Peking fordert Auslieferung islamistischer Aktivisten

Seit zwei Jahren ist China bemüht, den Kampf gegen die uigurischen Unabhängigkeitsbestrebungen mit dem weltweiten Anti-Terror-Kampf zu koppeln. Nun möchte Peking die Auslieferung islamistischer Aktivisten erreichen, die im Ausland leben, unter anderem in Deutschland.

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Vielvölkerprovinz Xinjiang: Basis für islamische Terroristen?

​​Moslemisch, Kontakte nach Afghanistan, gewaltbereit: Seit dem 11. September 2001 reichen diese drei Attribute aus, um beinahe unverzüglich als Terrorist eingestuft zu werden. Das hat auch die chinesische Regierung längst mitbekommen. Schon im August 2002 gelang der Versuch, eine uigurische Separatistenbewegung namens "Islamische Bewegung Ostturkestan" zunächst von den USA und dann von den Vereinten Nationen als terroristische Organisation einstufen zu lassen.

Bomben für ein unabhängiges Ostturkestan?

Jetzt hat Peking nachgelegt und erstmals eine offizielle Liste von vier Gruppen und elf Einzelpersonen vorgelegt, die sie terroristischer Aktivitäten in China beschuldigt. Darunter auch die bereits international geächtete Islamische Bewegung Ost-Turkestan. Wie diese Gruppierung vertreten auch die drei weiteren genannten Organisationen die ethnische Minderheit der Uiguren in der nordwestlichen Provinz Xinjiang: die "Befreiungsorganisation für Ostturkestan" mit Sitz in der Türkei, der "Weltkongress der uigurischen Jugend" mit Sitz in München sowie das "Ostturkestan Informationszentrum", ebenfalls aus München.

Laut chinesischer Regierung sollen die vier Organisationen mit Bombenanschlägen und Attentaten gewaltsam für das Ziel eines unabhängigen islamischen Staates "Ostturkestan" kämpfen. Dafür hätten sie unter anderem Trainingscamps in Tschetschenien und Afghanistan eingerichtet. Peking bittet die internationale Gemeinschaft deshalb um Unterstützung. Die Organisationen sollten verboten werden, ihre Konten eingefroren und ihre Mitglieder an China ausgeliefert werden.

Im Rahmen der deutschen Gesetzgebung

Auch Delixiati Rexiti, der Sprecher des "Weltkongress der uigurischen Jugend" und des "Ostturkestan Informationszentrum" wäre von einer solchen Auslieferung betroffen. Er streitet die Vorwürfe aber ab: "Beide Gruppen sind rechtmäßig in Deutschland registiert," sagt er. Und: "Bei sämtlichen politischen Aktivitäten für ein freies und demokratisches Ostturkestan bewegen wir uns im Rahmen der deutschen Gesetzgebung."

Der deutsche Verfassungsschutzbericht bestätigt Delixiati Rexiti. Der Bericht enthält Informationen über Aktivitäten In- und Ausländischer Organisationen, die die Sicherheit Deutschlands gefährden könnten. Nach einem Eintrag über die geschätzten rund 1.000 in Deutschland lebenden Uiguren sucht man vergeblich. Auch auf telefonische Nachfrage wollte man die chinesischen Vorwürfe gegen die Organisationen beim deutschen Verfassungsschutz nicht bestätigen.

Kampf gegen Terror als Deckmantel für Unterdrückung

Auch die Bundesregierung hält sich zurück. Der deutsche Ostasienexperte Thomas Heberer von der Universität Duisburg hält die chinesischen Vorwürfe für Strategie: Mit dem Terrorargument würde China versuchen, seine Unterdrückungspolitik in der autonomen Provinz zu rechtfertigen. Die meisten Uiguren strebten zwar tatsächlich die Unabhängigkeit an, aber dies sei nur eine Reaktion auf kulturelle und wirtschaftliche Benachteiligungen seitens der chinesischen Regierung.

Nach einer kurzen Unabhängigkeitsperiode 1944/45 gerieten die rund sieben Millionen Uiguren in Xinjiang wieder unter chinesische Herrschaft. Seitdem sind Millionen von Chinesen in die Provinz zugewandert und haben die Uiguren zu einer Minderheit gemacht. Die uigurische Sprache wird immer weiter zurückgedrängt, Führungspositionen gehen hauptsächlich an Chinesen. Dabei spielen wirtschaftliche und strategische Gründe eine wichtige Rolle: Xinjiang verfügt über riesige Erdölvorkommen und beherbergt das nukleare Testareal Lop Nor.

Henrik Hübschen © DEUTSCHE WELLE / DW-WORLD.DE 2003