Wüstenblues und Widerstand

Trotz der Versuche der ehemaligen malischen Regierung, die Tamasheq als Terroristen zu brandmarken und die Bevölkerung gegen sie aufzubringen – sowie der Islamisten, die die Musik verbannen wollen – zeugt das Album "Jamal" der Newcomer-Band Alkibar Jr. vom unerschütterlichen Glauben an eine friedliche Zukunft des Landes. Von Richard Marcus

Von Richard Marcus

Die letzten vier Jahre waren in Mali turbulent, insbesondere im nördlichen Teil des Landes. Der Versuch terroristischer Gruppen, dem Norden ihre Version der Scharia aufzuzwingen, führte auch unter den Bands und Sängern, die für ihre Region berühmt waren, zu einem Massenexodus. Musiker wurden mit dem Tode bedroht, ihre Ausrüstung wurde beschlagnahmt oder zerstört. Umso erstaunlicher, dass sich die musikalischen Traditionen der Region inzwischen wieder einigermaßen erholen konnten. Die jüngere Musikergeneration, die nicht fliehen konnte, hatte sich mit dem neuen Regime pro forma arrangiert, spielte aber weiter im Untergrund und schrieb neue Stücke.

Jamal, das erste Album der jungen Gruppe Alkibar Jr., ist ein Beispiel für diesen kreativen Schub jener schwierigen Zeit. Die Band spiegelt eine neue Ära der malischen Musikwelten wider und schöpft aus all jenen Traditionen, die wir seit langem mit dem Land verbinden. Niafunke, das Gebiet, aus dem die Künstler stammen, war schon immer ein kultureller Schmelztiegel – ein Ort, an dem sich die verschiedenen Völker der Region begegneten. Es überrascht daher nicht, dass auf dem Album Elemente vom Rock und Blues der Songhai, Peuhl und Tamasheq zu finden sind.

Auch wenn Frontmann Sekou Toure bereits mit berühmten Musikern wie Vieux Farka Toure zusammengearbeitet hat und Gitarrist Diadie Bocoum der jüngste Bruder Afel Bocoums ist, der das Album produziert hat, interpretiert die Band die Musik ihrer Region trotzdem auf eine neue und frische Art. Obwohl sie ihre Musik buchstäblich in der Isolation schreiben musste, war die Generation der Bandmitglieder mehr musikalischen und kulturellen Einflüssen ausgesetzt als alle anderen vor ihnen. Daher finden wir auf dem Album eine so umfangreiche Mischung von Musikstilen, wie wir sie vielleicht noch nie erlebt haben.

Mix aus Wüstenblues und anderen malischen Musikstilen

Es ist schön zu hören, wie hier der Tamasheq-Wüstenblues, der oft mit Bands wie Terakaft und Tinariwen in Verbindung gebracht wird, mit anderen musikalischen Elementen aus Mali verbunden wird. Da das Volk der Tamasheq in Mali (sowie Niger und Algerien) seine Unabhängigkeit anstrebt, gab es immer eine gewisse Spannung zwischen ihm und den anderen Volksgruppen. Verstärkt wurde dies noch durch die Aufstände von 2012. Damals wollten die Tamasheq in Nordmali eine Heimat finden, wurden dann aber von Gruppen vereinnahmt, die ihre Vorstellung von einem islamischen Staat in der Region verwirklichen wollten.

Leider ist das Album nur als digitaler Download über Bandcamp verfügbar. Es gibt kein Begleitheft mit Übersetzungen der Texte. Im Promo-Material zur Musik heißt es, die Stücke seien Loblieder auf die Menschen, die beim Aufbau Nordmalis in den letzten Jahren ihr Bestes gegeben haben. Wir können zwar nicht genau verstehen, was gesagt wird, aber der Ton der Musik und der Klang der Stimmen ist auf jeden Fall positiv.

Musikalischer Protest gegen den Wandel Nordmalis

Die drei Leadsänger Toure, Demba Traore und Amadou Daou erheben ihre Stimmen derart, das man die musikalische Darbietung einfach nur als Freudenfest bezeichnen kann – sogar was die Wüstenblues-Nummern, das Eröffnungsstück "Souka Selenam" oder auch den Song "Kori", betrifft. Die männliche Hauptstimme wird durch die Hintergrundstimmen von Leila Gobi und Ami Wassidje begleitet, die mit ihren wunderbaren Harmonien den Stücken nicht nur eine weitere Stilnote hinzufügen. Sie stellen auch einen weiteren Akt des Widerstands gegen die dramatischen Umwälzungen und Veränderungen ihres Landes dar. Frauen spielten in der Musik Malis schon immer eine wesentliche Rolle, und dieses Album ist da keine Ausnahme.

Oye Yattaras Percussion und Kola Kanes Schlagzeug verleihen dem Album einen sehr schönen rhythmischen Klang. Sowohl bei den traditionelleren Stücken wie dem fünften Titel "Daou" als auch beim achten Titel "Thimi", der schon eher an Rock’n Roll erinnert, fühlen sich die beiden wie zu Hause. Was hierbei auffällt, ist die wundervolle Art, auf die sich der Gitarrist Bocoum und der Geiger Salah Guindo auf ihren Instrumenten gegenseitig ergänzen.

Auch wenn die Gruppe im Studio von einigen erfahrenen Musikern begleitet wird, darunter von Mitgliedern der ursprünglichen Band Ali Farka Toures, bleibt Jamal doch eine Bandformation der neuen Generation. Zwar stehen sie mit einem Fuß fest in ihrer Tradition, allerdings haben sie auch keine Furcht davor, neue musikalische Wege zu gehen.

Musik war schon immer ein wichtiges Element der Kultur und Gesellschaft Malis. Ob eine Band für eine öffentliche Feier engagiert wird oder die Erzählungen ihres Volkes bewahrt: Musik ist ein fester Bestandteil der malischen Tradition. In Hinblick auf das musikalische Schaffen von Jamal lässt sich denn auch konstatieren, dass diese Tradition gewiss in sicheren Händen liegt.

Richard Marcus

© Qantara.de 2017

Übersetzt aus dem Englischen von Harald Eckhoff