Auf der Schwelle zur Moderne

Dass der ägyptische Romancier Baha Taher den ersten arabischen Booker Preis gewann, war keine Überraschung, wurde der Erfolgsautor bereits mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet. Mona Naggar stellt den Schriftsteller und seine Werke vor.

Dass der ägyptische Romancier Baha Taher den ersten arabischen Booker Preis gewann, war keine Überraschung, wurde der Erfolgsautor bereits mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet. Mona Naggar stellt den Schriftsteller vor.

Baha Taher; Foto: © Festivaletteratura.it
Baha Taher erhielt den ägyptischen Staatspreis für das beste literarische Werk des Jahres (1996) und den ägyptischen Staatspreis für Literatur (1998).

​​Die arabisch-britische Jury unter Vorsitz des irakischen Schriftstellers Samuel Shimon entschied sich für den Roman "Die Oase des Sonnenuntergangs" des ägyptischen Romanciers Baha Taher, des prominentesten der sechs Finalisten. Der mit 50 000 Dollar dotierte Preis für den besten arabischen Roman ist der Höhepunkt in Tahers literarischer Karriere. In den 90er Jahren wurde er bereits zweimal mit dem höchsten ägyptischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet. Auch in Deutschland ist der Autor kein ganz Unbekannter. Sein Roman "Tante Safija und das Kloster" erschien 2003 auf Deutsch.

Baha Taher ist 1935 im oberägyptischen Giseh geboren, studierte Geschichte, arbeitete als Kulturredakteur im ägyptischen Rundfunk und verließ nicht zuletzt aus Unzufriedenheit mit der Polit ik des damaligen Präsidenten Sadat sein Land. In den achtziger und neunziger Jahren war er als Übersetzer für die Uno in Genf tätig. 1995 kehrte er nach Kairo zurück.

Baha Taher gehört zu jener Generation ägyptischer Intellektueller, die den nationalen Kampf gegen die britischen Kolonialherren bewusst miterlebt haben und sich Anfang der fünfziger Jahre mit den Zielen der Juli-Revolution unter Gamal Abd el-Nasser identifizierten. Aber das Verhältnis zur Ära des Helden des arabischen Nationalismus bleibt ambivalent.

Auf der einen Seite steht die Zustimmung zu den sozialen und wirtschaftlichen Leistungen, andererseits die bittere Erkenntnis, dass Pluralismus und Demokratie mit diesem politischen System unerreichbar bleiben.

Das Ende einer Liebe

Der Konflikt des Intellektuellen mit der Macht ist eines der immer wieder kehrenden Themen in Tahers Werk, auch in "Die Oase des Sonnenuntergangs". Die Handlung des Romans ist im späten 19. Jahrhundert angesiedelt. Mahmud, ein gebildeter Offizier wird als Militärverwalter in die westägyptische Oase Siwa abkommandiert. Der junge Mann fühlt sich hin und her gerissen zwischen der militärischen Gehorsamspflicht, seiner Sympathie für den antibritischen Urabi-Aufstand und der Feindseligkeit der Oasenbewohner. Sie sehen in ihm den Vertreter der verhassten Zentralregierung. Mahmud erscheint als Prototyp des Verlierers.

​​Er ist unfähig, für seine Ideale einzustehen und flüchtet sich am Ende in einen sinnlosen Akt der Zerstörung. In einem Interview mit der ägyptischen Zeitung al-Ahali räumt Taher ein, dass diese melancholische Figur für die Zeit der Niederlagen steht, die viele Teile der arabischen Welt gegenwärtig erleben.

Die Liebesgeschichte zwischen dem Protagonistenund der Irin Kathrin ents pringt einer weiteren Konstante im literarischem Schaffen Tahers, der Reflexion über das Verhältnis zwischen dem Westen und der arabischen Welt. Die zunächst leidenschaftliche, sexuell erfüllte Beziehung der beiden Protagonisten flaut immer mehr ab und macht nach mehreren Monaten Aufenthalt in einer Oase gegenseitiger tiefer Entfremdung und Gleichgültigkeit Platz.

Altägyptische Kultur an der Schwelle zu einer neuen Zeit

Die arabischen Kritiker konzentrierten sich in ihren Lektüren bisher vor allem auf die politische Interpretationen des Romans. Auf die facettenreichen Figuren der Oasenbewohner kamen sie kaum zu sprechen. In einer ausgefeilten Sprache beschreibt der Autor in diesen Figuren die alte berberische, beduinische und altägyptische Kultur an der Schwelle zu einer neuen Zeit.

Ziel der Initiatoren des arabischen Bookerpreises - der Emirate Foundation und der Booker Prize Foundation - ist es, mehr internationale Aufmerksamkeit auf die zeitgenössische arabische Literatur zu lenken und Übersetzungen anzuregen. "Die Oase des Sonnenuntergangs" dürfte gute Chancen haben, das Interesse westlicher Verleger zu wecken.

Mona Naggar

© Süddeutsche Zeitung

Dieser Artikel erschien am 12. März 2008 in der Süddeutschen Zeitung.

Qantara.de

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