Bertram Gewersheim, 17. September 2008

zu: Die Grenzen des Reisejournalismus von Hanna Labonté

Sehr geehrte FrauLabonté, ich denke im Ansatz liegen Sie gar nicht so verkehrt. Die kritsche Auseinandersetzung mit literarisch und politisch diffizilem Territorium wie dem Kulturaustausch an sich, gerade dem interreligiösen, ist immer hinterfragenswert. Was kann eine hierin immanente, teils plakative und stereotype Darstellung denn überhaupt leisten, könnte man unverhohlen Fragen. Das eine solche Darstellung in Frau Zajceks Werk stattfindet, scheint außer Frage zu stehen. Doch ihre Arbeit darauf zu reduzieren, scheint fragwürdig, denn reflektiert sie nicht ebenso genau zwischen den Ansichten der Stereotype und den in die Tiefe strahlenden Perspektiven, wenn sie jene zu Wort kommen lässt, die selten persönlich gehört werden? Ich erinnere hierbei beispielhaft an die differenzierte Darstellung serbischer Jugendlicher in ihrer prekären, ausweglos erscheinenden Lage, denen Frau Zajcek mehrere Seiten widmet. Sie schafft es sogar, diese Primärquellen fließend in einen gesamteuropäischen, von Aufbruchstimmung gesäumten Kontext zu stellen und lässt damit eine melancholische Euphorie entstehen, die das Buch wie ein roter Faden durchzieht. In diesem Sinne wird das Buch nicht nur seinem Titel, sondern, nein, auch dem Geschmack meines durchaus kulturbeflissenen Leseskreises hier in Stuttgart gerecht. Ich respektiere daher ihren Versuch, Frau Labonté, aber sie scheinen nicht zu sehen, daß die Literatur in ihren Händen einen Quantensprung darstellt, dessen Schreibe nicht nur eine Juli Zeh sondern auch eine Susanne Fischer meilenweit um Frische und Unverbrauchheit übertrifft. Frau Zajcek, bitte mehr davon! Ihr Betram Gewersheim, Stuttgart