Bio-graphische Grüße aus Beirut - Dialog-Grußpostkarten

Unterstützt vom Goethe-Institut Inter erschien in Beirut das ‚independent magasine’, eine Publikation mit subjektiven Beiträgen von Graphikdesignern und Künstlern über ‚ihr’ Beirut. Bernhard Hillenkamp stellt das Buch vor.

Unterstützt vom Goethe-Institut erschien in Beirut das ‚independent magasine’, eine Publikation mit subjektiven Beiträgen von Graphikdesignern und Künstlern über ‚ihr’ Beirut.

​​"Greetings from Beirut" ist ein ansprechendes Buch einer Gruppe von Graphikdesignern und anderen Künstlern, die sich zu ihrem Beirut subjektiv in visuell interessanten Beiträgen auf 160 nicht nummerierten Seiten äußeren. Diese graphischen und biographischen Annäherungen sind witzig. Eine Broschüre, wie man sie in Flugzeugen mit Sicherheitsangaben findet, für den Beirut-Besucher als Safety on Land - Lebanon, ist der Beitrag von Magharita Abi Hanna. Wie man sich einen Mann angelt - im Libanon aber fürs Leben - wird in einer kleinen Bravo-Fotostory a-la-libanaise dargestellt - amüsant, aber etwas unbeholfen.

All diese Beiträge wurden von zwei Professoren in einem Buch vereint. Anja Lutz und Zeina Maasri sind die Mentoren dieses Projekts, das vom Goethe-Institut unterstützt wurde. Das Buch, oder das "independent magasine", ist in Beirut verlegt und in Museen und Kunstbuchhandlungen in aller Welt erhältlich.

Anja Lutz war in Beirut Gastprofessorin und lehrte an der Amerikanischen Universität (AUB), wo sie Zeina Maasri kennenlernte. Als Grußpostkarten ihres Aufenthaltes im Libanon haben sie künstlerisch sehr unterschiedliche, aber meist junge Künstler und Studenten in einem Buch vereinigt. Shift - ein Graphikdesigner Büro aus Berlin - hat sich diesem Buch angenommen und diesen Bildband zu Beirut in ihre Reihe Publikationen aufgenommen.

Beirut hat viele Künstler inspiriert und die kleine, aber lebhafte Kulturszene in der einstigen intellektuellen Metropole der arabischen Welt hat dank Fördergeldern, persönlicher Kontakte und der levantinischen Polyglottie gute Voraussetzungen, den Dialog mit Europa zu vertiefen.

Förderung interkultureller Projekte

Der Direktor des Goethe-Instituts in Beirut, Rolf Stehle, betont die Subjektivität der unterschiedlichen Zugänge der Künstler. "Kritisch, ja, kultur-kritisch, sind die Zugänge der versammelten Künstler", so Stehle, "sie sollen Stereotypen aufbrechen." Die kulturelle Repräsentation der Region und auch Beiruts bewegt sich zwischen Orientalismus und Terrorismus. Deswegen sind es mehr als nur oberflächliche Grüße aus Beirut, die mit Hilfe seines Instituts und gemeinsam mit dem Verlag Dar el-Kotob veröffentlicht wurden. Stehle sieht seine Aufgabe darin, solche "interkulturellen Projekte im Rahmen der Arbeit deutscher Kulturinstitute zu fördern". Die Künstler suchen neue Wege des (künstlerischen) Dialogs, jenseits von Hizbollah und Harem-Phantasien. Die Begegnung, das (Er)Leben des Anderen, in Form von Künstleraustauschprogrammen sind, so Stehle, Anliegen seiner Kulturvermittlung. In Zeiten der Sparmaßnahmen ist dies schwierig, und oft unkonventionelle Koalitionen - in diesem Fall mit Verlagen und Graphikdesignerbüros - können erfrischende Ergebnisse hervorbringen.

"Es ist schade, dass deutsche Künstler wahrscheinlich nicht zum Gegenbesuch in die libanesische Metropole kommen, weil die Gelder nicht da sind." Eine Gruppe von Künstlern aus Beirut war in einem vorigen Projekt des Goethe-Instituts Inter Nationes im Berliner Tacheles zu Besuch und arbeitete dort mit deutschen Künstlern zusammen. Als Produkt dieses Dialogs entstand ebenfalls ein Buch.

Unterschiedliche Beiträge von unterschiedlicher Qualität

So unterschiedlich die Beiträge sind, so unterschiedlich auch die Qualität. Da sind zum Beispiel die Impressionen von Khaled. Mit 15 Jahren verlässt der junge Kommunist die Schule und wird zum Milizionär im südlichen Vorort von Beirut. Der Beitrag wirkt etwas unbeholfen. Zigaretten-Embleme mit kleinen Anmerkungen zu Stationen seines Lebens auf roten Papier: 1982 in die SU zur Militärausbildung, als Spion in Ain Rummane, "ich schüttete die Hand von Bashar Jemayel, ich hätte ihn töten sollen". Inhaltlich provozierend, aber künstlerisch nicht sehr überzeugend.

Grafisch gelungen sind die Foto-Impression von Lucien Samaha. Sogar ein kleiner Text führt ihren Diskurs und ihre Person ein. Ihr kleiner Stadtspaziergang mit lomo-artigen Fotos ist gelungen.

Vorwissen wird vorausgesetzt

Schade, dass man nicht viel von den Künstlern und dem Hintergrund ihres künstlerischen Oeuvres erfährt. Die Grußpostkarten sind originell aber oft nur für den Kenner des Landes verständlich. Diese Auseinandersetzung mit Beirut und Libanon setzt Wissen über das Land voraus. Zum Beispiel das libanesische Ritual bei der Begrüßung, die konfessionelle Herkunft galant und pseudo-unverfänglich herauszubekommen, in dem man nach Namen, Wohnort und Herkunftsort fragt. Hassan Yamout thematisiert das sehr schön und humorvoll in seinem Sectarian Identification System. Tabellen weisen Namen, gewisse und ungewisse konfessionelle Gruppen zu. Sinno ist Muslim, Khoury Christ aber Masri ist neutral, wer aus Baruk stammt ist Druse, Maral ist Armenierin, Ali Schiit, und wer in der Hamra wohnt, ist ebenfalls neutral. Wenn man dies nicht tagtäglich erfährt, kann man mit diesem Beitrag des Sunniten aus Beirut - so viel über seinen Namen- nicht viel anfangen.

Ein interessantes Buch, das für Kenner lebendig Einsichten in den Libanon und Beirut postkartenartig vermittelt. Die gemischten Beiträge sind gelungener Ausdruck einer biographischen Annäherung der Mentoren und ihrer Studenten, die die Begegnung mit der Gastprofessorin zum Ausgangspunkt hat. Hoffentlich werden die Kürzungen in den Kulturhaushalten diese Form von unkonventionellem und indirektem Dialog, der eine Shift in der Sichtweise bewirken kann, nicht in den Mühlen der schröderschen Kürzungspolitik auf der Strecke bleiben.

Bernhard Hillenkamp

© 2003, Qantara.de

www.shift.de
160 Seite, farbig, 185x240 mm
ISBN 3-00-011319-3, € 20
Dar El Kotob Printing House, Beirut, Libanon \ Goethe-Institut Beirut