Wissenschaftliches und soziales Engagement

In Europa leben ungefähr 10 000 arabische Ärzte. Der Verein "Union Arabischer Mediziner in Europa" vertritt ihre Interessen und fungiert als eine Brücke zu den Heimatländern. Abdalahmad Rashid sprach mit dem Vorsitzenden Dr. Hassan Naggar.

In Europa leben ungefähr 10 000 arabische Ärzte. Der Verein "Union Arabischer Mediziner in Europa" vertritt ihre Interessen und fungiert als eine Brücke zu den Heimatländern. Abdalahmad Rashid sprach mit dem Vorsitzender Dr. Hassan Naggar.

Wie ist die Union Arabischer Mediziner in Europa entstanden?

Logo arabmed
Logo der Union Arabischer Mediziner in Europa

​​Dr. Hassan Naggar: Das war 1983 in Frankfurt. Da waren Ärzte aus Deutschland, Frankreich und Italien; wir waren elf Kollegen. Es gab zu der Zeit bereits in jedem dieser Länder einen Ärzte-Verband, und wir haben uns dann überlegt, unsere Arbeit zusammen zu legen und zu koordinieren in einer Union arabischer Mediziner in Europa.

Mittlerweile haben wir unsere Aktivitäten auch auf Grossbritannien, Österreich, die Schweiz und sogar Osteuropa ausgeweitet. Wir merken aber, daß immer noch großer Bedarf an unserer Arbeit besteht.

Wie sieht dieser Bedarf aus?

Dr. Naggar: Es geht darum, dass erfahrene arabische Ärzte, die seit langer Zeit hier in Deutschland leben, jungen Kollegen helfen, die aus den arabischen Ländern hierhin kommen und unerfahren sind, so wie wir es am Anfang auch waren.

In den 1950 und 60er Jahren war vieles zudem einfacher; heute sind die Umstände wesentlich schwieriger geworden. Da wollen wir den jungen Ärzten helfen, daß sie ihre Fachausbildung erfolgreich abschließen, legen ihnen danach aber auch nahe, danach wieder nach Hause zurückzukehren. Es gibt für uns viele Möglichkeiten zu helfen.

Wir veranstalten darüber hinaus Konferenzen, geben eine dreisprachige medizinische Zeitschrift heraus und führen Hilfsaktionen durch.

Wie sehen ihre Aktivitäten bei den jungen arabischen Ärzten aus?

Dr. Naggar: Wenn ein Kollege aus der sogenannten Dritten Welt nach Deutschland kommt und nach einer Stelle sucht, wird ihm zunächst immer ein deutscher Kollege vorgezogen oder jemand aus dem europäischen Ausland.

Daher haben wir uns auf eine spezielle Abmachung geeinigt: Die Kollegen verzichten auf eine gewisse Zeit auf ihr Gehalt, um somit bei der Stellensuche einen Vorteil gegenüber ihren deutschen Kollegen zu haben.

Das Gehalt übernimmt in diesem Fall die Ärzte-Union in Form eines Stipendiums; gleichzeitig stellt es auch eine Sicherheit für das Krankenhaus dar, in dem er arbeitet, denn ohne dieses Stipendium würde er die Stelle nicht bekommen. Dies wäre gegen das Gesetz.

Somit haben wir bislang 300-400 Kollegen auf diese Art und Weise geholfen. Mit diesem Stipendium verpflichten die betroffenen Kollegen sich aber auch gleichzeitig, in die Heimat zurückzukehren. Wir finden dies wichtig und sinnvoll, damit sie das erworbene Know-How zurückgeben.

Wie viele Mitglieder hat ihr Verein?

Dr. Naggar: Ungefähr 3000 arabische Ärzte in ganz Europa. Die Hälfte davon lebt in Deutschland, die andere Hälfte in Großbritannien, in Frankreich, Italien, in der Schweiz und Österreich.

Wie sind sie organisiert?

Dr. Naggar: Wir haben einen Vorstand, der ganz Europa vertritt. Ihm steht ein Beirat aus zumeist Kollegen mit deutschem Pass zur Seite, da der Hauptteil unserer Aktivitäten in Deutschland stattfindet. Beide – Vorstand und Beirat – werden alle zwei Jahre neu gewählt.

Einmal im Jahr veranstalten wir einen Kongress, bei der sich alle Mitglieder der Union treffen, aber auch Kollegen aus Europa und den arabischen Ländern als Gäste eingeladen werden. Wir treffen uns dabei in einem Jahr in Deutschland und im nächsten Jahr in einem anderen Land.

Dieses Jahr haben wir uns zum ersten Mal in Istanbul getroffen. Anwesend waren dieses Mal 300 Kollegen. Dabei dienen diese Treffen nicht nur dem wissenschaftlichen Zweck, sondern haben auch den Sinn, dass die Mitglieder sich einmal aus nächster Nähe kennen lernen. In diesem Jahr kamen – mit finanzieller Hilfe des WHO – auch 65 Kollegen aus dem Irak.

Welchen Aktivitäten gehen Sie außerhalb dieser Konferenzen nach?

Dr. Naggar: Wir suchen nach Spendern in Europa und der arabischen Welt. Vor kurzem war ich in Dubai und habe dort einen sehr reichen Geschäftsmann zu einer großen Spende überreden können. Diese bestand in einer Sendung Inkubatoren im Werte von 110.000 $, die wir dringend für Krankenhäuser in Palästina brauchten.

Davor gab es eine Firma, die Instrumente für die Herzchirurgie gespendet hat; die haben wir dann nach Palästina gebracht. Diese Aktivitäten nehmen sehr viel Zeit in Anspruch.

Daneben geben wir dreimal im Jahr eine Zeitschrift heraus, die in Arabisch, Deutsch und Englisch erscheint. Sie ist mittlerweile sehr bekannt in der arabischen Welt, da sie die erste wissenschaftliche Zeitschrift in arabischer Sprache ist.

Welche Themen behandeln Sie in der Zeitung?

Dr. Naggar: Meistens sind es aktuelle Themen. Wir haben beispielsweise einen bekannten Herzchirurgen in Deutschland, der regelmäßig seine neuesten Forschungsergebnisse bei uns veröffentlicht, dazu schreiben auch deutsche und französische Ärzte für uns. In den arabischen Ländern gibt es eine ähnliche Zeitschrift auf arabischer Sprache leider noch nicht.

Gibt es noch andere Projekte, die die Union in naher Zukunft verfolgt?

Dr. Naggar: Wir wollen die medizinische Ausbildung in der arabischen Welt verbessern. Die Grundausbildung ist recht gut, doch es bestehen Mängel in der weiteren Ausbildung.

Daher wird in den nächsten Wochen in Syrien eine Privatuniversität gegründet werden, in der die Mitglieder unserer Union unterrichten. Die Universität heißt al-Andalus und wird zusammen mit einer einheimischen Firma aufgebaut.

Wird die Union auch in der arabischen Welt wahrgenommen?

Dr. Naggar: Wir sind dabei, Brücken zu bauen. Aber es ist nicht einfach. Wir sehen die Schwierigkeiten. Und wir erfahren auch von einem Teil der Ärzte dort nicht nur Sympathie und Wohlwollen, sondern Ablehnung.

Dennoch sind wir bemüht, weiter diese Brücken aufzubauen. Die Gründung der Al-Andalus-Privatuniversität in Syrien ist ein erster Schritt dahin. Dies ist ein erster Erfolg für uns, denn wir wollen auch in unseren Heimatländern etwas leisten.

Und genauso wie die arabischen Ärzte im Mittelalter mit ihrem Wissen Europa beeinflusst haben, wollen wir etwas von dem hohen und fortschrittlichen Niveau, das in Europa vorhanden ist, an unsere Länder weitergeben.

Abdalahmad Rashid

© Qantara.de 2004

Mehr über die Union Arabischer Mediziner erfahren Sie hier.