"Wir brauchen Mut und Widerstandsfähigkeit"

Im April 2000 wurde er verhaftet und erst im März 2006 wieder freigelassen: der iranische Dissident Akbar Ganji, einer der prominentesten Kritiker des iranischen Regimes. Peter Philipp hat sich mit Ganji unterhalten.

Im April 2000 wurde er verhaftet und erst im März 2006 wieder freigelassen: der iranische Dissident und Enthüllungsjournalist Akbar Ganji, einer der prominentesten Kritiker des iranischen Regimes. Ganji befindet sich nach Ende seiner sechsjährigen Haft derzeit auf einer Europa-Reise. Peter Philipp hat sich mit Ganji unterhalten.

​​Einst gehörte er den Revolutionsgarden an, die im Iran maßgeblich am Sturz des Schahs und der Einrichtung einer "Islamischen Republik" beteiligt waren. Heute fordert der Journalist Akbar Ganji, inzwischen Mitte 40, dass diese "Islamische Republik" ersetzt werde durch eine "wahre Demokratie", in der Meinungsfreiheit herrsche und die Bürgerrechte geachtet werden.

Ganji weiß, wovon er spricht: Seit Mitte der neunziger Jahre trat Ganji in seiner damaligen Zeitung offen für die Trennung von Staat und Religion ein, bis die Behörden die Schließung des Blattes verfügten. Zwei weiteren Zeitungen, für die er daraufhin schrieb, erging es nicht besser.

Und nachdem er dem früheren Präsidenten Akbar Haschemi Rafsanjani vorgeworfen hatte, in die Ermordung von Dissidenten verwickelt gewesen zu sein, zog er sich den direkten Zorn der Mächtigen zu.

Von Berlin aus ins Gefängnis

So war es nicht verwunderlich, dass Ganji nach seiner Rückkehr von einer "Iran-Konferenz" in Berlin im Jahr 2000 in Teheran verhaftet und vor Gericht gestellt wurde. Aber fünf Jahre Haft - zum Teil Einzelhaft - und ein langer Hungerstreik haben ihn nicht davon abgehalten, seine Ideen weiter zu verbreiten.

Im Iran darf er zwar nicht mehr publizieren, doch es gibt das Internet sowie ausländische Medien, die sein Wort zurück in seine Heimat tragen.

Der Weg vom Verfechter der Islamischen Republik zu einem ihrer heftigsten Kritiker sei allerdings gar nicht so ungewöhnlich, meint Ganji:

"Normalerweise gibt es eine tiefe Kluft zwischen dem, was Revolutionäre in der Anfangsphase fordern, und dem, was sie später erreichen. Normalerweise wollen sie das Paradies, schaffen dann aber oft die Hölle. Ein ehrlicher Revolutionär, der das erkennt, wird damit aufhören. Durch eine Revolution schafft man keine Demokratie."

Die jungen Leute, die sich damals für die Revolution eingesetzt hatten, wollten Freiheit und Demokratie erlangen. Stattdessen aber bekamen sie Unterdrückung und eine Schreckensherrschaft. So mancher habe das erkannt und sich enttäuscht abgewandt.

Die Dunkelkammer erhellen

Wird solch eine Abwendung vom Regime als Verrat betrachtet? Oder waren es seine persönlichen Vorwürfe gegen Rafsanjani, die ihn ins Gefängnis brachten?

"Undemokratische Staaten und Staats-Systeme sind konspirative Systeme", meint Ganji. "Sie bilden konspirativ eine Dunkelkammer - und unsere Aufgabe ist es, unser Scheinwerferlicht auf deren Handlungen zu werfen. Alle diese Planungen, Dissidenten zu liquidieren, finden in dieser Dunkelkammer statt, das ganze soziale Übel ist das Ergebnis dieser Dunkelkammer.

"Wir versuchen dies alles mit unserem Scheinwerfer zu erhellen und das hässliche Gesicht der Akteure zu beleuchten. Sie begegnen uns natürlich mit Gefängnis, mit Folter und Unterdrückung. Denn sie haben das Gefühl, dass aus diesen Einzelstimmen Flüsse oder ganze Meere werden können - und das wird sie vernichten. Deshalb versuchen sie, die Quelle blind zu machen und zu töten".

Akbar Ganji ist überzeugt, dass Veränderung im Iran nicht auf gesetzlichem oder politischem Wege zu erreichen sei - und erst recht nicht durch das Parlament. Ist da eine Einzelstimme wie die seine nicht erst recht machtlos? Nicht unbedingt, meint der Dissident, denn es gebe ja viele einzelne Stimmen, und diese würden ihre Auswirkung haben.

Keine Alternative als die freie Meinungsäußerung

Natürlich lasse ein diktatorisches System Kritik nicht zu. Deshalb erhebe er seine Stimme. Und wenn er damit manchmal vielleicht etwas weit gehe, dann habe dies zum Ziel, dass die Menschen im Iran wenigstens ein Minimum an Freiheit erlangen könnten.

"Ich glaube fest an die freie Meinungsäußerung", sagt Akbar Ganji. "Wir haben keine Alternative als uns frei zu äußern, um unser Ziel zu erreichen. Das Projekt der Demokratisierung kann man nicht mit rein philosophischem Gerede verwirklichen. Deswegen brauchen wir Mut und Widerstandsfähigkeit."

Die hat Ganji unter Beweis gestellt. Er besteht darauf, in den Iran zurückzukehren - und er lässt sich nicht davon beeindrucken, dass ihm dort vielleicht erneute Haft droht: Natürlich gebe es diese Gefahr, so Ganji. Doch er tue im Grunde doch nichts Ungesetzliches, sondern nehme sich nur seine bürgerliche Freiheit.

Peter Philipp

DEUTSCHE WELLE 2006

Qantara.de

Akbar Ganji im Hungerstreik
Im eisernen Griff der iranischen Justiz
Der Gesundheitszustand des inhaftierten iranischen Publizisten und Regimekritikers Akbar Ganji hat sich seit seinem Hungerstreik vor einigen Wochen weiter dramatisch verschlechtert – entgegen anders lautender staatlicher Darstellungen. Bahman Nirumand berichtet.