In der Sackgasse

Fünf Jahre nach dem Tod Arafats sind die Palästinenser einem eigenen Staat nicht näher als zu Lebzeiten des früheren Präsidenten. Im Gegenteil – das historische Palästina wird immer kleiner, während die Siedlungen weiter wachsen. Bettina Marx kommentiert.

Fünf Jahre nach dem Tod Arafats sind die Palästinenser einem eigenen Staat nicht näher als zu Lebzeiten des früheren Präsidenten. Im Gegenteil – das historische Palästina wird immer kleiner, während die israelischen Siedlungen täglich weiter wachsen. Bettina Marx kommentiert.

Jassir Arafat; Foto: AP
Hoffnung auf Frieden zu Grabe getragen? Fünf Jahre nach dem Tod Jassir Arafats scheint eine politische Einigung im Sinne einer Zweistaatenlösung in weite Ferne gerückt zu sein.

​​ Vor fünf Jahren starb Jassir Arafat, der erste Präsident der Autonomiebehörde, in einem französischen Krankenhaus, fern seiner Heimat. Zwei Tage später wurde er in einer aufwühlenden, wilden Zeremonie von seinem Volk zu Grabe getragen – in Ramallah, nicht in Jerusalem, wie er es sich gewünscht hatte.

Wie Moses, der die Israeliten ins gelobte Land führte, es aber selbst nie erreichte, so war es auch Arafat nicht vergönnt, seinem Volk in einem eigenen Staat eine neue alte Heimat zu geben.

Von Ramallah aus konnte er zwar die Zinnen und Kuppeln der Stadt sehen, in der er der Legende nach geboren wurde, betreten durfte er Jerusalem aber nicht – ein Schicksal, das er mit Moses und den meisten seiner Landsleute teilte.

Täglich wachsende israelische Siedlungen

Fünf Jahre nach seinem Tod sind die Palästinenser einem eigenen Staat nicht näher als zur Zeit Arafats. Im Gegenteil, das kleine übrig gebliebene Stückchen des historischen Palästina, in dem sie ihren eigenen Staat errichten wollten, wird immer kleiner, während die israelischen Siedlungen täglich weiter wachsen.

Mauer bei Jerusalem; Foto: AP
"Auch Abbas konnte nicht verhindern, dass 55.000 palästinensische Einwohner Ostjerusalems hinter einer neun Meter hohen Betonmauer verschwunden sind, ausgesperrt aus ihrer eigenen Stadt, abgeschnitten von ihrem Umfeld", schreibt Marx.

​​Genau fünf Jahre nach dem Tod Jassir Arafats haben wieder 17 palästinensische Familien im Ostjerusalemer Stadtteil Silvan Räumungsbescheide der israelischen Stadtverwaltung erhalten.

Sie müssen ihre Wohnungen verlassen, damit hier, im Schatten der Altstadtmauer, ein Park angelegt werden kann, zum Gedenken an König David, der hier einst spazieren gegangen sein soll.

Mauer durch Ostjerusalem

Selbst Mahmoud Abbas, der weltweit geschätzte und äußerst nachgiebige Nachfolger Arafats, kann dies nicht verhindern. Er konnte auch nicht verhindern, dass 55.000 palästinensische Einwohner Ostjerusalems hinter einer neun Meter hohen Betonmauer verschwunden sind, ausgesperrt aus ihrer eigenen Stadt, abgeschnitten von ihrem Umfeld, ihren Schulen, ihren Arbeitsplätzen und ihrem sozialen Lebensmittelpunkt.

Er konnte nicht verhindern, dass die Zweistaatenlösung inzwischen keine Option mehr ist, dass immer mehr Palästinenser, unter ihnen auch führende Fatah-Politiker, stattdessen gleiche Rechte in einem binationalen Staat vom Mittelmeer bis zum Jordan fordern.

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas; Foto: AP
Im politischen Abseits: Mahmoud Abbas hatte aus Protest gegen die pro-israelische Haltung der US-Regierung im Siedlungsstreit angekündigt, bei den Wahlen im Januar nicht mehr zu kandidieren.

​​Fünf Jahre nach dem Tod Jassir Arafats also ist die Zweistaatenlösung gescheitert. Es ist nur folgerichtig, dass Präsident Abbas, der wie kein anderer palästinensischer Politiker sein Schicksal mit der Zweistaatenlösung verbunden hat, seinen Rückzug aus der Politik ankündigte.

Und sein Chefunterhändler Saeb Erekat warnte, er könne das gleiche Schicksal erleiden wie Arafat, der nach Überzeugung der Palästinenser vom israelischen Geheimdienst vergiftet worden sein soll.

Leere Worte aus Deutschland

In Berlin indes hat man von den Veränderungen im Nahen Osten offenbar nichts mitbekommen. Weder die Sturheit der israelischen Regierung noch die Verzweiflung der Palästinenser haben hier einen Eindruck hinterlassen.

Stattdessen wiederholt Bundeskanzlerin Angela Merkel gebetsmühlenartig, dass Deutschland weiterhin die Zweistaatenlösung unterstütze. Und Außenminister Guido Westerwelle wird bei seinem bevorstehenden Israel-Besuch das gleiche versprechen.

Leere Worte, die nicht kaschieren können, dass es in Berlin keine Nahostpolitik mehr gibt und dass fünf Jahre nach dem Tod Jassir Arafats der Frieden im Nahen Osten weiter entfernt ist als je zuvor.

Bettina Marx

© Deutsche Welle 2009

Dr. Bettina Marx ist langjährige Nahost-Hörfunkkorrespondentin der ARD. Zuletzt erschien ihr Buch "Gaza. Berichte aus einem Land ohne Hoffnung" im Verlag Zweitausendeins.

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