Cappuccino im Netz

Im Iran wird das Internet von vielen Journalisten als neuer Freiraum entdeckt. Zahlreiche Online-Zeitungen können derzeit relativ frei von Zensur arbeiten. Doch viele befürchten, dass diese Freiheit nur von begrenzter Dauer ist.

Golnar ist Mitbegründerin des Online-Magazins Cappuccino - eine der ersten Web-Zeitungen im Iran. Zusammen mit einer Handvoll Redakteuren berichtet sie wöchentlich über kulturelle Ereignisse aus der Hauptstadt Teheran. Das Angebot von Cappuccino ist vielfältig und reicht von Reisereportagen, Kino- und Musikneuigkeiten bis hin zu sozialkritischen Berichten.

Kennen gelernt hatte sich das Redaktionsteam vor einigen Jahren durch persönliche Publikationen im Netz - die so genannten "Weblogs", persönliche Tagebücher im Netz, die sich in Iran wachsender Popularität erfreuen. Mitbegründerin Golnar erzählt: "Seit dem Beginn der 'Weblog-Bewegung' in Iran interessieren sich mehr und mehr Leute für das Internet. Die Mehrheit der iranischen Internet-Nutzer senden vor allem E-Mails oder chatten. Aber die Weblogs werden immer bekannter. Viele Iraner werden dadurch auf verschiedene Websites aufmerksam und entdecken, dass es noch mehr außer E-Mails und chatten gibt."

Die Internetbegeisterung der Iraner wächst. Über zwei Millionen Internetanschlüsse existieren inzwischen im Land, Tendenz steigend. Auch die Zahl neuer Internet-Cafés in Metropolen wie Teheran, Shiraz und Esfahan nimmt stetig zu - ein Trend, den Irans konservativer Klerus argwöhnisch beäugt. Nicht zuletzt deshalb, weil nach dem Verbot vieler reformorientierter Printmedien so mancher regimekritische Journalist Zuflucht in den Online-Medien sucht.

Der Staat greift zu Restriktionen

Zahlreiche Webloger und Publizisten wurden in den letzten Monaten verhaftet, schwarze Listen illegaler Web-Publikationen zirkulieren - ein Warnschuss auch für Online-Redakteure, die mit ihrem Angebot definitiv keine politischen Ziele verfolgen:

"Das Problem ist, dass es hier überhaupt keine gesetzliche Regelung zum Internet gibt. Einige Leute denken deshalb, dass sie völlig frei schreiben können. Wir als Redakteure publizieren unter unserem richtigen Namen und sind deshalb sehr vorsichtig, was wir da schreiben. Wir wollen nicht verhaftet werden. Manchmal irren wir uns auch. Aber wir wissen eben nicht, wo genau die Grenzen des Erlaubten verlaufen. Es bleibt die Angst, dass das, was wir schreiben, dem Staat nicht gefällt."

Und die Furcht ist groß, dass das restriktive Pressegesetz auch auf die inländischen Online-Medien ausgeweitet werden könnte. Schon jetzt werden regelmäßig Webmagazine auf ihre Inhalte geprüft und gefiltert. Nichtsdestotrotz sei dies für Irans Online-Redakteure kein Grund, sich entmutigen zu lassen, meint auch der Journalist Massoud:

"In Iran fürchtet man sich nicht so sehr davor, sich frei auszudrücken, sondern dadurch mit Rückschlägen und gesetzlichen Konsequenzen konfrontiert zu werden. Aber diese Angst gab es schon immer. Wir haben es hier nicht mit einer festgefahrenen Situation zu tun. Es ist auch nicht so, dass nur eine kleine Gruppe Unzufriedenheit zeigen würde - die Mehrheit ist unzufrieden!"

Arian Fariborz, Qantara.de

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