Klangwelten zwischen Orient und Okzident

Im Rahmen der 3. Orientalischen Musik-Sommerakademie in Badenweiler unterrichtete ein arabisches und deutsches Dozententeam Teilnehmer aus sechs verschiedenen europäischen Ländern. Eindrücke von Ulrike Askari

Von Ulrike Askari

Durch die Unterstützung der Baden-Württemberg Stiftung sowie des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg konnte Matthias Wagner, Lauten-Bauer aus Badenweiler, die Orientalische Musik-Sommerakademie im Kunstpalais in Badenweiler nun zum dritten Mal ausrichten.

Wagner verfügt bereits über viele Kontakte zu verschiedenen Oud-Spielern in der arabischen Welt und in Europa. Sein Beruf macht es möglich: Er restauriert arabische Lauten und baut sie nach alten Mustern neu. Immer wieder wurde Matthias Wagner eingeladen, seine Instrumente auszustellen, so dass er irgendwann gefragt wurde, ob er nicht auch Workshops organisieren könne. Daraus entstand schließlich die Idee, Workshops für alle klassisch-arabischen Musikinstrumente anzubieten: Oud, Qanun, Nay, Perkussion und Gesang.

Die stetig steigenden Teilnehmerzahlen zeigen, dass Matthias Wagner, Initiator und Organisator dieser in Europa einmaligen Musikakademie, mit seiner Idee, Workshopteilnehmer und Konzertbesucher die arabische Musikkultur zu erschließen, auf dem richtigen Weg ist.

Klassisch und experimentell

Fokus auf musikalische Originalität und Tradition: Die Orientalische Musik-Sommerakademie Badenweiler bot vier Tage lang Unterricht auf den diversen arabischen Instrumenten sowie in orientalischem Gesang an.

Das Akademieprogramm beinhaltet neben Workshops auch Vorträge und Konzerte. Zu den musikalischen Darbietungen der diesjährigen Sommerakademie kamen der Ägypter Hossam Mahmoud und Frank Stadler aus Salzburg nach Badenweiler. Ihre Vorstellung stieß im Publikum zwar auf keine nennenswerte Resonanz, dafür aber umso mehr das nachfolgende Konzert des Dozenten Adel Salameh, der mit dem französischen Cellisten Didier Petit und dem griechischen Lawta-Spieler Dimitris Varelopoulos Stücke seines Programms „Awda“ vorstellte – auch wenn die dargebotene Klangmischung experimentell und ungewohnt war und sowohl Didier Petit als auch Adel Salameh sehr jazzige Improvisationen spielten.

Doch abgesehen von den Darbietungen der Künstler sollten auch die Akademie-Teilnehmer das Programm selbst aktiv mitgestalten. Die Idee der Dozenten war es, ein kleines Programm von klassischen Stücken zu erarbeiten, um es am letzten Tag gemeinsam zu präsentieren. Mustafa Said, ein leidenschaftlicher Sammler alter arabischer Musik, hatte zu diesem Zweck eigens das Institut für die Archivierung arabischer Musik und Forschung (AMAR) im Libanon gegründet.

Er erläuterte die Rhythmen (arab.: Iqat), die Sprachmetrik (arab.: Bahr al-Shar) und die Tonarten (arab.: Maqamat) der ausgewählten Lieder, informierte über die Musikgeschichte, die Komponisten und Dichter des arabischen Kulturraums, wobei er den interessierten Laien bisweilen mit zahlreichen Fachbegriffen gewiss überforderte.

Namhafte Dozenten aus der arabischen Welt

In den Workshops unterrichteten neben Mustafa Said und Adel Salameh weitere namhafte arabische und deutsche Künstler, die alle Meister ihres Faches sind. Der Qanun-Spieler Salah Eddin Maraqa aus Jordanien studierte u.a. bei der irakischen Oud-Legende Munir Bashir und arbeitet heute als Künstler und Musikwissenschaftler in Deutschland.

Der Nay-Spieler Mohamed Askari, ebenfalls Musikwissenschaftler, hat sich der interkulturellen und interreligiösen Begegnung verschrieben und unterrichtet seit mehr als 30 Jahren in Berlin, Deutschland und Europa. Die algerische Sängerin Naziah Azzouz studierte klassisch-arabischen Gesang nach alter andalusischer Tradition und tourte u.a. gemeinsam mit Adel Salameh durch die Welt.

Der ägyptische Perkussion-Künstler Adel Shams El Din begreift den Rhythmus als "die Mitte unseres Lebens". Er unterrichtete im Rahmen der diesjährigen Sommerakademie sieben Schüler auf dem Riqq, eine Art orientalisches Tamburin. Und nicht zuletzt Joss Turnball: Der Perkussionist aus Deutschland unterrichtet an der "Orientalischen Musikakademie Mannheim" und war bereits als Musiker zu Gast auf zahlreichen internationalen Festivals. Während des Sommerakademie-Programms unterrichtete er die Rahmentrommel und unterwies seine Schüler in diversen arabischen Rhythmen.

Nach vier Tagen intensiver musikalischer Theorie und Praxis nahmen viele Teilnehmer grenz- und sprachübergreifende Freundschaften unter Gleichgesinnten mit – und zahlreiche neue musikalische Erkenntnisse.

Auf der Terrasse des Kunstpalais Badenweiler, in dem die Workshops stattfanden, taten sich ungewohnte Klangwelten auf: der Sound verschiedener Trommeln im Parterre, die noch etwas unsicheren Flötentöne der Nayschüler und die variationsreichen arabischen Gesänge und Lautentöne in den darüber liegenden Stockwerken.

Musikalischer Dialog zwischen Theorie und Praxis

Die Workshops waren unterschiedlich stark frequentiert: von zwei bis zehn Schüler. Manche der Teilnehmer aus Italien, Frankreich, der Schweiz, Belgien, Österreich und Deutschland, unter ihnen viele arabischer Herkunft, kannten sich bereits aus den vergangenen Jahren.

Am letzten Akademietag stand die Präsentation der Teilnehmer an. Ina begann mit einem kleinen Stück auf dem Qanun, obwohl sie vor vier Tagen noch nicht einmal wusste, wie man die orientalische Zither hält und sie sich mühsam die Spieltechnik aneignen musste. Und Verena hätte wohl nie gedacht, dass sie nach nur einem Wochenende vier anspruchsvolle klassisch-arabische Lieder einem größeren Publikum vorstellen könnte.

Die zahlreichen Virtuosen auf der arabischen Laute Oud aus der Klasse von Adel Salameh führten dagegen ein sehr anspruchsvolles Stück auf, das nur wenige Musiker der klassisch-arabischen Musik wirklich perfekt beherrschen – zwar ohne die für die arabische Musik so typischen Melismen, aber immerhin weitgehend fehlerfrei.

Begleitet wurde diese Darbietung von den Schülern der Rhythmusklassen von Joss Turnball und Adel Shams El Din, die ihre Schüler mit den wichtigsten arabischen Rhythmen vertraut gemacht hatten. Und die Anfänger aus der Klasse von Mustafa Said, die vor diesem Workshop zum Teil noch nie ein Oud in ihren Händen gehalten hatten, spielten ein kurzes, improvisationsfreies Stück.

Nach vier Tagen intensiver musikalischer Theorie und Praxis nahmen viele Teilnehmer grenz- und sprachübergreifende Freundschaften unter Gleichgesinnten mit – und sicher auch zahlreiche neue musikalische Erkenntnisse sowie ein tieferes Verständnis für die arabische Musikkultur. Für viele Teilnehmer hieß denn auch nach Abschluss des Akademie-Programms: "Auf Wiedersehen! Bis nächstes Jahr in Badenweiler!"

Ulrike Askari

© Qantara.de 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de