Muslimische Superheldin

Eine pubertierende muslimische Migrantin in den USA, die über Wunderkräfte verfügt: Das geht nur in einem Comic-Strip. Die Erwartungen an das kleine Mädchen mit dem großen "S" auf der Brust sind hoch. Von Rachel Baig

Von Rachel Baig

Kamala Khan ist kein durchschnittlicher muslimischer Teenager. Als pubertierende Tochter einer pakistanischen Einwanderer-Familie steckt sie in einer vielschichtigen Identitätskrise. Zum Glück besitzt sie Superheldenkräfte und kann ihre Gestalt verändern. Denn Kamala ist die neue Superheldin des US-amerikanischen Marvel Comic Verlags, und wird ab Februar als Ms. Marvel in einer neuen Heftreihe erscheinen.

Kreiert wurde die Figur von den Marvel-Redakteuren Sana Amanat und Steve Wacker, die den Charakter erfanden, nachdem Amanat Anekdoten aus ihrer muslimisch-amerikanischen Kindheit erzählte. Autorin der Comic-Reihe ist G. Willow Wilson, die das Projekt sofort begeisterte. "Ich wollte, dass Ms. Marvel realitätsnah ist. Eine Figur, mit der sich vor allem junge Frauen identifizieren können", sagt sie über die Entstehung des Charakters. "Ich habe auch viel aus meinen eigenen Erfahrungen als Teenager eingebracht."

Superheldin im Kampf mit der eigenen Identität

Ms Marvel alias Kamala Khan; Foto: picture alliance/AP Photo
Pubertierende Superheldin: Die 16-jährige Kamala Khan besitzt "Superheldenkräfte" und kann ihre Gestalt verändern. Im echten Leben ist sie ein durchschnittlicher muslimischer Teenager und steckt als pubertierende Tochter einer pakistanischen Einwanderer-Familie in den USA mitten in einer vielschichtigen Identitätskrise.

Als 16-Jährige mit einem multikulturellen Hintergrund hat Kamala Khan neben den üblichen Pubertäts-Problemen auch mit dem Widerstand gegen kulturelle und religiöse Normen zu tun. Ihr erzkonservativer Bruder möchte zum Beispiel nicht, dass sie Tradition und Moderne unter einen Hut bringt. Zudem ist da noch ihre Mutter, deren größte Sorge es ist, dass ihre Tochter einen Jungen kennenlernt und schwanger wird. "Wie viele Migranten-Kinder fühlt sie sich zerrissen zwischen zwei Welten: der Familie, die sie liebt und die sie gleichzeitig in den Wahnsinn treibt, und ihren Freunden, die nicht wirklich ihr Familienleben verstehen", so Wilson.

Neben den üblichen Teenagerproblemen werden aber auch die Schwierigkeiten, mit denen Muslime in den USA von heute konfrontiert sind, thematisiert. Seit dem 11. September 2001 haben sie dort mit Vorurteilen zu kämpfen.

Nur wenige Details und die erste Titelseite sind bisher über die neue Superheldin bekannt. Auf dem Cover sieht man eine junge, sportliche Frau. Sie trägt ein schwarzes T-Shirt mit einem stilisierten "S", das aussieht wie ein Blitz. Unter ihren linken Arm hat sie Schulbücher geklemmt, die rechte Hand ist zu einer Faust geballt.

Um den Hals trägt sie ein buntes Tuch. Ihre langen, braunen Haare trägt sie offen. Laut Wilson spiegele dies die Tatsache wider, dass viele muslimische Amerikanerinnen kein Kopftuch trügen. "Kamala Khan ist nicht so aufreizend gestaltet wie ihre Vorgängerinnen, aber entspricht schon eher dem Teenager-Idol, das in den USA kursiert", sagt Sabine Schiffer, Medienexpertin am Institut für Medienverantwortung in Erlangen.

Comic als Spiegelbild der Realität

Kamala Khan setze einerseits als Comic eine Tradition fort, zeige aber auch, wie sich die Helden gewandelt hätten, um am Puls der Zeit zu bleiben. "Es gibt schon die Erwartung, dass sie die Vielfalt in der Gesellschaft widerspiegelt und andererseits Stereotypen konterkarieren kann", so Schiffer.

Auch Andrea Schlosser, Expertin für Amerikanistik und die Darstellung von ethnischen Minderheiten in den Medien der USA, ist der Meinung, dass Comics ein Spiegel der Realität sind. "Für die jugendlichen Leser könnte man daraus schließen, dass man ein Identitätsvorbild hat", meint Schlosser. "Weiter kann man aber auch Parallelen zur Realität ziehen. Kamala könnte auch ein Wortspiel sein und sich auf die reale Person Malala Yousafzai beziehen, die letztes Jahr für den Friedensnobelpreis nominiert wurde."

Malala Europaparlament Sacharow Preis 2013, Foto: REUTERS/Vincent Kessler
Zwischen Realität und Fiktion: "Kamala könnte auch ein Wortspiel sein und sich auf die wirkliche Person Malala Yousafzai beziehen, die letztes Jahr für den Friedensnobelpreis nominiert wurde", beobachtet Medienexpertin Andrea Schlosser.

Nicht die erste Superheldin gegen traditionelle Stereotype

Kamala Khan ist nicht die erste Superheldin, die mit traditionellen Stereotypen und Geschlechternormen konfrontiert wird. Neben Wonder Woman oder Catwoman hebt auch die Serie X-Men die Rolle der Frauen hervor. Der Marvel-Verlag versucht sich außerdem nicht zum ersten Mal an einer muslimischen Superheldin. Im Jahr 2002 führte er die verhüllte Sooraya Qadir unter dem Code-Namen "Dust" als Teil des X-Men-Universums ein. Deren Superkräfte bestanden darin, sich in Luft aufzulösen. "Das ist nicht sonderlich schmeichelhaft. Erstens, weil sie eine Frau ist, und Frauen im Comic sowieso unterrepräsentiert sind, und in der Gesellschaft gibt es die Auffassung, dass man als Frau, besonders als muslimische, marginalisiert ist", sagt Schlosser.

Im letzten Jahr startete eine pakistanische Zeichentrickserie namens "Burka Avenger", in der eine junge Lehrerin gegen Frauenfeindlichkeit und Korruption in ihrer Gesellschaft kämpft. Doch sie trägt eine Burka als Tarnung und der Comic an sich ist deutlich politischer als Kamala Khans Ms. Marvel.

Beide Expertinnen hoffen, dass der Comic keine stereotypen Inhalte aufweisen wird. "Wie die Comicbuchfigur repräsentiert wird, was für Handlungsstränge aufkommen werden - es bleibt abzuwarten, ob diese nicht auch stereotyp gehalten sind", meint Andrea Schlosser.

Sabine Schiffer glaubt, dass es mehr Stereotype geben wird als erwartet, hofft aber, dass abgesehen von den Heldenaktivitäten, auch mehr Normalität porträtiert wird.

Rachel Baig

© Deutsche Welle 2013

Redaktion: Andrea Lueg/DW & Arian Fariborz/Qantara.de