Die Angst des Westens vor dem Islam
Niedergang eines Feindbildes

Die Vorkämpfer der weißen Identität stellen sich neu auf. Die Feindschaft zum Islam hat im Westen ausgedient. Sie geht im altbekannten Rassismus auf, meint Stefan Buchen in seinem Essay.

Wenn der Chef des CDU-Wirtschaftsflügels Carsten Linnemann ein Buch mit dem Titel "Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland" herausgibt, wenn SPD-Mitglied Thilo Sarrazin unter dem Titel "Feindliche Übernahme" den Koran interpretiert und wenn Deutschlands neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, Vorsitzende der CDU, im Rahmen ihrer ersten Orientreise erklärt, warum Tornado-Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr verhindern, dass das Kalifat des "Islamischen Staates" sein hässliches Haupt aufs Neue erhebt, dann ahnt man: wir sind ganz unten angekommen.

Wir kratzen an den letzten Bröseln eines schon ziemlich fest verklumpten Bodensatzes. Die Rede von der islamischen Gefahr, der islamischen Herausforderung, der islamischen Bedrohung ist ausgeschöpft. 30, 40 Jahre wurde sie im Westen kultiviert.

Noch in jüngster Zeit hat die deutsche Politik hunderte Planstellen in Polizei und Geheimdiensten für die Beobachtung und Verfolgung des politischen Islam geschaffen. Aber inzwischen scheint es den Klügeren zu dämmern: der Islam eignet sich nicht (mehr) zum Feindbild.

Dieser Trend hat etwas mit der Realität zu tun. Dem politischen Islam ist, erscheinungsformübergreifend, die innere Glaubwürdigkeit abhanden gekommen.

Das Scheitern des politischen Islam

Das autoritäre Regime des Islamisten Erdoğan wackelt, die Türkei ist heute ein schwächerer Staat als vor zehn, fünfzehn Jahren, als Recep Tayyip Erdoğan "nur" ein demokratisch gewählter Ministerpräsident war und den Islam als Inspirationsquelle für modernes Regieren präsentieren konnte. Die Strahlkraft der Aufbruchszeit ist verblichen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan; Foto: picture-alliance/AP
Vom politischen Abgesang der türkischen AKP: "Das autoritäre Regime des Islamisten Erdoğan wackelt, die Türkei ist heute ein schwächerer Staat als vor zehn, fünfzehn Jahren, als Recep Tayyip Erdoğan 'nur' ein demokratisch gewählter Ministerpräsident war und den Islam als Inspirationsquelle für modernes Regieren präsentieren konnte. Die Strahlkraft der Aufbruchszeit ist verblichen", schreibt Buchen.

Die sunnitische Muslimbruderschaft konnte nirgendwo die Macht übernehmen, bis auf das kurze Zwischenspiel von Mohammed Mursi in Ägypten. Dass dieser als Angeklagter in einem Gerichtsprozess in Ohnmacht fiel und starb, hat einige Symbolkraft.

Der Thronfolger des "Hüters der Heiligen Stätten" des Islam, Mohammed bin Salman von Saudi-Arabien, ist ein vor der ganzen Welt bloßgestellter feiger Mörder.

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