Kein Platz für Fremdenfeindlichkeit

Diskriminierungen jeglicher Art sind ein Angriff auf die Menschenwürde, meinen die Initiatoren von "AktionCourage" - ein Verein, der sich gegen Rassismus und für den Dialog mit dem Islam einsetzt - vor allem in der Schule. Von Petra Tabeling

Diskriminierungen jeglicher Art sind ein Angriff auf die Menschenwürde, meinen die Initiatoren von "AktionCourage". Dahinter steht eine beispiellose Organisation, die sich bundesweit gegen Rassismus und für den Dialog mit dem Islam einsetzt - vor allem in der Schule. Von Petra Tabeling

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Der Verein "AktionCourage" will die politische Mitbestimmung von Menschen ausländischer Herkunft fördern und Fremdenfeindlichkeit entgegenwirken

​​Als Anfang der 90er Jahre eine Welle der rechten Gewalt Deutschland erfasste, verbunden mit Orten wie Mölln, Solingen, Hoyerswerda und Rostock, da wollte man in Deutschland nicht mehr zuschauen und warten, bis die Politik die Missstände beseitigt.

Daher gründeten 1992 verschiedene Bürgerinitiativen, Menschenrechtsgruppen, Vereine und Einzelpersonen aus allen gesellschaftlichen Bereichen und politischen Lagern den Verein "AktionCourage". Daraus ist seither ein großes Netzwerk mit unterschiedlichen Schwerpunkten entstanden, das von der EU und mit Bundesmitteln gefördert wird.

Schwerpunkt Schulen und Jugendliche

1995 entstand dann das Projekt "Schule ohne Rassismus", das speziell Jugendliche in Schulen erreichen will, um fremdenfeindlichen Tendenzen entgegenzuwirken. Und das funktioniert so: Wenn sich eine Schule gegen Rechts engagieren möchte, müssen sich zwei Drittel aller Schüler und Lehrer per Unterschrift zu den Grundsätzen von "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" bekennen und sich damit bei "AktionCourage" bewerben.

Dafür verpflichtet sich die Schule pro Jahr mindestens eine Aktion durchzuführen. Danach darf sich die Schule dann offiziell "Schule ohne Rassismus" nennen und das mit illustrer Unterstützung: Die Schüler sollen nämlich einen Prominenten bestimmen, der in diese Rahmen eine Patenschaft über die Schule übernimmt.

Darunter finden sich Sportler wie Michael Schumacher, Politiker wie Cem Özdemir oder Popstars wie die "Fantastischen Vier" oder Herbert Grönemeyer.

Freiwillig und professionell Netzwerke schaffen

"Es ist ein Projekt von unten," so der Geschäftsführer des Projekts Eberhard Seidel, weil alles freiwillig geschieht. Das ist die Grundidee von "Schule ohne Rassismus", die 1988 ursprünglich von Schülern und Jugendarbeitern in Belgien aufgenommen wurde.

Wichtig sei vor allem die eigene Motivation der Schüler und Lehrer. Dafür kann "AktionCourage" im Gegenzug ein Netzwerk anbieten und Anleitungen geben.

Die Schüler werden bei ihren geplanten Aktivitäten nicht nur von der Bundeskoordination und den Landeskoordinationen von "AktionCourage" unterstützt, sondern auch von diversen Kooperationspartnern aus der Jugendarbeit. Das Kooperationsnetz bietet Beratung und Information für Schüler, aber auch für Pädagogen und Multiplikatoren. Außerdem werden Treffen und Seminare organisiert.

Zusatzkompetenzen, die sonst erst im Berufsleben auftauchen, wie interkulturelle Kompetenz und das selbständige Umsetzen von Projektideen, werden dabei ganz nebenbei vermittelt.

Für das beispiellose Projekt, Schülern und Lehrern eine Plattform zu bieten, selbst etwas gegen Diskriminierung zu tun, ist "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" bereits mehrfach ausgezeichnet worden, u. a. mit der Buber-Rosenzweig-Medaille der "Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit" sowie vom Bündnis für Demokratie und Toleranz der Bundesregierung.

Mehr Engagement in ostdeutschen Bundesländern

Bundesweit tragen heute über 230 Schulen den Titel "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage", der für Toleranz und gegen Rassismus steht, und stetig bewerben sich weitere. Die meisten Bewerbungen kamen bislang aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, in denen die Aktion gegen Fremdenfeindlichkeit 1995 zuerst startete.

Aus ostdeutschen Bundesländern gingen bislang weniger Bewerbungen für den Titel "Schule ohne Rassismus" bei der Bundeskoordination in Berlin ein. Doch das bedeute nicht automatisch, dass Schüler und Lehrer in Schwerin, Dresden oder Magdeburg weniger tolerant seien, so Eberhard Seidel. Da "AktionCourage" erst seit wenigen Jahren dort für die Initiative wirbt, hoffe man in der Zukunft auf eine verstärkte Resonanz.

Über Islam im jugendlichen Alltag diskutieren

Auch dem Thema Islam wendet sich der Verein "AktionCourage" mit unkonventionellen Methoden zu: "Open space" haben die Initiatoren wie Sanem Kleff und Eberhard Seidel ihr Projekt für den Dialog zwischen den Kulturen genannt:

Muslimische und nichtmuslimische Jugendliche kommen zusammen und bestimmen selbst, worüber sie reden wollen. Das Ziel: gemeinsam diskutieren und Konflikte abbauen.

Und dabei, so haben die Organisatoren beobachtet, ging es den Jugendlichen gar nicht so sehr um öffentlich diskutierte Themen wie Kopftuch oder Zuwanderungspolitik, sondern um Sexualität, Freundschaft oder Familie. In mehreren deutschen Städten haben Kleff und Seidel so über 700 Schüler zum Diskutieren gebracht, aus Hauptschulen, Berufsschulen, Gymnasien.

Integration heißt auch Ausbildung und Altenhilfe

Neben der Langzeit-Aktion "Schule ohne Rassismus" betreibt "Aktion Courage" noch weitere Projekte: Unter dem Motto "Betriebe für Integration - gegen Diskriminierung" hat der Verein Betriebsvereinbarungen gegen Diskriminierungen aufgestellt und seit 1997 mehr Lehrstellen in Betrieben mit ausländischen Inhabern geschaffen.

Im Jahr 2002 richtete "AktionCourage" die Informations- und Kontaktstelle Migration (IKoM) ein, die vom Bundesministerium für Familie unterstützt wird. Ziel ist es, das immer dringlichere Problem der Altenhilfe für Migranten zu lösen. Doch bislang ist die weitere Finanzierung, die Mitte 2005 ausläuft, in der Schwebe.

Petra Tabeling

© Qantara.de 2005

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