Xi Jinping in Riad

Der Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi in Riad hat den Wunsch der arabischen Staaten am Golf verdeutlicht, ihre auswärtigen Beziehungen zu diversifizieren.
Der Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi in Riad hat den Wunsch der arabischen Staaten am Golf verdeutlicht, ihre auswärtigen Beziehungen zu diversifizieren.

Die Reise von Chinas Präsident Xi nach Saudi-Arabien im Dezember war ein Affront gegen Washington und zeigt, wie die Staaten am Golf ihre Beziehungen diversifieren wollen. Von Abdullah Baabood   

Von Abdullah Baabood

Anfang Dezember besuchte der chinesische Staatspräsident Xi Jinping Saudi-Arabien. Dieser Besuch hat in der Dreiecksbeziehung zwischen den Golfstaaten, China und den Vereinigten Staaten gleich mehrere Signale gesendet. Das deutlichste lautet: Die Länder der Golfregion positionieren sich gegenüber Peking unabhängiger, als es Washington lieb sein dürfte – auch wenn ihr Wille, sich den Präferenzen der USA zu widersetzen, Grenzen hat. 

Xis Besuch war sein erster Aufenthalt außerhalb Ost- und Zentralasien seit drei Jahren, sein dritter Staatsbesuch in Übersee seit der Covid-19-Pandemie und sein erster Besuch in Saudi-Arabien seit 2016. Die Reise gilt als großer diplomatischer Erfolg. Die chinesischen Staatsmedien feierten den Besuch als "Chinas größte und bedeutendste diplomatische Aktion mit der arabischen Welt seit der Gründung der Volksrepublik China“.



Xi traf im Laufe seines Aufenthalts mit fast 20 arabischen Staats- und Regierungschefs zu bilateralen Gesprächen zusammen. Der herzliche Empfang stand im Gegensatz zu der eher kühlen Begrüßung, die Präsident Joe Biden im vergangenen Juli am Golf erfuhr. Der chinesische Präsident nahm an drei Gipfeltreffen teil: dem Saudisch-Chinesischen Gipfel, dem ersten Gipfel des Golfkooperationsrats (GKR) mit China und dem ersten Arabisch-Chinesischen Gipfel. Angesichts einer sich verändernden Dynamik in der globalen, regionalen und energiepolitischen Geopolitik fand der Besuch große Beachtung. 

Der Westen verliert an Einfluss - wirtschaftlich und politisch

Im Hinblick auf die Verschiebung der geopolitischen Gewichte waren der Zeitpunkt des Besuchs von Xi und das Spektakel, das ihn begleitete, bemerkenswert. Die Regierung Biden hat in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie von Oktober 2022 erklärt, die größte Herausforderung für die Interessen der USA gingen von einem erstarkenden China aus, sodass Washingtons Hauptaugenmerk darauf liege, die US-amerikanische Einhegung Chinas aufrechtzuerhalten und zu stärken.

Der chinesische Präsident Xi Jinping und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (image: Royal Court of Saudi Arabia/AA/picture-alliance)
Verschiebung der Machtverhältnisse: Mit seinem Besuch in Saudi-Arabien zielte Xi Jinping darauf ab, bestehende Beziehungen zu festigen und gleichzeitig die Popularität Chinas in den arabischen Ländern auszubauen. Gleichzeitig bekräftigte Peking seine Unterstützung für die unabhängige Entwicklung seiner arabischen Partner. Während seines Besuchs unterzeichnete Xi mit arabischen Staats- und Regierungschefs mehrere sektorübergreifende Abkommen u. a. in den Bereichen Energie, Infrastruktur, Finanzen, Bildung und Technologie.



Daher sind die Vereinigten Staaten besorgt über Chinas zunehmend enge Beziehungen zu den US-Verbündeten am Golf und im Nahen Osten. Ihnen wurde zu verstehen gegeben, dass vertiefte Beziehungen zu Peking die Zusammenarbeit mit Washington als ihrem wichtigsten strategischen Verbündeten und Sicherheitspartner beeinträchtigen können.



Dessen ungeachtet zeigen Saudi-Arabien und einige andere Länder der Region Interesse an einer Mitarbeit in von China angeführten multilateralen Organisationen wie der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und der 2017 initiierten Gruppe BRICS Plus. Ägypten, Saudi-Arabien und Katar sind bereits neue Dialogpartner der SOZ geworden. Bahrain, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) wollen folgen. 

Der Besuch von Xi Jinping in Riad fiel in eine Phase angespannter Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien. Anlass sind verschiedene Themen, die zwischen beiden Staaten umstritten sind wie Menschenrechte, der Krieg im Jemen, die Entscheidung der OPEC+, die Ölproduktion zu drosseln und diverse weitere außenpolitische Fragen.



China gewinnt immer mehr an Gewicht, was ein Zeichen für die Verschiebung der Machtverhältnisse in der globalen Wirtschaftsordnung ist. Vieles deutet darauf hin, dass sich der Schwerpunkt der Weltwirtschaft in Richtung Asien verlagert. Bis 2040 sollen auf diese Region 50 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts und 40 Prozent des weltweiten Konsums entfallen. Laut Berichten deckt China etwa 30 Prozent seines jährlichen Energiebedarfs mit Energieimporten aus den Golfstaaten.



China ist der weltweit größte Abnehmer von Erdöl und inzwischen ist Saudi-Arabien als größter Ölexporteur der Welt zum bedeutendsten Handelspartner und Rohöllieferanten Chinas aufgestiegen. So importiert China etwa 18 Prozent seines Öls aus dem saudischen Königreich.

 

— Bloomberg (@business) March 15, 2022

 

Saudi-Arabien wird zu einem einflussreichen Akteur

Zwar dürfte Peking zunächst vor allem wegen seines Energiebedarfs am Nahen Osten interessiert gewesen sein, doch mittlerweile haben sich die Beziehungen längst darüber hinaus enwickelt. In den letzten 20 Jahren ist China zu einem immer wichtigeren Partner für die Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrats geworden – egal ob es um die Bereiche Infrastruktur, Investitionen, Handel mit Waren und Dienstleistungen, digitale Technologien oder Verteidigung geht.



Im Zentrum dieser Entwicklung steht Saudi-Arabien. Der Handel zwischen China und Saudi-Arabien belief sich im Jahr 2021 auf über 80 Milliarden Dollar. Chinesische Unternehmen haben seit 2005 in Saudi-Arabien Kooperationen im Wert von mehr als 36 Milliarden Dollar abgeschlossen. Im Jahr 2021 importierte China aus Saudi-Arabien Rohöl im Wert von fast 44 Milliarden Dollar. Die Energieimporte machen 77 Prozent des Gesamtwerts aller Importe Chinas aus dem saudischen Königreich aus

Auch für viele andere Staaten des Golfkooperationsrats hat sich China in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Handelspartner entwickelt. Die meisten Regierungen dieser Staaten sind bei der Diversifizierung ihrer Volkswirtschaften davon abhängig, ihre fossilen Rohstoffe zu exportieren. China wiederum benötigt die fossilen Energien aus dem Golf als Treibstoff für seine Wirtschaft.

Die neue Generation der jungen Staats- und Regierungschefs am Golf verfolgt ehrgeizige Pläne zur wirtschaftlichen Diversifizierung und betrachtet China als Modell für die zukünftige Entwicklung. Durch die Zusammenarbeit mit China sehen die Staaten des Golfkooperationsrats überdies die strategische Möglichkeit, sich bei beiden Supermächten abzusichern. Xis Besuch ist ein wichtiges Zeichen für Saudi-Arabiens Aufstieg zu einem zunehmend dynamischen Akteur auf der Weltbühne. Gleichzeitig konnte Riad austesten, wie es seine Ambitionen und Interessen mit der Notwendigkeit in Einklang bringt, die überaus wichtigen Sicherheitsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten zu wahren. 

Engere Verbindungen zwischen China und dem Nahen Osten

China und die arabischen Staaten knüpfen immer engere Beziehungen. Das zeigen auch die Gründung des China-Arab States Cooperation Forum im Jahr 2004 und die China-Arab States Expo von 2013. Die als Neue Seidenstraße bezeichnete chinesische Belt and Road Initiative (BRI) hat diese Dynamik in den letzten zehn Jahren noch verstärkt.



Mit seinem Besuch in Saudi-Arabien zielte Xi Jinping darauf ab, bestehende Beziehungen zu festigen und gleichzeitig die Popularität Chinas in den arabischen Ländern auszubauen. Gleichzeitig bekräftigte Peking seine Unterstützung für die unabhängige Entwicklung seiner arabischen Partner. Während seines Besuchs unterzeichnete Xi mit arabischen Staats- und Regierungschefs mehrere sektorübergreifende Abkommen u. a. in den Bereichen Energie, Infrastruktur, Finanzen, Bildung und Technologie.



In gemeinsamen Erklärungen nahmen die Beteiligten auch Bezug auf sensible regionale Themen wie das iranische Atomprogramm, den Syrienkonflikt, den israelisch-palästinensischen Konflikt und den Inselstreit zwischen dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Letzteres löste prompt eine Gegenreaktion des Iran aus.

Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping traf den Herrscher Abu Dhabis vor den Beijing Winter Olympics im February 2022 (image: Shen Hong/Xinhua News Agency/picture alliance)
Eine multipolare Welt: Das Weiße Haus bezeichnete Xis Bemühungen um eine Ausweitung des chinesischen Einflusses am Golf als "nicht förderlich für die Aufrechterhaltung der internationalen Ordnung“. Die Amerikaner werteten den Besuch als einen Hinweis darauf, dass Riad seine traditionellen Beziehungen zu Washington lockern und sich Peking zuwenden will. Die Länder der Golfregion positionieren sich gegenüber Peking unabhängiger, als es Washington lieb sein dürfte – auch wenn ihr Wille, sich den Präferenzen der USA zu widersetzen, Grenzen hat. 

Besorgnis über Iran

China und Saudi-Arabien einigten sich insbesondere darauf, ihre bilateralen Beziehungen zu einer "umfassenden strategischen Partnerschaft“ hochzustufen, wie sie bereits mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Iran, Ägypten und Algerien besteht. Zu diesem Zweck wurden halbjährliche Treffen der Staats- und Regierungschefs vereinbart. Mit dem Aufbau engerer Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und China sind Hoffnungen auf bessere Aussichten für die chinesisch-arabischen Beziehungen insgesamt verbunden.

Allerdings zeigten sich auch einige arabische Staaten besorgt über das im März 2021 unterzeichnete 25-jährige Abkommen über strategische Zusammenarbeit zwischen dem Iran und China. Die Saudis und die Emiratis hoffen, durch engere Beziehungen zu China den Einfluss Teherans auf Peking zurückzudrängen, zumal diese begonnen haben, ihren wirtschaftlichen und strategischen Einfluss am Golf auszubauen. Saudi-Arabien hat großes Interesse am Beitritt zur Initiative der Neuen Seidenstraße bekundet und möchte diese mit den eigenen Entwicklungsplänen im Kontext der Vision 2030 "harmonisieren“. 

Xi benannte fünf zentrale Bereiche für die Zusammenarbeit zwischen China und den Ländern des Golfkooperationsrats für die nächsten drei bis fünf Jahre: Energie, Finanzen und Investitionen, Innovation und neue Technologien, Luft- und Raumfahrt sowie Sprache und Kultur.



Unbehagen über den Ölpreisdeckel der G7



Der chinesische Präsident begrüßte die Teilnahme des Golfkooperationsrats an der Globalen Sicherheitsinitiative, die er Anfang 2021 Jahres vorgestellt hatte und die mit dem Einfluss der USA in der Region konkurriert. Angesichts möglicher kartellrechtlicher Klagen der USA gegen OPEC-Mitglieder erwägt Saudi-Arabien mittlerweile den Verkauf seines Öls in chinesischer oder anderer Währung.

Dies wird als weiterer Versuch der Saudis gesehen, ihre Beziehungen neu auszuloten. Die Befürchtungen Riads wurden Anfang Dezember weiter geschürt, als die G7 und Australien gemeinsam mit der Europäischen Union einen Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel für russisches Öl beschlossen. Die Deckelung soll vor allem die Einnahmen Russlands aus Ölexporten zur Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine mindern. Die erdölexportierenden Länder sehen den Sanktionsmechanismus aber mit Unbehagen, da er auch auf die OPEC-Länder angewendet werden könnte

 

 

Xi nahm das Konfliktpotenzial zwischen den Ölexporteuren und den westlichen Ländern zum Anlass, China und die Golfstaaten zu ermuntern, für die Abwicklung von Öl- und Gastransaktionen in chinesischen Yuan die Shanghai Petroleum and National Gas Exchange (SHPGX) zu nutzen. Allerdings wäre jeder Versuch der Saudis und anderer ölproduzierender Staaten, den Yuan anstelle des US-Dollars für Öltransaktionen zu verwenden, ein riskanter Vorstoß, der die Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien stark belasten würde. Daher ist ein solcher Schritt in naher Zukunft unwahrscheinlich. 

Den Amerikanern ein Dorn im Auge

Die Vereinigten Staaten beobachten zudem sehr genau, in welchem Ausmaß ihre Verbündeten am Golf die chinesische Telekommunikationstechnologie einsetzen wollen. US-Vertreter warnten ihre Verbündeten in der Golfregion wiederholt vor den Sicherheitsrisiken einer Zusammenarbeit mit dem chinesischen Telekommunikationskonzern Huawei. Die sogenannte "Digitale Seidenstraße im Rahmen der Belt and Road Initiative" ist für die aktuellen nationalen digitalen Pläne der Staaten des Golfkooperationsrats durchaus relevant.

Auch China ist an einer Zusammenarbeit mit den Golfstaaten sehr interessiert und will dort die Kooperation bei der 5G- und 6G-Technologie für zellulare Breitbandnetze voranbringen. China treibt seine 5G-Projekte in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderswo in der Region trotz der Einwände der USA voran. So unterzeichnete Huawei während des Besuchs von Xi Jinping ein Abkommen mit Saudi-Arabien

Das Weiße Haus bezeichnete Xis Bemühungen um eine Ausweitung des chinesischen Einflusses am Golf als "nicht förderlich für die Aufrechterhaltung der internationalen Ordnung“. Die Amerikaner werteten den Besuch als einen Hinweis darauf, dass Riad seine traditionellen Beziehungen zu Washington lockern und sich Peking zuwenden will.



Gleichwohl lässt sich Xis Verweis auf eine "multipolare Welt“ so deuten, dass China im Nahen Osten gar nicht in Konkurrenz zu den USA treten muss, um für die arabischen Länder eine größere Rolle zu spielen. China kann die Präsenz der Vereinigten Staaten am Golf nicht ersetzen – vor allem nicht Washingtons sicherheitspolitische Stellung in der Region.



China hat es damit auch nicht eilig. Auch Saudi-Arabien und dessen Partner am Golf wollen die jahrzehntelange Freundschaft mit Washington nicht aufgeben. Allerdings sehen sie angesichts der geopolitischen Realität die Notwendigkeit, ihre Beziehungen zu diversifizieren. 

Abdullah Baabood

© Diwan | Carnegie Middle East Center 2023

Übersetzt aus dem Englischen von Peter Lammers 

Abdullah Baabood lehrt am Malcolm H. Kerr Carnegie Middle East Center und ist Inhaber des Lehrstuhls für Islamic Area Studies in Qatar, außerdem unterrichtet er an der Fakultät für International Research and Education an der Waseda University in Tokio.