Die „Porno-Puppe“ von Kairo

Die Puppe Abla Fahita spaltet die ägyptische Gesellschaft.
Die Puppe Abla Fahita spaltet die ägyptische Gesellschaft.

Die Fernsehpuppe Abla Fahita macht in Ägypten Furore. In ihrer neuen Show „Live aus Duplex“ spricht sie offen und ungeniert über Tabu-Themen – und spaltet damit die ägyptische Gesellschaft. Aus Kairo informiert Elisabeth Lehmann.

Von Elisabeth Lehmann

„Die lüsterne Puppe ist eine Gefahr für Kinder, sich mit Aids oder Syphilis anzustecken.“ – „Aids? Syphilis? Aber ich liebe doch Kinder!“, ruft Abla Fahita mit kreischender Stimme, in den Ohren goldene Sterne, um das Dekolleté eine schwarze Pelzstola. Sie hat sich schick gemacht für ihre erste eigene Sendung. Und in der wollte sie ihren Kritikern erst einmal den Wind aus den Segeln nehmen. Es war das Klügste, was die Macher von „Abla Fahita – Live aus Duplex“ machen konnten.

Kopie einer typischen Mittelklasse-Ägypterin

Seit Wochen erhitzt die Fernsehpuppe die Gemüter der ägyptischen Zuschauer. Abla, also Tante Fahita ist ein ägyptisches Medienphänomen, wie es so vermutlich nur im Land am Nil entstehen kann. Sie ist verwitwet, hat eine Tochter und mehrere Schönheits-OPs hinter sich. Zwar mangelt es ihr nicht an Selbstbewusstsein; sie weiß genau, wie sie ihre Reize einzusetzen hat. Mit den Männern will es aber nicht so recht klappen – obwohl Sex ein wichtiges Element in Abla Fahitas Leben ist. Stimmlage, Vokabular, Mimik, Gestik – Abla Fahita ist die perfekte Kopie einer typischen Mittelklasse-Ägypterin. Seit Wochen sind die Ägypter mit überdimensionalen Werbetafeln der leicht bekleideten Puppe mit Lockenwicklern im Haar und einer Ausgabe des Buches „Fifty Shades of Grey“ konfrontiert. Der Roman über die sexuellen Fantasien einer Frau durfte in Ägypten nicht einmal veröffentlicht werden.

Als dann auch noch ein Werbespot für die neue Show „Live aus Duplex“ ausgestrahlt wurde, explodierte die öffentliche Diskussion. Zu sehen ist Abla Fahita, die sich lasziv im Negligé auf einem Himmelbett räkelt. Vor ihr stehen zwei gut gebaute Herren, die sich als ihre Bodyguards erweisen. Um deren Tauglichkeit zu prüfen, lässt Abla Fahita die Herren ihre Hemden ausziehen. Am Ende des Spots sollen sie sich die Schuhe mit den Zähnen ausziehen, gefolgt von dem Schriftzug „Nur für Erwachsene“. Das war zu viel für das konservative ägyptische Publikum. Es folgte ein Shitstorm auf Facebook und Twitter, TV-Moderatoren forderten, die Show zu verbieten, bevor sie überhaupt gestartet war.

Die Moralpolizei ist mächtig“

„Wir leben in einem Land, in dem es normal ist, Massaker und Enthauptungen im Fernsehen zu zeigen. Aber eine Puppe, die über Sex redet, soll unmoralisch sein?“ Wenn Zayed Salem über die öffentliche Empörung redet, weiß er nicht so recht, ob er lachen oder weinen soll. Salem ist Blogger. Als Reaktion auf den Shitstorm hat er in seinem Blog „Zehn Dinge, die schlimmer sind für Kinder als Abla Fahita“ veröffentlicht. Das Manifest verbreitete sich innerhalb von Stunden rasend schnell in den ägyptischen sozialen Medien. „Ein Zeichen, dass es viele hier gibt, die genauso denken, wie ich. Aber es ist schwer gegen den Mainstream anzukommen.“ Die Moralpolizei, bestehend aus rechtschaffenen Bürgern und regimetreuen Journalisten, sei mächtig im Land.

Die Show haben sie trotzdem nicht verhindern können. Jeden Freitagabend läuft sie beim Privatsender CBC. Eine Stunde lang plaudert Tante Fahita mit Gästen, wertet die Neuigkeiten der Woche aus. Die Show ist deutlich weniger politisch, als man es von der Puppe gewohnt ist. Bevor Abla Fahita ins Fernsehen wechselte, waren es vor allem subtil-regimekritische Clips im Netz oder Tweets, über die sie mit ihren Fans kommunizierte. Ein Beispiel: Am Tag, als die Regierung alle Ägypter aufrief, zur Unterstützung von Präsident Abdel Fattah Al Sisi millionenfach auf die Plätze des Landes zu ziehen, verweigerten die Menschen einfach die Gefolgschaft. Keine einzige Demo kam zustande. Und auch Abla Fahita twitterte an diesem Tag lediglich ein Foto von sich im Bett mit dem Kommentar, dass heute ein guter Tag sei, um einfach mal nicht aufzustehen. Eine Schlappe für den Präsidenten. Im Moment kursiert ein Hashtag von Abla Fahita auf Twitter, der mit „Mischt euch nicht in unsere Klamotten ein“ übersetzt werden kann. Ein Angriff auf die ägyptische Machogesellschaft, die der Meinung ist, Frauen immer vorschreiben zu müssen, wie sich zu kleiden haben.

Eine aktenkundige Stoffpuppe

Normen, um die sich Abla Fahita wenig schert. „Sie ist lustig, sie ist anders, sie ist ein kurzer Hauch Frischluft. Unsere Gesellschaft braucht so etwas, denn sie bringt uns zum Lachen“, zeigt sich Blogger Salem überzeugt. Er fragt sich aber auch, wie lange Abla Fahita noch auf dem Bildschirm zu sehen sein wird. „Es besteht immer die Möglichkeit, dass die Show verboten wird. Wir leben bekanntlich in einer Zeit mit phantastischer Meinungsfreiheit“, sagt er zynisch.

Bassem Youssef gibt das Ende seiner Show bekannt. Foto: Mostafa Hashem
Das Ende einer Show: Am 2. Juni 2014 gab Bassem Youssef das Aus für seine Sendung bekannt. Eine Woche zuvor hatte Abdel Fattah al-Sisi die Präsidentenwahl gewonnen.

Abla Fahitas Fans warten nur darauf, dass ein empörter Zuschauer auf die Idee kommt, die Puppe anzuzeigen. Sie ist keine Unbekannte für die Justiz. Schon Ende 2013 hat die Staatsanwaltschaft gegen sie ermittelt. Damals, so der Vorwurf, habe sie via Vodafone-Werbespot geheime Terror-Botschaften an die verbotene Muslimbruderschaft übermittelt.

Gleiches Schicksal wie Bassem Youssef?

Wer hinter Abla Fahita steckt, ist übrigens ein gut gehütetes Geheimnis. Angeblich wissen nicht einmal die Macher der Show „Live aus Duplex“, wer die Gags für die Puppe schreibt. Ein Detail, das Wasser auf den Mühlen der Verschwörungstheoretiker ist.

Und so schaut nun die ganze Nation gebannt jeden Freitagabend zu, ob sich Abla Fahita einen Fauxpas leistet und abtreten muss. „Live aus Duplex“ sendet aus demselben Studio wie die „Sendung“ des Satirikers Bassem Youssef. Nach massiven Drohungen gab Youssef im Sommer vergangenen Jahres auf. Der Sessel, auf dem Abla Fahita jeden Freitag Platz nimmt, ist also ein Schleudersitz.

Elisabeth Lehmann

© Qantara.de 2015