Dschihadis, bitte pusten!

Im Arabischen Frühling war der Satiriker Bassem Youssef geliebt und gefürchtet. Dann floh er. Nun spottet er in Amerika. Von Dunja Ramadan

Von Dunja Ramadan

Die neuen Nachbarn sind seltsam? Sie trägt Kopftuch, er Bart und einen Knubbel auf der Stirn vom Niederknien? Sie sind anders? Fremd? Sprechen wir es aus: Sie sind Muslime? Natürlich darf man da nervös sein, versteht ja jeder, Terror, Frauenbild und so. Muss man aber nicht. Wirklich nicht.

Denn Bassem Youssef hilft, genauer, sein Unternehmen "Jihadi Solutions". Die Firma hat ein Tool entwickelt - handlich, bedienungsfreundlich, kostengünstig - das Youssef in einem dreiminütigen Internet-Spot vorstellt: "Breathe Easy". Es funktioniert wie das Röhrchen für alkoholisierte Autofahrer und ordnet die Probanden je nach Radikalisierungsgrad auf einer Skala von "Ich mag Hummus" bis "Ich unterstütze den IS" ein.

"Breathe Easy" ist laut Youssef das Ergebnis intensiver Forschung und fortgeschrittenster Technologie. Denn immer dann, wenn der Nachbar, sagen wir, Amerika den Tod wünsche, blieben Rückstände in den Zellen, woraufhin sogenannte radikale Enzyme freigesetzt werden. "Breathe Easy" liefere präzise Ergebnisse, "genauer als ein Drohnenangriff".

Der arabische Jon Stewart wieder im Rampenlicht

Er ist also wieder da. Bassem Youssef, der arabische Jon Stewart, ein Pionier der politischen Satire, der Straßenfeger im Arabischen Frühling. Als er den Mächtigen in Ägypten zu mächtig wurde, floh er. Inzwischen lebt er in Amerika. Und tut, was er am besten kann: spotten.

Sein Erfolg begann, als Langzeitpräsident Hosni Mubarak gerade gestürzt war. In der Wäschekammer seiner Wohnung in Kairo drehte Youssef, der promovierte Herzchirurg, Youtube-Videos. In Windeseile war er so bekannt, dass er eine TV-Sendung bekam, "AlBarnameg", "die Show". Es war eine Zeit unerhörter Freiheiten, und Youssef war ihre Spottdrossel. Die Zuschauer liebten ihn, die Regierung - jede ägyptische Regierung - hasste ihn. Er überlebte eine Militärregierung, die Muslimbrüder, aber die jetzige Militärregierung setzte seine Sendung ab.

Deutsche Welle TV-Sendungslogo "AlBernameg" mit dem ägyptischen Satiriker Bassem Youssef; Foto: DW
Scharfe Klinge, spitze Zunge: Drei Jahre lang war seine äußerst populäre Polit-Satireshow „AlBernameg“ in Ägypten zu sehen – bis zur abrupten Absetzung Ende 2013. Wenige Wochen später nahm die Deutsche Welle die Sendung in ihr arabisches Programm. Im Sommer desselben Jahres musste Bassem Youssef dennoch das Handtuch werfen – aus Angst um seine Sicherheit.

Nun lebt er also in Trump-Land. Youssef wäre nicht Youssef, wenn er das satirische Potenzial darin nicht erkennen würde: "Liegt es an mir? Bringe ich Unglück, egal wo ich hingehe? Bin ich ein Diktator-Magnet?", fragt er in seiner jüngst erschienenen Biografie "The Revolution for Dummies. Laughing through the Arab spring".

Aber welcher Amerikaner will Witze über Amerika von einem Ägypter hören, wo schon die eigenen Satiriker oft von der Wirklichkeit überholt werden? Auf Arabisch erreichte Bassem Youssef pro Folge 40 Millionen Zuschauer. Seine englischen Youtube-Clips bringen es im Schnitt auf 250.000 Zuschauer. Immerhin: Er hat ein Thema. Im Wahlkampf hetzte Trump gegen Araber und Muslime. Youssef ist beides. "Ich wehre mich gegen Islamophobie und Diskriminierung, aber ich verteidige keine Religion, sondern Menschen", sagt Youssef am Telefon aus Amerika.

Eine Art Erste-Hilfe-Video für Muslime

Nach dem Terroranschlag in Barcelona veröffentlichte er das "Muslim Morning After Kit", eine Art Erste-Hilfe-Video für Muslime, die nach dem Terroranschlag ihre Loyalität unter Beweis stellen müssen. Die Ausrüstung enthält eine riesige US-Flagge, ein T-Shirt mit "Einer von den Guten"-Aufschrift, ein Rucksack-Etikett "Nur ein paar Bücher und ein Laptop" und ein Foto des jeweilige Muslim mit dem Countrysänger Toby Keith (Keith schrieb "The Angry American" und sang bei Trumps Vereidigung).

Youssef hat inzwischen eine eigene Show auf Youtube namens "Democracy Handbook". Er reist durch die Vereinigten Staaten, um die "großartigste Demokratie der Welt" kennenzulernen, geht in Waffengeschäfte, die Muslimen den Eintritt verbieten und Autoaufkleber mit "Muslim-freie Zone" verkaufen, spricht arabisch in ein Megafon, um sein "Recht auf Redefreiheit" zu praktizieren.

Seine Form des Widerstands habe sich geändert, sagt Youssef, sein Herz hängt noch immer an seiner alten Heimat. "Wenn ich in den USA erfolgreich bin, kann ich das Augenmerk auf die Ereignisse in Ägypten lenken", hofft er.

Als er noch aus Kairo sendete, schalteten die Ägypter nicht nur ein, um zu lachen, sondern auch, weil sie wissen wollten, ob es die Sendung überhaupt noch gibt. "In einer Gesellschaft, die darauf programmiert ist, ,Ja, mein Herr' zu sagen, habe ich mich dem System widersetzt und "Nein" gesagt. Ich habe es mit einem Grinsen, einem Zwinkern und einem Nicken gemacht - und das hat sie ganz schön angepisst", schreibt Bassem Youssef.

"AlBarnameg" – ein kurzes demokratisches Experiment

Nun ist er weg, und die Ägypter sagen wieder "Ja, mein Herr" zu einer Regierung, die viele für brutaler halten als das Mubarak-Regime. Der Einsatz für Satiriker ist hoch, wenn es schlecht läuft, landen sie im Gefängnis - und die Fans schauen in die andere Richtung. "Alles was von dir übrig bleibt ist ein Hashtag auf Twitter", sagt Youssef. Das ist kein Vorwurf, aber warum soll er für dieses Land sein Leben riskieren? Dann lieber Exil.

"AlBarnameg" war ein kurzes demokratisches Experiment. Als die Sendung abgesetzt wurde, sagten viele, Ägypten sei noch nicht bereit gewesen für politische Satire. Youssef hält das für Unsinn.

"Das sind Ausreden, die das Regime verbreitet. Wir sind nicht bereit für Gleichberechtigung, wir sind nicht bereit für Freiheit, wir sind nicht bereit für Demokratie. Wie kann man für etwas Gutes nicht bereit sein?" Die Revolution sei nicht vorbei, sie sei überhaupt weniger ein Ereignis als ein Prozess: "Es geht nicht ums Steinewerfen, sondern um ein verändertes Denken."

Aus ägyptischer, also: aus seiner Perspektive hat Amerika viel zu verlieren. Wenn ein Präsident die Medien desavouiere, müsse die Demokratie geschützt werden, so Youssef. "Amerika, ich hoffe ihr unternehmt etwas gegen Trump. Betrachtet das Buch als Warnung, was noch alles auf euch zukommen könnte", heißt es am Ende. Und dann, weil er natürlich nie so tragisch enden würde: "Ehrlich gesagt, gehen mir langsam die Orte zum Auswandern aus, und Kanada ist verdammt noch mal viel zu kalt!"

Dunja Ramadan

© Qantara.de 2018