Strategische Allianz des Terrors

Die jüngsten Terroranschläge in Afghanistan lassen auf ein Erstarken der Taliban-Milizen schließen. Sie haben mit El-Kaida und der Partei des Fundamentalisten Hekmatyar mächtige Unterstützer. Von Said Musa Samimy

An einem der blutigsten Tage in Afghanistan seit dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 sind am Donnerstag (18.5.) mehr als 100 Menschen getötet worden. Betroffen von den Gefechten war vor allem der Süden Afghanistans. Die Taliban-Milizen agieren dort nicht allein. Sie werden von den im Grenzgebiet zu Pakistan versteckten Mitgliedern des Terrornetzes El-Kaida unterstützt.

Vor kurzem erst haben beide Gruppen ihre strategische Allianz erneut bekräftigt. Dritte und immer bedeutendere Kraft in diesem für die Stabilität Afghanistans gefährlichen Spiel ist die "Hesbe Islami Afghanistan" - die Islamische Partei.

Der Chef der "Hesbe Islami", der Fundamentalist Gulbuddin Hekmatyar, macht seit langem keinen Hehl daraus, dass seine Partei mit El-Kaida und dem harten Kern der Taliban-Milizen strategisch zusammenarbeitet. Taktisch werde jedoch jede Gruppe weiterhin in ihrem eigenen Einflussbereich operieren.

Das bedeutet, dass die Taliban-Milizen in ihren traditionellen Hochburgen im Süden des Landes, El-Kaida im Osten des Landes - im Grenzgebiet zu Pakistan - und die Terrorgruppe von Hekmatyar in der Umgebung von Kabul Anschläge verüben.

Drogenmafia mischt mit

Diese Dreier-Allianz wird in jüngster Zeit noch von einer anderen Terrorbande unterstützt. Diese hat unter Führung von Jalaluddin Haqqani, dem ehemaligen Dschehadi-Kommadeur, ihre Operationsbasis im Lugar-Tal, südlich von Kabul.

Dieses Zusammenspiel - strategisch gemeinsam, jedoch taktisch dezentral zu operieren - hat dazu geführt, dass die Taliban-Milizen nun konzentriert in den Südprovinzen des Landes über einzelne Selbstmordanschläge hinaus ihre Angriffe massiv ausgeweitet haben. Sie nehmen Polizeistationen ins Visier und greifen abgelegene Dörfer an.

Diese militanten Gruppen bekommen nun zusätzlich Zulauf von Seiten der Drogenmafia. Die afghanische Regierung setzte bislang auf die Zerstörung der Mohnfelder, um das Drogenproblem einzudämmen.

Die vielen davon betroffenen Kleinbauern erhielten jedoch keine finanzielle Entschädigung, auch für ihre Sicherheit wurde nichts unternommen. Damit sind sie aber den Repressalien der Drogenmafia, die um ihre Einnahmen fürchtet, schutzlos ausgeliefert.

Und die Drogenmafia pflegt inzwischen eine verstärke Zusammenarbeit mit den Taliban-Milizen - vor allem in der Provinz Helmand. Die Provinz Helmand war schon zur Zeit der Taliban-Herrschaft zwischen 1997 und 2001 eines der Hauptanbaugebiete für Mohn. Geographisch günstig gelegen im Dreieck zwischen Pakistan, dem Iran und Afghanistan, fungiert die südafghanische Provinz als Drehscheibe für den Drogenhandel.

Schwere Last der Vergangenheit

Dass unter den im Süden Afghanistans stationierten ausländischen Truppen die Briten mit 3300 Soldaten die größte Gruppe bilden, macht die Situation nicht einfacher. Im Laufe der letzten Jahrhunderte haben die Afghanen gegen die britische Kolonialmacht drei verlustreiche Kriege geführt. Die Erinnerungen an diese bitteren historischen Erfahrungen sind der Nährboden für Terroristen.

Ihnen fällt es leicht, die ausländischen Truppen als zurück gekehrte Kolonialherren zu diskreditieren. Allerdings braucht Afghanistan die internationalen Truppen. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind schlecht ausgebildet und auch zahlenmäßig nicht in der Lage, die Sicherheit in der Region allein zu gewährleisten.

Vor allem im Süden Afghanistans ist die Präsenz internationaler Truppen auf Jahre notwendig. Er ist ein ideales Rückzugsgebiet für die Terroristen, die nach Anschlägen auf dem afghanischen Boden nach Pakistan flüchten. Das hat inzwischen auch zu einer Belastung der Beziehungen zwischen beiden Nachbarstaaten geführt.

Afghanische Politiker werfen Pakistan vor, gegen die Taliban-Milizen nicht konsequent vorzugehen. Außerdem erhielten die Terroristen Nachschub aus pakistanischen Quellen. Islamabad wehrt diese Vorwürfe energisch zurück. Tatsache ist aber, dass sich einige Taliban-Kommandeure in Pakistan frei bewegen und unbehelligt Interviews geben können.

Neben den pakistanischen Fundamentalisten außerhalb der Regierung gibt es Kreise im pakistanischen Geheimdienst, die nach wie vor in eigener Regie gegenüber Afghanistan destruktiv und konspirativ tätig sind. Dabei wäre eine umfassende und konstruktive Zusammenarbeit zwischen Kabul und Islamabad wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Anti-Terror-Strategie in der ganzen Region.

Said Musa Samimy

© Deutsche Welle 2006

Qantara.de

Wiederaufbau Afghanistans
Missmanagement und fehlende Transparenz
Nachdem die Ziele des Bonner Petersberg-Abkommens auf dem Papier erfüllt sind, gibt es erste Anzeichen dafür, dass sich die Geberländer von Afghanistan abwenden. Dabei entscheiden gerade die kommenden Monate darüber, ob der Wiederaufbau langfristig gelingen kann. Von Martin Gerner

Interview Ramazan Bashardost
Gegen Korruption und für mehr Transparenz in Afghanistanmehr
Der frühere afghanische Planungsminister, Ramazan Bashardost, kritisiert die Partikularinteressen der ethnischen und religiösen Minderheiten im afghanischen Parlament, die den politischen Willen der Bevölkerung blockieren.

Drogenökonomie in Afghanistan
"Es geht um Entwicklung, nicht um Drogenbekämpfung"
Der Kampf gegen die Drogenökonomie in Afghanistan zeigt keinen Erfolg. Die Anbaufläche ging dieses Jahr zwar zurück, doch die Ernte war mit gut 4000 Tonnen fast genauso hoch wie 2004. Die Schattenwirtschaft rund um das Opium macht 60 Prozent des afghanischen Bruttosozialprodukts aus. Der Senlis Council, eine Denkfabrik zur internationalen Drogenpolitik, macht einen einfachen Vorschlag: Der Drogenanbau in Afghanistan sollte nicht bekämpft, sondern staatlich kontrolliert werden.