Hoffen auf den Wirtschaftsaufschwung

Seit zwei Jahren gibt es die deutsch-israelischen Regierungskonsultationen. Nun haben auch die Palästinenser ein Forum zum regelmäßigen Austausch mit der Bundesregierung. In Berlin fand das erste Treffen statt. Bettina Marx informiert.

Salam Fajad (Bildmitte) und Guido Westerwelle in Berlin; Foto: AP
Neues Projekt für eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Palästinensern: der gemeinsame Lenkungsausschuss von Bundesregierung und palästinensischer Autonomiebehörde

​​ Deutsch-palästinensischer Lenkungsausschuss - so heißt das neue Forum, in dem die Bundesregierung und die palästinensische Autonomiebehörde zusammenkommen.

In Berlin tagte das Gremium am Dienstag (18.05.2010) zum ersten Mal. Zehn Minister von beiden Seiten nahmen an den Beratungen teil, die in Zukunft regelmäßig jedes Jahr stattfinden sollen - immer abwechselnd in Berlin und Ramallah.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle war ein bisschen stolz über diese neue Form der Zusammenarbeit mit der palästinensischen Autonomiebehörde. Mit keinem anderen Land habe die palästinensische Behörde ein Forum, in dem Minister beider Kabinette über Aufbau und Entwicklung in den palästinensischen Gebieten beraten könnten.

"Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen, weil wir glauben, dass die Entwicklung und der Aufbau staatlicher Strukturen in den palästinensischen Gebieten unabdingbar sind, damit eine umfassende und gerechte Zweistaatenlösung im Nahen Osten gelingen kann."

Hilfe für die Autonomiebehörde

Deutschland unterstütze den Plan des palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fajad, selbst die institutionellen und wirtschaftlichen Grundlagen für einen palästinensischen Staat zu legen, sagte Westerwelle. Darum werde man die Hilfe für die Autonomiebehörde noch einmal erhöhen und neben zwei Millionen Euro für humanitäre Hilfe weitere 20 Millionen Euro für Entwicklungsprojekte zur Verfügung stellen.

Salam Fajad; Foto: dpa
Finanzexperte Fayad wird zwar im Westen hoch geschätzt, hat allerdings in den palästinensischen Gebieten nur wenig Rückhalt - nicht zuletzt deshalb, weil er keiner der beiden großen Fraktionen Fatah und Hamas angehört.

​​ Deutschland wolle zudem die Obergrenze für Hermes-Bürgschaften erhöhen und eine Anlaufstelle für die deutsche Wirtschaft im Westjordanland einrichten, kündigte Westerwelle an.

Außerdem sollen palästinensische Wissenschaftler gefördert werden. In einem Jahr hoffe man, ein gemeinsames "Memorandum of understanding" über den Wissenschafts- und Technologie-Austausch unterzeichnen zu können.

Darüber hinaus will Deutschland den Aufbau der Polizeikräfte im Westjordanland fortsetzen. In Jericho bilden deutsche Experten palästinensische Sicherheitskräfte zu Kriminalpolizisten aus.

Ein palästinensischer Staat bis 2011?

Ministerpräsident Fajad hatte angekündigt, spätestens im Jahr 2011 einen palästinensischen Staat auszurufen, wenn die Verhandlungen mit Israel bis dahin keine Fortschritte bringen. Dafür will er durch den Aufbau staatlicher Institutionen und durch massive Investitionen in die Infrastruktur die Grundlagen schaffen.

Präsident Mahmud Abbas erteilte diesem Plan jedoch kürzlich in einem Interview mit dem israelischen Fernsehen eine Absage. Er unterstütze keine einseitige Ausrufung des palästinensischen Staates.

Auch aus anderer Richtung mehren sich Zweifel am Vorhaben des Ministerpräsidenten. So werfen ihm Kritiker vor, mit dem Bau von Straßen und der Gründung einer neuen Stadt im Westjordanland Israel aus seiner Verantwortung als Besatzungsmacht zu entlassen. Fajad aber hält an seinem Plan fest.

Verbesserte Lebensbedingungen

Im Westjordanland hat Fajad bereits spürbare Verbesserungen für die lokale Wirtschaft und die Sicherheitslage erreicht. Erstmals seit Jahren stiegen die Einkommen der Familien; das Wirtschaftswachstum wurde für das Jahr 2009 auf sieben Prozent prognostiziert.

Blick auf Gaza-Stadt; Foto: AP
Im Gegensatz zum Westjordanland hat sich die wirtschaftliche Situation in dem von Israel blockierten Gaza-Streifen in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert.

​​In Städten wie Jenin und Nablus, die früher von Jugendbanden und Milizen beherrscht waren, patrouillieren jetzt wieder palästinensische Polizeikräfte und sorgen für Sicherheit und verbesserte Lebensqualität.

Von einem normalen Leben kann allerdings noch lange keine Rede sein. Noch immer behindern israelische Checkpoints und Straßensperren die Entwicklung der Wirtschaft. Nach wie vor wachsen - trotz offiziellem Baustopp - die israelischen Siedlungen zu Lasten der palästinensischen Dörfer und Städte.

Besonders dramatisch ist die Lage im Gazastreifen, wo seit drei Jahren die Hamas uneingeschränkt herrscht. Israel hat eine strenge Blockade gegen Gaza verhängt, die auch nach der blutigen Invasion im Januar 2009 nicht gelockert wurde.

Es fehlt vor allem an Baumaterialien, Medikamenten und Verbrauchsgütern. Die Spaltung zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland, die Feindschaft zwischen Hamas und Fatah könne nur überwunden werden, wenn das palästinensische Volk wieder Hoffnung schöpfen könne, dass die Besatzung bald beendet werde, sagte Salam Fajad in Berlin. Die Hoffnungslosigkeit der Menschen sei eine der Hauptursachen für den innerpalästinensischen Konflikt.

Im Westen geschätzt, in Palästina ohne Rückhalt

Finanzexperte Fajad, der im Westen hoch geschätzt wird, hat in den palästinensischen Gebieten nur wenig Rückhalt. Er gehört keiner der beiden großen Fraktionen Fatah und Hamas an und erzielte bei den letzten Parlamentswahlen mit einer bürgerlichen Liste nur knapp drei Prozent der Stimmen. In Berlin dankte er den Deutschen für ihre Hilfe. Deutschland sei damit auch innerhalb der EU ein Vorreiter.

Seit Beginn des Oslo-Friedensprozesses im Jahr 1993 unterstützen Deutschland und die EU den Aufbau der Autonomiebehörde und der palästinensischen Institutionen mit Geld und mit Fachkräften.

So haben deutsche Experten den Palästinensern beispielsweise geholfen, eine Zollverwaltung aufzubauen. Sie kam jedoch nie zum Einsatz, weil Israel seine Zustimmung verweigerte.

Bettina Marx

© Deutsche Welle 2010

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de

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