Mit Zivilcourage gegen den Hass

Antimuslimischer Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und Kinderschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hintergründe von Melanie Christina Mohr

Von Melanie Christina Mohr

Rassistisch motivierte Übergriffe auf muslimische Kinder und Jugendliche finden täglich statt und können weitreichende Folgen für die Betroffenen haben. Damit Kinder und Jugendliche sicher und autonom aufwachsen können, bedarf es also einer gemeinschaftlichen Anstrengung sich diesem Unrecht entgegenzustellen und Zugehörigkeitsordnungen entschieden zu demontieren.

„Für alles dankbar sein, das ist sehr wichtig, um in Deutschland sein zu dürfen “ / „Buschige Augenbrauen haben wenige Deutsche, die kann man sich zupfen oder so“ / „Mein Name klingt für viele lustig, ich habe mir einen Spitznamen gegeben, jetzt ist es nicht mehr lustig“ - so oder ähnlich können kindliche von Ausgrenzung geprägte Narrative klingen.

Kinder und Jugendliche, die in ihrem Alltag diskriminiert und ausgeschlossen werden, tragen dieses Leid wie ein unsichtbares Päckchen mit sich. Es dominiert oft auch dann ihre Lebensrealität, wenn gerade nicht wieder etwas oben drauf gepackt wird. Jedes Kind/jeder Jugendliche reagiert auf Ausgrenzung und Diskriminierung anders.

Klar ist aber, dass diese Verletzungen, psychischer und/oder physischer Natur, Folgen haben. Sie können unter anderem dazu führen, dass sich Kinder und Jugendliche zurückziehen, sich isolieren, kein Selbstvertrauen entwickeln können oder es verlieren, ein verzerrtes Selbstbild haben, sich nicht zugehörig und/oder nutzlos fühlen.

Oftmals können die betroffenen Kinder und Jugendlichen auch gar nicht wirklich benennen, was ihn gerade passiert ist oder sie haben Angst, jemandem davon zu erzählen,  erst recht von der Klassengemeinschaft oder Clique ausgeschlossen und als Opfer stigmatisiert zu werden.

Fachkräfte und Lehrer*innen sensibilisieren

Ein Ort, an dem Kinder und Jugendliche antimuslimischen Rassismus erfahren, ist die Schule, manchmal auch schon die Kita. Häufig sind es äußere Merkmale an denen festgemacht wird, dass ein Kind/ein Jugendlicher anders ist, also nicht Teil der Wir-Gemeinschaft sein kann/darf/soll. Beispielsweise aufgrund der Kleidung des Kindes/Jugendlichen oder der Eltern/Verwandten/Freund*innen, dem Aussehen oder Namen.

Demonstration gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Cottbus; Foto: picture-alliance/dpa
Ein Zeichen gegen Rassismus und Islamophobie im Altag setzen: "Sich antimuslimischem Rassismus entgegenzustellen, bedeutet auch, sich für eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung einzusetzen, denn antimuslimischer Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und Kinderschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", schreibt Melanie Christina Mohr.

Kinder und Jugendliche können diese Ablehnung oft nicht einordnen, es ist für sie nicht immer greifbar, ob es sich um einen Scherz handelt oder vielleicht doch ernstgemeint ist.  Vielleicht geht die Diskriminierung auch von einer sonst gefühlt sicheren Person aus, einer Freundin/einem Freund.

Pädagog*innen müssen deshalb für solche Situationen gewappnet sein, um Hilfe leisten zu können und den Dialog selbstsicher innerhalb der Klassengemeinschaft/dem Jugendtreff zu öffnen. Dafür ist es wichtig, Fachkräfte dabei zu unterstützen, sie zu schulen, ihnen zur Seite zu stehen und mit den nötigen Strategien auszustatten, damit sie antimuslimischen Rassismus sowie auch allen anderen rassistischen Phänomenen entschieden begegnen können. Nur eine gemeinschaftliche Auseinandersetzung ermöglicht eine gemeinschaftliche Intervention und macht nachhaltig auf die Probleme aufmerksam, unterstützt dabei, Ressentiments abzubauen.

Zugehörigkeitsordnungen demontieren

Kinder und Jugendliche sollen befähigt werden, ein gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln und sich dementsprechend autonom bewegen zu können. In manchen Situationen ist es aber ganz besonders wichtig, für Kinder und Jugendliche aktiv da zu sein. In einem vollen Linienbus beispielsweise, wenn an der Hintertür gequetscht wird und ein Fahrgast dem muslimischen Kind mit einer abwertenden Aussage über dessen vermeintliche Herkunft/Aussehen/Religion in die Schranken weißen möchte.

Es gibt unzählige Situationen, in denen Kindern und Jugendlichen solche Übergriffe aushalten müssen und sofort Hilfe brauchen. Sich antimuslimischem Rassismus entgegenzustellen, bedeutet auch, sich für eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung einzusetzen, denn antimuslimischer Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und Kinderschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Jede*r Einzelne ist gefragt

Die gemeinsame Anstrengung, sich für die Rechte und den Schutz von Kindern und Jugendlichen einzusetzen, geht damit einher, verbreitetes soziales „Wissen“ über „die Anderen“/„die Problemgruppe“ konsequent abzulehnen und Kindern und Jugendliche durch das eignen Verhalten und das eigene Gesagte zu spiegeln, dass sich Menschen durch ihre Individualität auszeichnen, nicht durch scheinbar zuordnungsbare (äußerliche) Merkmale.

Die sich in einer Gesellschaft etablierten Zugehörigkeitsordnungen müssen demontiert und muslimisch markierte Kinder und Jugendliche solidarisch geschützt werden. Das erfordert auch Mut in Situationen, Unrecht nicht zu übersehen, nicht zu überhören und sicht- und hörbar zu widersprechen.

Unter dem Hashtag #HasshatkeinHerz wurde am 1. Juli 2019 der Tag gegen antimuslimischen Rassismus ins Leben gerufen. Der Todestag von Marwa El-Sherbini, die vor elf Jahren im Landgericht Dresden mit 18 Messerstichen ermordet wurde, soll im Gedächtnis bleiben und daran erinnern, das Hass allgegenwärtig ist und mit allen Kräften entschieden zurückgewiesen werden muss.

Alle Kinder und Jugendliche haben gleichermaßen das Recht auf Gleichheit, Unversehrtheit, Bildung, soziale Sicherheit, freie Meinungsäußerung, Information und Gehör, Schutz vor Gewalt und natürlich auch das Recht auf Spiel und Freizeit - ohne dabei rassistischen Übergriffen ausgesetzt zu sein.

Melanie Christina Mohr

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