Jazz aus Syrien

"Hewar", Dialog, nennt sich eine Gruppe junger syrischer Musiker, die Ende März in Köln zu Gast war. Der Name des Ensembles ist Programm: Hier treffen ganz unterschiedliche musikalische Stile und Künstlerpersönlichkeiten aufeinander. Wera Reusch stellt "Hewar" vor.

Von Wera Reusch

Kinan Azmeh und Issam Rafea, Foto: Hewar
Kinan Azmeh und Issam Rafea

​​"Kennen gelernt haben wir uns beim Studium an der Musikhochschule von Damaskus. Später spielten wir alle im syrischen Symphonieorchester, und nebenher trafen wir uns, um einfach so zum Spaß zu experimentieren und zu improvisieren." So beschreibt die Sopranistin Dima Orsho die Entstehung von "Hewar". Die Initiative zur Gründung des Ensembles ging von Kinan Azmeh und Issam Rafea aus.

Kinan Azmeh studierte in Damaskus Klarinette und promoviert derzeit in New York. Er komponiert die Stücke des Ensembles gemeinsam mit dem Lautenisten Issam Rafea, der die arabische Abteilung der Damaszener Musikhochschule leitet.

Faszinierende Mischung

In den Kompositionen und Improvisationen der Musiker verbinden sich Elemente westlicher Klassik mit arabischen Musiktraditionen und Einflüssen des Jazz zu einer faszinierenden Mischung. "Was wir machen, ist keine arabische Musik, es ist aber auch keine klassische Musik. Es ist eine Mischung aus allem, was wir gerne hören, und wovon wir glauben, dass es das ausdrückt, was unseren Alltag musikalisch begleitet", erklärt Kinan Azmeh. "Ich bin mein Leben lang in westlicher Klassik ausgebildet worden, gleichzeitig lebe ich aber auch hier, in Syrien, wo arabische Musik allgegenwärtig ist. Sie fließt deshalb ganz automatisch in meine Improvisationen ein."

Stilistische Vielfalt

Foto: Hewar

Die Musik von "Hewar" einzuordnen, sei gar nicht so einfach, so Azmeh. Auch die Zuhörer würden das ganz unterschiedlich empfinden. "Manche sehen darin Jazz, manche sagen, nein, das ist arabische Musik, nein, klassische Musik, nein Avantgarde oder moderne Musik des 20. Jahrhunderts." ​​Bereits in der Zusammensetzung der Gruppe, der Mischung aus "westlichen" und "orientalischen" Instrumenten, zeigt sich die stilistische Bandbreite der Gruppe: Klarinette (Kinan Azmeh) und Laute (Issam Rafea) werden begleitet von Percussion (Badi Rafea), Schlagzeug (Simone Mreysh) und Kontrabass (Khaled Omran).

"Den Charakter der Musik verstehen"

Dima Orsho, die Sängerin der Band, studierte in Syrien und den Niederlanden und ist im Operngesang ebenso zuhause wie in der arabischen Gesangstechnik. "Natürlich hat jede musikalische Richtung ihre eigene Technik. Aber entscheidend ist, den Charakter der Musik zu verstehen. Denn jedem Stil liegt eine bestimmte Idee zugrunde, und wenn du die verstanden hast, kannst du die Musik auch singen", erklärt die Sopranistin.

"Im Jazz bist du wirklich frei, in der arabischen Musik leidenschaftlich. Und in der Oper spielst du eine Rolle!" Ob kontemplative oder tänzerische Stücke - das Repertoire des Ensembles ist vielseitig und fasziniert nicht zuletzt durch seine mit Leidenschaft und Spielfreude vorgetragenen improvisierten Teile.

"Unsere ursprüngliche Idee war die eines musikalischen Dialogs: dass jeder relativ einfaches musikalisches Material auf unterschiedliche Art und Weise aufgreift und mit seinem Vokabular weiterentwickelt", so Kinan Azmeh. Die Vorliebe der Musiker für Variationen und Improvisationen entstammt nicht nur dem Jazz, sie ist auch charakteristisch für die arabische Musiktradition. Ende März gab "Hewar" in Köln erstmals ein Konzert in Deutschland und wurde vom Publikum begeistert gefeiert. Zuvor waren die syrischen Musiker zu ihrer ersten Auslandstournee in den USA. Für Juni sind Auftritte in Japan geplant. Auch eine erste CD-Produktion soll in Kürze erfolgen.

Wera Reusch

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