihr Mann Dariush Forouhar wurden wegen ihres Engagements für die Demokratie im Iran ermordet.

​​ Der Mord an den Forouhars glich einer Hinrichtung. Parwaneh Forouhar wurde mit über zwanzig Messerstichen in der Brust aufgefunden. In den Tagen nach dem Mord ging das Grauen um in Teheran. Jeder Oppositionelle fürchtete, er könnte der Nächste sein. Es gab Gerüchte von Todeslisten mit Namen von Regimekritikern. Darunter waren Reformtheologen, Studentenführer und Frauenrechtlerinnen.

Die Morde sollten das Vertrauen in den reformorientierten Präsidenten Mohammed Chatami erschüttern, denn dieser hatte Rechtssicherheit versprochen, und sie sollten allzu aufsässigen Reformern eine Warnung sein.

Doch gerade ihnen war zu verdanken, dass der Geheimdienst, der gegen den Präsidenten arbeitete, zugeben musste, die Morde in Auftrag gegeben zu haben. Die Reformregierung setzte den Rücktritt des Geheimdienstministers und die Verhaftung einiger Agenten durch. Sehr schnell waren sie jedoch wieder auf freiem Fuß und fanden sich diejenigen hinter Gittern wieder, die maßgeblich zur Aufklärung der Kettenmorde beigetragen hatten.

Akbar Ganji beispielsweise, der von 2000 bis 2006 inhaftiert war und erst nach einem siebzigtägigen Hungerstreik wieder frei kam. Nicht belangt wurden die Hintermänner der Kettenmorde. Deshalb kämpft Parastou Forouhar bis zum heutigen Tag: jedes Jahr vor Gericht in Iran und vor allem gegen das Vergessen.

Sie versucht jedes Jahr, am Jahrestag der Ermordung eine Gedenkveranstaltung zu organisieren, die vermutlich Zehntausende besuchten, wenn die Behörden es nicht verhindern würden. Nicht nur waren die Forouhars besonders beliebt, die Bevölkerung solidarisiert sich schon aus religiösen Motiven mit den Hinterbliebenen unschuldiger Opfer.

Verdächtiges Gedenken

Doch Forouhar darf keine Räume anmieten, und die Straßen rund um ihr Elternhaus werden weitläufig abgeriegelt. In diesem Jahr war eine für die sogenannte Grüne Bewegung, die sich im Anschluss an die Wahlfälschung vom Sommer formiert hat, typische Form des Gedenkens über das Internet verbreitet worden: Man verharrt für zehn Minuten im Andenken an die Opfer der politischen Morde, egal wo man ist: bei der Arbeit, auf der Straße.

​​ Auch in der Kunst Parastou Forouhars sind die Morde allgegenwärtig. "Schuhe ausziehen" heißt beispielsweise eine Bilderserie. Eindrucksvolle Bilder, die Ohnmacht in Kunst bannen. Forouhar und ihre Anwältin, die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, sind hier zu sehen, zwei Frauen, gedemütigt, aber standhaft vor einem allmächtigen Justizapparat.

Es ist ein Kampf, der mehr als nur Zähigkeit erfordert. Forouhar erzählt, wie dieser Bilderzyklus entstand: Sie wollte Akteneinsicht, die ihr schließlich, nach monatelangem Ringen, gewährt wurde. Zehn Tage bekam sie Zeit zum Lesen - in einem Raum sitzend mit den Mördern.

Die Justizbeamten hielten es nicht für nötig, die Mörder und die Tochter der Opfer räumlich zu trennen. So reichten die Täter die Akten, die sie gerade gelesen hatten, an Forouhar weiter.

Einmal kam der Richter auf Forouhar mit einem Vorschlag zu: "Wenn du auf die Todesstrafe für die Mörder verzichtest, kannst du von ihnen ein Blutgeld verlangen." Nach islamischem Recht entgeht der Mörder der Todesstrafe, wenn die nächsten Verwandten eine finanzielle Kompensation, das sogenannte Blutgeld, akzeptieren. "Du bekommst diese Summe für deinen Vater und die Hälfte davon für deine Mutter", sagte der Richter.

Nach einer konservativen Deutung des islamischen Rechts ist das Blutgeld für einen Mann doppelt so hoch ist wie das für eine Frau. "Die Hälfte davon für deine Mutter", dieser Satz klingt Forouhar bis heute in den Ohren. Die Erinnerung an ihre starke Mutter stieg in ihr auf, die zeit ihres Lebens für Demokratie und Freiheit gekämpft hatte und dafür, dass ihre Kinder einmal in einem besseren Iran leben würden. "Abgesehen davon, dass man keinen Menschen mit Geld aufwiegen kann", sagt Parastou Forouhar, "war dieser Satz einfach furchtbar: die Hälfte davon für deine Mutter."

Forouhar führt den Kampf ihrer Eltern fort

Deshalb ist Forouhar auch in diesem Jahr nach Iran geflogen: Damit ihrer beider gedacht wird. Sie wusste, dass es gerade in diesem Jahr gefährlich sein würde. Doch Parastou Forouhar ist nicht der Typ, der zurücksteckt.

Und sie führt den Kampf ihrer Eltern auf ihre Weise fort - mit künstlerischen Mitteln. In diesem Jahr hatte sie eine Ausstellung organisiert. Ein Video davon, das bei Youtube eingestellt ist, zeigt unter der Decke schwebende Ballons.

Forouhar erläutert im Interview, dass sie damit die beiden Gegenpole von Sicherheit und Unsicherheit zeigen will: Die Luftballons stehen für die Sicherheit und Leichtigkeit, die sie in der Kindheit mit ihren Eltern verspürt hat. Doch auf den Luftballons sind typisierte ornamentale Folterszenen abgebildet.

Blind Spot 2: Kunstwerk der iranischen Künstlerin Parastou Farouhar; Foto: Parastou Forouhar
Ablehnung patriarchalischer Denkmuster und autoritärer Religiosität: aus der Bildserie "Blind Spot" von Parastou Forouhar

​​ Erstaunlicherweise konnte diese Ausstellung stattfinden, anders als eine andere, sechs Jahre zuvor, als die Galerie kurz vor der Eröffnung einen Anruf erhielt und von der Eröffnung abgeraten wurde: "Und wer sich in der politischen Kultur Irans auskennt, weiß, was damit gemeint ist, wenn einem geraten wird, etwas besser nicht zu tun."

Deshalb habe sie damals die Ausstellung mit Rahmen ohne Bilder eröffnet. Im Interview sagt sie: "Man kann in Iran viel aussagen. Vor allem mit Rahmen, die keine Bilder enthalten."

Bislang schien es so, dass Iraner, die im Ausland lebten und sich vornehmlich im Ausland äußerten, geschützter waren. Doch diese Art von Schutz gibt es offensichtlich nicht mehr. Deshalb besteht auch angesichts der Schauprozesse, die in Iran in den letzten Monaten stattgefunden haben, Anlass zu größter Sorge.

Katajun Amirpur

© Qantara.de 2009

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