Allah, Ram und Kricket

Seit der Teilung des indischen Subkontinents in Indien und Pakistan haben die beiden Staaten drei Kriege miteinander geführt. Im Frühsommer 2002 beginnt die österreichische Journalistin Brigitte Voykowitsch ihre Reise von Karatschi nach Delhi. Britta Demmer hat das Buch gelesen.

Seit der Teilung des indischen Subkontinents in Indien und Pakistan haben die beiden Staaten drei Kriege miteinander geführt. Im Frühsommer 2002 droht der Streit um die Himalaya-Region Kaschmir wieder zu eskalieren. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die österreichische Journalistin Brigitte Voykowitsch ihre Reise von Karatschi nach Delhi. In zwölf kurzen Reportagen geht die Autorin der Frage nach, wie die Menschen in den beiden Nationen die Teilung heute empfinden und wie es mit dem Verhältnis zwischen Muslimen und Hindus in Indien steht. Dazu befragt sie Journalisten, Politiker und Künstler.

Lebendige und anschauliche Reportagen

In Karatschi trifft sie auf die pakistanische Band Junoon. Von Jugendlichen in Indien wie in Pakistan werden sie frenetisch gefeiert. In ihren Liedern singen die Musiker gegen religiösen Extremismus, Intoleranz und Armut an. Themen, die junge Menschen in beiden Nationen gleichermaßen beschäftigen, wie Gitarrist Salman Ahmed versichert. Schon oft sind sie wegen ihrer kritischen Texte aus dem pakistanischen Fernsehen und Radio verbannt worden, Öffentliche Auftritte wurden von den Regierungen Bhutto und Sharif in den 90er Jahren verboten. Doch sie haben in privaten Räumen weiter gemacht.

Besonders lebendig und anschaulich werden die Reportagen der Journalistin, wenn sie von individuellen Erlebnissen wie der von Urvashi Butalia erzählt, einer indischen Frauenrechtlerin, die zum ersten Mal Kontakt zu ihrem in Pakistan lebenden Onkel Rana aufnimmt. Anders als der Rest der Familie, war er nach der Teilung des Subkontinents nicht nach Indien geflohen. Er blieb in Lahore und konvertierte zum Islam. Glücklich, nach Jahrzehnten von seinen Verwandten aus Indien zu hören, schreibt Onkel Rana Briefe und lädt sie ein. Butalia fährt mehrmals nach Lahore, nimmt auch Mutter und Tante mit, Ranas Schwester. Doch das Misstrauen bei Ranas Frau und Kindern wächst von mal zu mal:

"Wollten die Hindus von drüben am Ende ihren alten Besitz zurückfordern? Was würden die muslimischen Verwandten von Ranas Gattin denn über die Hindus denken? Würde es die Heiratschancen ihrer Tochter beeinträchtigen? Rana begann sich zu sorgen."

Alltag und historischer Hintergrund

Voykowitsch gelingt es in solchen kleinen, alltäglichen Begebenheiten, die fortwährenden Vorurteile und Spannungen zwischen beiden Nationen deutlich machen. Geschickt und unaufdringlich verwebt sie in diese Geschichten historische Hintergründe, die den Ursprung des Konfliktes zwischen Indien und Pakistan erklären.

Großen Raum in ihrem 140-seitigen Reisebericht nehmen die jüngsten Konfrontationen Ende Februar 2002 ein. Im indischen Bundesstaat Gujarat wird ein Zug mit Hindu-Aktivisten überfallen, danach kommt es zu großen Unruhen zwischen Muslimen und Hindus. Hier weicht die reportagehafte Beschreibung oft der Analyse. Die Geschehnisse werden nicht durch persönliche Erfahrungen nachgezeichnet, sondern durch Medienberichte zusammengesetzt. Kommentare von Journalisten, Politikern und Wissenschaftlern werden aus Zeitungen und Büchern zitiert. Das liest sich bisweilen etwas zäh.

Wo sich Brigitte Voykowitsch dagegen auf persönliche Erfahrungen verlässt, ist das Buch recht kurzweilig und Lesern, die sich für den Konflikt auf dem indischen Subkontinent interessieren, sehr zu empfehlen.

Britta Demmer

© 2003, DW-online

Brigitte Voykowitsch
Allah, Ram und Kricket
Picus, 2003
ISBN 3-85452-773-X
14.90 EUR
Picus Verlag (Wien)