Historischer Schritt auf steinigem Weg

Mit der Zulassung scharfer Kontrollen und der Einschränkung der Urananreicherung hat der Iran weitreichende Zugeständnisse im Atomkonflikt gemacht. Die scharfe Kritik aus Israel zeigt jedoch, dass der Weg zu einem endgültigen Abkommen schwierig werden dürfte. Ulrich von Schwerin informiert.

Von Ulrich von Schwerin

Nach fünf Tagen zäher Verhandlungen über das iranische Atomprogramm war es tatsächlich soweit: Wie die Außenminister des Irans und der Gruppe der fünf UN-Vetomächte plus Deutschland am frühen Sonntagmorgen (24.11.2013) in Genf bekanntgaben, wurde ein Interimsabkommen erreicht, das im Gegenzug für die Lockerung gewisser Sanktionen das Nuklearprogramm des Irans teilweise einfriert.

"Erstmals seit fast einem Jahrzehnt haben wir die Fortentwicklung des iranischen Atomprogramms gestoppt", sagte US-Präsident Barack Obama. Wichtige Teile des Programms würden zudem zurückgenommen.

Nun hat es also doch noch geklappt: Nachdem die Verhandlungen Mitte Oktober mit verhaltenem Optimismus begonnen hatten und bei der zweiten Runde Anfang November eine Einigung in greifbarer Nähe war, schienen die Gespräche vergangene Woche wieder an einem toten Punkt angekommen zu sein.

Während die Verhandlungsparteien ein ums andere Mal ihre Positionen bekräftigten, warnte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf allen Kanälen, in Genf drohe ein "sehr sehr schlechter Deal" geschlossen zu werden.

Warnung vor roten Linien

Da war es auch nicht hilfreich, dass der iranische Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei kurz vor Beginn der neuen Runde am vergangenen Mittwoch (20.11.2013) Israel als "tollwütigen Hund der Region" und als "wahre Gefahr für die Welt" beschimpfte.

Iranischer Präsident Hassan Rohani bei einer Pressekonferenz nach dem Atom-Abkommen von Genf in Teheran; Foto: Tasnim
Iranischer Präsident Hassan Rohani bei einer Pressekonferenz nach dem Atom-Abkommen von Genf in Teheran

Zwar bekräftigte er seine grundsätzliche Unterstützung für die Gespräche, betonte aber auch die "roten Linien", an welche sich die Unterhändler zu halten hätten. Als die Gespräche in Genf begannen, schien bereits alle Dynamik wieder verpufft, die sich seit dem Amtsantritt des iranischen Präsidenten Hassan Rohani entwickelt hatte.

Umso erfreulicher ist nun die Einigung: Sie sieht vor, dass der Iran für zunächst sechs Monate die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent stoppt und die bestehenden Bestände hochangereicherten Urans verdünnt oder in weniger gefährliches Oxid verarbeitet. Zudem lässt er tägliche Kontrollen seiner Anlagen zu und verspricht, keine weiteren Zentrifugen zu installieren oder in Betrieb zu nehmen. Außerdem stoppt er den Bau des Schwerwasserreaktors von Arak, der (mit einer Wiederaufbereitungsanlage) langfristig Plutonium für die Entwicklung von Atomwaffen liefern könnte.

Zwar enthält der Text nicht die vom Iran geforderte explizite Anerkennung des Rechts auf Urananreicherung, doch wird ihm zugestanden, weiter Uran auf 3,5 Prozent anzureichern, um daraus Brennstäbe für sein Atomkraftwerk in Bushehr zu fertigen.

Auch muss er keine seiner beiden Anreicherungsanlagen in Natanz und Fordo aufgeben. Neben einer Aussetzung der Handelsbeschränkungen für Gold, petrochemische Produkte sowie Auto- und Flugzeugteile erhält Teheran zudem gut vier Milliarden Dollar seiner im Ausland eingefrorenen Öleinnahmen zurück.

Wichtige erste Etappe

Obama sprach von einem "ersten Schritt", mit dem bereits viel erreicht sei. Tatsächlich ist es ein enormer Fortschritt, dass sich die USA und der Iran nicht nur zu Gesprächen an einen Tisch setzen, sondern sich auf verschärfte Kontrollen und die Aussetzung der kontroversesten Teile des Atomprogramms einigen.

Noch vor einem halben Jahr schienen derartige Gespräche, geschweige denn eine solche Einigung undenkbar. Die Experten der Arms Control Association sprachen denn auch von einem "historischen Durchbruch" und einem "eindeutigen, wichtigen Erfolg".

Netanjahu dagegen äußerte scharfe Kritik. Der Iran habe lediglich "kosmetische Zugeständnisse" gemacht und sei einen bedeutenden Schritt näher, die "gefährlichste Waffe der Welt" zu erlangen, sagte Netanjahu.

In unverhohlener Androhung eines Militärschlags warnte er, sein Land werde sich nicht an das Abkommen gebunden fühlen. Schon seit Wochen fordert Netanjahu, den Druck auf Teheran weiter zu erhöhen, um größere Zugeständnisse zu erreichen. Seiner Ansicht nach müsse das Ziel die völlige Aufgabe der Urananreicherung im Iran sein.

Dies ist jedoch eine vollkommen unrealistische Forderung. Nicht nur ist ein Verbot der Urananreicherung rechtlich fragwürdig, da neben dem Iran auch viele andere Länder die Anreicherung als Teil der Rechte gemäß dem Nichtverbreitungsvertrag (NPT) ansehen. Zudem hat Teheran einen vollständigen Verzicht darauf kategorisch ausgeschlossen. Wer glaubt, dass der Iran durch die Verschärfung der Sanktionen zur Aufgabe seiner zwei Anreicherungsanlagen mit inzwischen 19.000 installierten Zentrifugen bewegt werden könnte, verkennt die Situation.

Keine Existenzgefährdung für das Regime

Zum einen sind die Sanktionen kaum noch zu verschärfen, zum anderen sind sie zwar für Wirtschaft und Bevölkerung verheerend, doch für das Regime weiterhin nicht existenzgefährdend. Unter den Iranern ist der Unmut über die hohe Inflation und den Verfall des Währungskurses zwar groß, doch machen sie Umfragen zufolge dafür in erster Linie das Ausland verantwortlich. Auch für Moderate und Reformer ist das Atomprogramm eine Frage der nationalen Ehre, weshalb sie zwar ein Kompromiss akzeptieren werden, nicht aber die Kapitulation vor dem Westen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu; Foto: AFP/Getty Images
Scharfe Kritik aus Israel: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete das Abkommen über das iranische Atomprogramm als "historischen Fehler". Es werde "die Welt gefährlicher machen", so Netanjahu.

Dies sollten alle bedenken, wenn es an die Ausarbeitung eines umfassenden und abschließenden Abkommens geht. Wer zu viel verlangt, könnte am Ende nichts bekommen. Auch so wird eine endgültige Einigung nicht leicht werden.

Im Iran sehen die Konservativen um Khamenei die Verhandlungen skeptisch. Sie misstrauen dem Westen und betrachten den Atomstreit als Vorwand, ihr Land in die Knie zu zwingen. Die Revolutionsgarden profitieren zudem von den Sanktionen und befürchten, im Fall einer Entspannung an Einfluss zu verlieren.

Begrenzte Aufhebung der Sanktionen

Ob sie das Interimsabkommen und den weiteren Verhandlungsprozess mittragen, wird auch davon abhängen, welchen Nutzen sie und der Iran davon haben. Die bisherigen Erleichterungen bei den Sanktionen sind überaus begrenzt, das schmerzhafte Ölembargo und die für den Handel verheerenden Finanzsanktionen bleiben in Kraft.

Auch erhält der Iran nur einen Bruchteil seiner im Ausland eingefrorenen Öleinnahmen zurück. Hier muss noch viel mehr geschehen - und hier kann auch noch mehr passieren, ohne deshalb den Druck auf Teheran zu entschärfen.

Im Westen wiederum geht die Gefahr für die weiteren Verhandlungen vor allem von Israel aus. Netanjahu, der seit jeher vom permanenten Gefühl der Bedrohung lebt, wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine Einigung und versucht der Welt weiszumachen, dass, wenn der Iran nicht zur Aufgabe seines Atomprogramms gezwungen werden kann, es besser gar kein Abkommen gibt. Schon jetzt setzt sich Israel bei den US-Kongressabgeordneten, die in Teilen ohnehin eine Annäherung skeptisch sehen, für die Verschärfung der Sanktionen ein.

Schärfere Strafen zu verhängen, während der Iran sein Atomprogramm einschränkt, würde aber zurecht als Bruch der Abmachung empfunden werden. Dabei muss klar sein, dass es im Fall eines Scheiterns der Verhandlungen auf Jahre hinaus keinen zweiten Anlauf geben wird.

Der Weg der Verhandlungen bleibt daher ein schmaler Grat. Aber wenn es am Ende gelingt, die Urananreicherung weiter einzuschränken, die Zahl der Zentrifugen zu reduzieren und die Atomanlagen unter permanente Aufsicht zu stellen, wäre das ein großer Gewinn - auch für Israel.

Ulrich von Schwerin

© Qantara.de 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de