Offener Rassismus in deutschen Medien

Medien formen Meinungen. Und wenn Zeitungen, Radio und Fernsehen undifferenziert berichten, fördern sie Vorurteile und Klischees. Beate Hinrichs stellt das Buch "Massenmedien, Migration und Integration" vor.

In vielen Medien ist untergründiger und auch oft erschreckend offener Rassismus an der Tagesordnung. Die elf Autorinnen und Autoren untermauern diese Feststellungen mit zahlreichen interkulturellen Studien.

Migantinnen in Deutschland; Foto: dpa
Mit oder ohne Kopftuch - deutsch-türkische Frauen werden in den Medien oft stereotypisiert, so die Autoren der Studie

​​Die Autoren gehen von zwei Prämissen aus. Erstens: Migration ist ein Fakt in einer globalisierten Weltgesellschaft, und Deutschland ist ein Einwanderungsland. Zweitens: Weil Medien öffentlich wirken, helfen sie mit, gesellschaftliche Wirklichkeit zu konstruieren. Deshalb tragen sie eine hohe gesellschaftliche Verantwortung.

Oft wird deshalb von der "Vierten Gewalt" gesprochen, die die Herrschenden kontrolliert und kritisiert. Diese Rolle nehmen viele Journalisten in Sachen Zuwanderung und Integration aber nicht wahr und vertreten stattdessen die Interessen der Politiker.

Zu wenige Einwanderer sind Medienmacher

Ein Beispiel: Anfang der neunziger Jahre dominierten in Politik und Presse Artikel über einen angeblich massenhaften "Asylmissbrauch" und Schlagworte wie "Das Boot ist voll".Damit wurde schließlich die massive Einschränkung des Rechts auf Asyl durchgesetzt. Berichtet wurde über die Zahl der Zuwanderer - aber nur selten über deren sozioökonomische Lage und ihre Fluchtgründe.

Die Buchautoren sehen verschiedene Gründe dafür. Berichte und Reportagen erscheinen zum Beispiel fast nur aus aktuellem Anlass. Unabhängig davon interessieren Hintergründe und Strukturen kaum.
Außerdem sind wenige Redakteure selber Einwanderer - statistisch machen sie weniger als ein Prozent der Medienmacher aus, aber über neun Prozent der Gesamtbevölkerung.

Überproportionale Betonung der terroristischen Gefahr

Einen inhaltlichen Einschnitt markieren die Anschläge vom 11. September 2001. Seitdem wird das Thema "Zuwanderung" politisch und publizistisch mit dem Thema "Innere Sicherheit" verknüpft - bis hin zum Generalverdacht gegen muslimische Migranten als potentielle Terroristen.

In der Folge schränkte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily Datenschutz und Bürgerrechte erheblich ein. Er ebnete damit den Übergang zu einem deutschen Sicherheitsstaat. Dass der ohne größere Proteste gelang, lag an der vorbereitenden Berichterstattung führender Medien. Sie hatten die terroristische Gefahr überproportional betont und einen noch weit schärferen Abbau des Rechtsstaates gefordert.

Ghetto oder multikultureller Sozialraum?

Zu den neueren Schlagworten gehören die "Parallelgesellschaften". Politiker und Pressevertreter bezeichnen damit die mangelnde Integration von Einwanderern und meinen muslimische und türkische Bevölkerungsgruppen.

Dass die Realität von Migranten und vielen ihrer Nachbarn ganz anders aussieht, zeigt das Buch am Beispiel der Keupstraße in Köln. Politiker und viele Medienmacher bezeichnen sie gerne als "Türkenghetto". Sie setzen voraus, dass eine hohe Zahl von Migranten per se eine soziale Belastung für ein Viertel sei.

Die Anwohner, deutsche wie eingewanderte, hat jahrelang niemand gefragt. Sie erleben tatsächlich ihr Viertel nicht als Ghetto, sondern als multikulturellen Sozialraum.

Ethnisierung als Ausschlussmechanismus

Ein anderes Thema, das viele Medien sensationell ausschlachten, sind muslimische - meistens deutsch-türkische - Frauen. Sie tauchen in Berichten entweder ohne Kopftuch auf, dann gelten sie als modern, gebildet und berufstätig. Oder mit Kopftuch, dann sind sie Mütter, traditionell und unterjocht.

Buchcover von Massenmedien, Migration und Integration; Foto: VS Verlag

​​Opfer sind sie allemal, entweder von sogenannten "Ehrenmorden" oder von Unterdrückung. Wenn sie aber freiwillig das Kopftuch anlegen und gleichzeitig beruflich erfolgreich sind, dann passen sie in kein Raster - dann gelten sie als "Gefahr" für unser Wertesystem.

Möglich sind solche Zuschreibungen durch die Medien unter anderem durch eine umfassende Ethnisierung. Das heißt, wer beim Autohersteller Ford arbeitet, wird in erster Linie als Türke zur Kenntnis genommen und nicht als Arbeiter. Diese Ethnisierung ist ein sozialer Ausschlussmechanismus, der besagt: "Erstens, du gehörst nicht zu uns!

Und zweitens: Wenn du Probleme hast, dann haben die nicht mit deiner sozialen Lage zu tun, sondern mit deiner Herkunft und deinen Traditionen." Diese Bilder des "Anderen" als unterdrückt und rückständig bestätigen implizit unser Selbstbild als befreit und aufgeklärt. Und sie legitimieren unsere Privilegien.

Beate Hinrichs

© Qantara.de 2006

Christoph Butterwegge/Gudrun Hentges (Hg.): Massenmedien, Migration und Integration. Herausforderungen für Journalismus und politische Bildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006.260 Seiten, 19,90 Euro

Qantara.de

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