
Atheismus in der arabischen WeltDas Internet bietet Marokkos Atheisten eine Heimat
Atheismus ist kein neues Phänomen in der islamischen Welt: Bereits in den vergangenen Jahrhunderten bekannten sich verschiedene wichtige Persönlichkeiten in der Region zum Atheismus. Aber mit der Etablierung der sozialen Netzwerke bietet sich einer Vielzahl von jungen Marokkanern der Raum, öffentlich über ihre eigene Abkehr vom Glauben zu sprechen und Religion zu kritisieren. Das gilt insbesondere für den Islam, dem viele dieser jungen Menschen zuvor angehörten.
"Paltalk" war das erste Medium, auf dem der Aktivist mit dem Pseudonym Hisham Nousteek über Atheismus sprach. Später wechselte er dann zur Videoplattform YouTube, über die er mittlerweile auf verschiedenen Kanälen Videos zum Thema Religion verbreitet. Darüber hinaus betreibt er eine eigene Webseite und ist auch auf seiner Facebook-Seite weiterhin sehr aktiv. Als erster Atheist Marokkos hat er zudem ein gedrucktes Buch veröffentlicht: In "Memoiren eines Ungläubigen" schildert er im marokkanischen Dialekt seinen Weg vom Glauben zum Atheismus.
"Ein marokkanischer Ungläubiger"
"Das Internet hat unser Leben grundlegend verändert. Das hat sich auch auf unsere Überzeugungen ausgewirkt und die Art, wie wir sie thematisieren, geändert. Es war der ausschlaggebende Faktor für mich, mit meiner Kritik an Religion und meiner Abkehr vom Glauben an die Öffentlichkeit zu gehen. Auf einmal konnte ich ganz einfach und problemlos mit Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt treten", sagt Nousteek im Gespräch mit Qantara.de. In seinen Worten spiegelt sich die weit verbreitete Idee, dass durch die sozialen Netzwerke und die Möglichkeit, öffentlich und ohne Tabus zu diskutieren, eine große Anzahl von Muslimen zu Atheisten werden könnte.
Die Verbreitung atheistischen Denkens über die sozialen Netzwerke ist jedoch nicht die einzige Veränderung, die das Internet mit sich gebracht hat: "Dank des Internets stehen den Menschen heutzutage Informationen und Quellen zur Verfügung, die es früher nur in teuren Büchern gab. Dadurch begannen viele zu hinterfragen, was sie als Kinder zu glauben gelernt haben", erklärt Nousteek.

Obwohl der Aktivist derzeit in Kanada lebt, gibt er seine Identität nach wie vor nicht preis. Allerdings habe dies persönliche Gründe, die unabhängig von seinem derzeitigen Aufenthaltsort seien, so Nousteek. Auch in der westlichen Welt gäbe es immer noch viele Atheisten, die ihre Überzeugungen vor Freunden und Familie, am Arbeitsplatz und in anderen Kontexten verschweigen würden. Dadurch sei es schwer, die tatsächliche Zahl der Atheisten auf der Welt offiziell zu ermitteln.
Im Gegensatz zu Nousteek, der sich hauptsächlich auf seine persönlichen Erfahrungen konzentriert, thematisiert der Betreiber des Kanals "Fiq" (Wach auf!) sein Privatleben nicht. Stattdessen kritisiert er in seinen als "Tsarfi'atoun" (Ohrfeige) betitelten Videos den Islam auf verschiedenen Ebenen: Themen sind zum Beispiel die Rechte der Frau, die wissenschaftlichen Wunder im Koran oder die Wahrheit über die Kaaba, das zentrale islamische Heiligtum.