Zwei Tote in Oslo - Ermittler vermuten islamistischen Terror

Oslo wollte dieses Wochenende feiern: Eine große Parade im Zeichen von Vielfalt, Freiheit und sexueller Selbstbestimmtheit sollte durch die Straßen ziehen. Doch dann fallen Schüsse. Nun steht Norwegen unter Schock - und sucht Antworten. Von Larissa Schwedes, dpa

Oslo. Eine Party der Liebe und Vielfalt wird zum Schauplatz einer grausamen Gewalttat: Norwegens Hauptstadt Oslo ist am Wochenende erneut von einem brutalen Anschlag erschüttert worden. Rund um eine beliebte Schwulen-Bar in der Innenstadt feuerte ein Angreifer in der Nacht zum Samstag Schüsse ab. Zwei Männer wurden getötet, mehr als 20 Menschen verletzt. Der norwegische Geheimdienst PST vermutet einen islamistischen Terroranschlag.



Der mutmaßliche Täter, ein 42 Jahre alter Norweger mit iranischen Wurzeln, wurde festgenommen. Damit wurde Oslo einmal mehr von brutaler Gewalt heimgesucht: Im Juli 2011 hatte dort ein Rechtsextremist auf der Insel Utøya und im Regierungsviertel 77 Menschen ermordet. Diesmal war das Hauptziel der Nachtclub «London Pub» - ein beliebter Treffpunkt für Schwule, Lesben und andere Angehörige der queeren Szene. Auf der eigenen Internetseite beschreibt sich der Club als beste «Gay Bar» der Stadt und «Schwules Hauptquartier seit 1979».



Viele feierten dort ins Wochenende hinein: Am Samstag hätte in Oslo nach Ausfällen wegen der Corona-Pandemie erstmals wieder eine «Pride-Parade» stattfinden sollen. Nach Mitternacht schlug die ausgelassene Stimmung jedoch in Panik um. «Wir dachten erst, es sei ein Feuerwerk. Dann Gewitter. Dann habe ich verstanden, dass es echte Schüsse sind», erzählte ein Kneipenbesucher dem Sender NRK.

Im Chaos versuchten viele, sich vor den Schüssen in Sicherheit zu bringen. Zwei Männer starben: einer im Alter zwischen 50 und 60 Jahren, einer zwischen 60 und 70. Die Verletzten kamen in Krankenhäuser oder wurden vor Ort behandelt. Der Polizei gelang es schließlich mit Hilfe von Zivilisten, den Angreifer festzunehmen. Das Motiv des 42-Jährigen ist noch nicht klar. Dem Sender NRK zufolge soll der Mann Kontakte ins islamistische Milieu gehabt haben - auch zu einem bekannten Extremisten, der Mitte Juni im Internet dazu aufrief, Schwule zu töten.

Kontakte in die extremistische Szene seien eine wichtige Spur bei den Ermittlungen, hieß es am Sonntag auch auf einer Pressekonferenz der Polizei. Es gebe jedoch auch andere Hypothesen. Noch sei es zu früh für ein klares Bild. Erste Verhöre mit dem Verdächtigen mussten abgebrochen werden. Verteidiger John Christian Elden sagte, sein Mandant sei misstrauisch gegenüber der Polizei. Er wolle sich nur äußern, wenn die kompletten Audio- und Videomitschnitte seiner Aussagen veröffentlicht wurden - eine Forderung, auf die sich die Polizei bislang nicht einließ. Auch sein Geisteszustand soll in den kommenden Tagen untersucht werden.



Die Gewalt löste in Norwegen Entsetzen aus. Obwohl die «Pride Parade» von den Veranstaltern abgesagt wurde, versammelten sich am Samstag spontan Tausende und zogen mit Regenbogenfahnen durch die Straßen von Oslo. Am Sonntag folgte ein stilleres Gedenken im Dom. «Der Angriff hat die Parade gestoppt, aber nicht den Kampf gegen Diskriminierung, Vorurteile und Hass», sagte Ministerpräsident Jonas Gahr Støre. Er rief die Bevölkerung auf, weiter für eine vielfältige Gesellschaft einzustehen. Den Muslimen in Norwegen sicherte er zu, dass sie Teil der Gemeinschaft seien.



Kronprinzessin Mette-Marit, die ganz in Schwarz gekleidet war, zündete in der Kirche eine Kerze für die Opfer an. Kronprinz Haakon musste seine Teilnahme wegen einer Corona-Infektion kurzfristig absagen. (dpa)