Islamismus

Was ist Islamismus, wie ist er entstanden, wer sind seine wichtigsten Ideologen? Diese Fragen beantwortet der Orientalist und Journalist Albrecht Metzger in seinem neuesten Buch. Katajun Amirpur hat es gelesen.

Islamisten demonstrieren in Berlin für eine andere Politik im Nahen Osten; Foto: AP
Islamisten demonstrieren in Berlin für eine andere Politik im Nahen Osten

​​Der renommierte Islamwissenschaftler Bernard Lewis hat George W. Bushs größte Frage beantwortet. Warum hassen sie, die Muslime, uns, will der amerikanische Präsident wissen. Bernard Lewis sagt, sie hassen uns nicht für das, was wir tun, sondern für das, was wir sind. Für unsere Werte: Demokratie, Freiheit, Menschenrechte.

Unter den Fachkollegen – vor allem unter deutschen Islamwissenschaftlern - ist diese These allerdings stark umstritten. Albrecht Metzger ist einer von ihnen. Ihr widmet er sich in einem kleinen, schmalen Band, der gerade erschienen ist.

Metzger erklärt den Islamismus in leicht verständlicher Form, jedermann zugänglich. Notwendige Abhilfe schafft er, indem er erst einmal definiert, was Islamismus ist: denn noch längst nicht einmal die Kreise, die es eigentlich wissen sollten, haben den Unterschied zwischen Islamismus und Islam, zwischen Muslimen und Islamisten begriffen.

Metzger erklärt uns die historischen Grundlagen des Islamismus und stellt uns seine wichtigsten Ideologen vor. Außerdem untersucht er die Situationen in einzelnen Ländern: in Algerien, Palästina, im Libanon. Er erklärt, wieso die Islamisten dort an Zulauf gewannen und erläutert, wie wenig all dies mit Religion, sondern wie viel mehr es mit Politik zu tun hat.

Die Rolle des Westens

Außerdem beleuchtet das Buch eine für die Zukunft des Islamismus interessante These: die meisten Islamisten, so Metzger, werden - einmal an der Macht – zu Pragmatikern und begraben weite Teile ihrer Ideologie. Und säkularisieren sich damit automatisch. So geschehen in Iran, der Türkei und Jordanien.

Oder aber sie werden abgewählt und verschwinden in der Versenkung, weil die Bevölkerung miterleben konnte, dass auch das Motto der Islamisten "Der Islam ist die Lösung" eben nicht die Lösung ist.

Ein Kapitel seiner Analyse trägt den Titel "Das doppelte Spiel des Westens". Denn gering ist die Rolle, die der Westen beim Aufkommen des Islamismus gespielt hat, nicht: In Algerien hieß der Westen die Annullierung der Wahlen gut, weil er befürchtete, ein dem Westen nicht freundlich gesonnenes Regime könne an die Macht kommen.

Aus dem gleichen Grunde unterstützt der Westen bis heute den Autokraten Mubarak in Ägypten. Und die USA unterstützten die Taliban, um den Mullahstaat Iran einzudämmen.

Aufräumen mit Missverständnissen

Als einer der wenigen in der deutschen Medienlandschaft nimmt Metzger hier die Perspektive "der" Muslime ein. Zwar muß diese nicht unbedingt richtig sein: aber es ist sicher hilfreich, sie wahrzunehmen.

Jedenfalls räumt das Buch mit einem Missverständniß auf: Dass die Muslime den Westen für das hassen, was er ist. Viele hassen ihn eben gerade für das, was er tut. Für Putsche und Militärinterventionen, für Abu Ghraib und Guantanamo.

Mit einem anderen Missverständis hätte das Buch auch noch aufräumen können: dass "der Muslim" "den Westen" keineswegs pauschal hasst. Und dass vielmehr seine Werte – Demokratie, Menschenrechte, Freiheit – immer noch der Exportschlager des Westens schlechthin sind.

Katajun Amirpur

© Qantara.de 2005

​​Albrecht Metzger: Islamismus. Europäische Verlagsanstalt, 2005

Qantara.de

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