Doppelspiel der Militärs

Die Verhängung des Ausnahmezustandes rechtfertigte Präsident Musharraf mit der vorherrschenden Gewalt im Land. Doch könnte dies auch der Versuch sein, einem drohenden Gerichtsurteil zuvorzukommen. Thomas Bärthlein kommentiert.

Straßensperren der Armee in Islamabad; Foto: AP
"Auf absehbare Zeit wird sich der Unmut in der Bevölkerung nicht unter Kontrolle halten lassen" - Straßensperren der Armee in Islamabad

​​Nun haben sich die Spekulationen doch bestätigt. Seit Monaten waren gezielt immer wieder dann Gerüchte über die Verhängung des Notstands in Pakistan zu hören gewesen, wenn es eng wurde für Präsident Musharraf.

Denn bereits seit März befindet er sich in einem Machtkampf mit dem Obersten Gericht, hatte den Obersten Richter erst suspendiert und dann widerwillig akzeptieren müssen, dass das Gericht ihn wieder einsetzte. Bei allen Gerüchten oder Drohungen mit dem Ausnahmezustand – Musharraf spielte gleichzeitig mit, als die Vereinigten Staaten mehr und mehr auf eine Demokratisierung in Pakistan pochten.

Er versprach, nach seiner Wiederwahl endlich die Generals-Uniform abzulegen, ließ die ehemalige Premierministerin Benazir Bhutto wieder ins Land, und viele sahen sie schon wieder im Amt als Regierungschefin unter einem zivilen Präsidenten Musharraf.

In den letzten Tagen brodelte die Gerüchteküche dann wieder besonders heftig. Denn das Urteil stand an, ob Musharrafs Wiederwahl Anfang Oktober legal war oder nicht. Die Drohungen mit dem Notstand sollten wohl die Richter überzeugen, für den Präsidenten zu entscheiden.

Musharraf hat jetzt, wenige Tage vor der Urteilsverkündigung, ganz offensichtlich die Nerven verloren. Vielleicht hatte er Informationen, dass das Urteil gegen ihn ausfallen würde. Oder er konnte es einfach nicht mehr ertragen, dass er abhängig war von den Gerichten.

Aber diesmal dürfte der General sich verrechnet haben. Sein vermeintlich letzter Trumpf sticht nicht mehr. Es wird massiven Widerstand gegen ihn geben, zunächst von den Richtern, den Anwälten und den Medien, die er nicht auf Dauer einfach abschalten kann.

Er zwingt die politischen Parteien, auch Benazir Bhuttos "Pakistan People's Party", gegen ihn Stellung zu nehmen; und auf absehbare Zeit wird sich der Unmut in der Bevölkerung auch nicht unter Kontrolle halten lassen.

Musharraf ist dabei, den Rest des Ansehens zu verspielen, den er sich bei vielen Pakistanern noch bewahrt hatte. Denn zweifellos hat er einiges erreicht für Pakistan – etwa bei der Aussöhnung mit Indien, bei der Öffnung der Medien und generell bei der Liberalisierung der Gesellschaft, auch bei der wirtschaftlichen Entwicklung.

Pakistanische Journalisten protestieren gegen Behinderung der Arbeit; Foto: AP
Im Zuge des Ausnahmezustands werden viele Oppositionelle, Journalisten und NGO-Vertreter verhaftet inhaftiert oder bei ihrer Arbeit behindert.

​​Musharraf wird darauf spekulieren, dass der Westen, oder zumindest die US-Regierung, seinen Schritt hinnehmen wird, wenn vielleicht auch widerwillig. Dabei setzt er auf altbekannte Tricks, die seit dem 11. September noch immer funktioniert haben:

Das pakistanische Militär greift zwar einerseits punktuell hart gegen radikale Islamisten durch, wie in den letzten Tagen gegen eine den Taliban nahe stehende Gruppierung in Swat, im Nordwesten des Landes. Gleichzeitig besteht aber der begründete Verdacht, dass die Regierung zwischendurch immer wieder mindestens beide Augen zudrückt, wenn die Militanten sich organisieren und bewaffnen.

Wie sollte es sonst möglich gewesen sein, dass die radikale Rote Moschee, die von Truppen im Sommer gestürmt wurde, voll von Waffen war – und das im Herzen Islamabads, unter den Augen aller Geheimdienste.

Dieses Doppelspiel soll dem ausländischen Publikum erstens suggerieren, dass die Gefahr durch die Radikalen größer sei als real, und zweitens, dass die Armee den einzigen verlässlichen Schutz vor einer Machtübernahme dieser Islamisten darstelle.

Der Westen sollte sich jetzt klar von Musharraf distanzieren. Nichts wäre falscher und gefährlicher, als ihm wieder auf den Leim zu gehen. Das würde nur die ohnehin verbreiteten anti-amerikanischen und anti-westlichen Stimmungen in der Bevölkerung weiter anheizen. Wenn Musharraf nicht schnell einlenkt, werden sich außerdem die religiösen Parteien als demokratische Opposition profilieren.

Es gilt jetzt, die in den vergangenen Monaten stark gewordenen liberalen Kräfte in der Justiz und den Medien, in der Zivilgesellschaft und den politischen Parteien gegen die Militär-Herrschaft zu unterstützen. Nur ein demokratisches Pakistan kann den Extremismus wirksam und nachhaltig überwinden.

Thomas Bärthlein

© DEUTSCHE WELLE 2007

Qantara.de

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