Erfolgreich und umstritten

Der Vorschlag des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, in Deutschland türkische Schulen zu gründen, damit türkischstämmige Kinder ihre Muttersprache richtig lernen, hat für Wirbel gesorgt. Dabei gibt es in Deutschland schon Privatschulen, in denen Türkisch unterrichtet wird. Was sind das für Schulen und wie sieht der Unterricht dort aus? Tuba Tuncak hat recherchiert.

Von Tuba Tuncak

Erst vor kurzem hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan während seiner Deutschlandreise betont, dass das Erlernen der Muttersprache wichtig ist. Tayfun Keltek, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen in Nordrhein-Westfalen (LAGA-NRW), ist in diesem Punkt mit Erdogan einer Meinung. In der Erziehung bestehe das größte Defizit darin, dass die Fähigkeiten der Kinder nicht unterstützt würden, so Keltek: "Weil auf die Muttersprache der Migrantenkinder nicht genügend Wert gelegt wird, sind diese Kinder in den Schulen erfolglos."

Die Wissenschaftler seien sich einig, dass eine Voraussetzung für das Erlernen von Fremdsprachen wie Deutsch erst einmal die Muttersprache - in diesem Fall Türkisch - richtig beherrscht werden müsse, so Keltek. In manchen staatlichen Schulen wird zwar Türkisch zusätzlich als muttersprachlicher Unterricht angeboten, aber viele türkische Eltern und Vereine halten dies inhaltlich und zeitlich nicht für ausreichend. Da erscheinen die neu gegründeten deutsch-türkischen Privatschulen als echte Alternative zum staatlichen Angebot.

Beispiel Privatgymnasium "Dialog"

Mittlerweile gibt es in der Bundesrepublik fünf deutsch-türkische Schulen. Eine davon ist das Privatgymnasium "Dialog" in Köln. Die Ganztagsschule startete im August 2007 mit zwei fünften Klassen und 39 Schülern. Auf dem Lehrplan, der von der Schulleitung, dem Trägerverein "Deutsch-Türkischer Akademiker-Bund" und einigen Erziehungswissenschaftlern erarbeitet wurde, steht Deutsch als Unterrichtsprache. Dazu kommen Englisch als erste Fremdsprache und Türkisch als Wahlpflichtfach. In der modern ausgestatteten Schule haben die Schüler neben dem Regelunterricht die Möglichkeit, in trilingualen Theater- und Schülerzeitungs-AGs ihre Sprachkenntnisse zu erweitern. Wie sieht es aber mit der Wirkung des Muttersprachenunterrichts auf die Deutschkenntnisse der Schüler aus? Alp Sarac, Vorsitzender des Trägervereins, meint dass dieser "beflügelnd" wirke: "Auf einmal werden Texte verständlicher, die man vorher noch nicht so richtig verstanden hatte. Auf einmal kommt die Wortwahl, die man aus dem Türkischen – aus dem Muttersprachlichen – heraus viel einfacher widerspiegeln kann. Und demzufolge hat es natürlich einen sehr positiven Einfluß auf die Leistungstärke der Schüler im deutschen Sprachunterricht.”

Lernfortschritte

Die Schule untersteht, wie jede andere so genannte Ersatzschule auch, der Bezirksregierung als obere Schulaufsichtsbehörde. Die Eltern bezahlen 180 Euro monatlich für das Essen und die Nachmittagsbetreuung. Der Trägerverein der Schule finanziert sich aus mehreren Quellen: Mitgliedsbeiträge, Spenden, die Bildungszentren des Vereins, die aus ihrem Nachhilfeunterricht Gewinne erwirtschaften, und zehn Prozent Landeszuschuss. Das Privatgymnasium hat acht Lehrer, darunter eine türkischstämmige Lehrerin. Obwohl die Schüler aus türkisch-muslimischen Familien stammen, gibt es keinen Religionsunterricht, sondern Ethik als Pflichtfach.

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​​Die Schüler des Privatgymnasiums sind besonders froh, dass sich ihre Muttersprache und ihre Deutschnoten verbessert haben. Dass im ersten Schuljahr alle Kinder türkischstämmig sind und automatisch unter sich bleiben, ist jedoch ein Kritikpunkt. Andererseits ist die Schule eigentlich für alle Nationalitäten offen. Aber bislang wirkte der Türkischunterricht auf die deutschen Eltern abschreckend, so Alp Sarac. Deshalb wird die Schule ab dem nächsten Jahr eine Wahlmöglichkeit zwischen Türkisch und Französisch anbieten.

Zwielichtige Verbindungen

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der Trägerverein "Deutsch-Türkischer Akademiker-Bund" eine Verbindung zum Netzwerk des umstrittenen Predigers Fethullah Gülen aufweist. Dieser lebt wegen diverser Probleme mit dem türkischen Staat und der türkischen Justiz in den USA. Alp Sarac weist diesen Vorwurf entschieden zurück: "Die Bildung hat international eine Sprache", so Sarac. "Doch wird auch versucht, alles Neue, was man nicht zuordnen kann, in irgendeine Schublade zu schieben.

Und dahin gehend hat man jetzt wohl jemanden gefunden, der seit Jahrzehnten predigt und Schulen gründet. Dagegen kann ich natürlich nichts sagen, warum denn auch? Denn er hat ja nur das gesagt, was wir sowieso schon befürworten. Dann ist das übereinstimmend, aber das heißt nicht, dass wir zu ihm eine Verbindung haben." Diesen Vorwurf erhebt man nicht nur gegen das Privatgymnasium "Dialog" in Köln, sondern auch gegen das Privatgymnasium des "Vereins für Integration und Bildung" in Hannover. Yusuf Ordueri, Geschäftsführer der Schule, unterstreicht, dass hier gemäß des niedersächsischen Lehrplans unterrichtet wird: "Wir haben keine organische Verbindung zu Herrn Hodscha Fethullah Gülen", so Ordueri und fügt hinzu: "Aber wir als Mitglieder lieben und respektieren ihn, lesen seine Bücher, und folgen seinem vorgezeichneten Weg…aber wir haben keine Verbindung."

Tuba Tuncak

© DEUTSCHE WELLE 2008