
Zum Tod von Schimon Peres Dichtung und Wahrheit
"Unermüdlich" habe er für den "Frieden" gekämpft. "Ein Mann des Ausgleichs" sei er gewesen, ein "Ausnahmepolitiker". "Das Liebenswürdige am Zionismus" habe er verkörpert. Bundesregierung und Medien sind sich einig: mit Schimon Peres ist ein "großer Staatsmann" von uns gegangen.
Schon ein kurzer Abgleich mit der Wirklichkeit lässt ahnen: Irgendetwas stimmt hier nicht. Die Lage des Staates Israel lässt sich weder im Verhältnis zu den Nachbarn noch in seinem Innern mit dem Wort "Frieden" umschreiben. Die meterhohe Betonmauer, die Israelis von Palästinensern trennen soll, die zyklischen Gewaltausbrüche, das nukleare Waffenarsenal, sowie die Aggressivität des öffentlichen und privaten politischen Diskurses der letzten Zeit haben wenig "Liebenswürdiges". An all dem war Schimon Peres beteiligt, an Manchem sogar maßgeblich.
Es gibt grundsätzlich zwei Antworten, um die latente Unstimmigkeit zu erklären, die zwischen dem weihevollen Ton der Nachrufe und der Realität herrscht. Erstens: vielleicht war der Staatsmann Schimon Peres gar nicht so "groß". Jedenfalls muss er viel zu klein und schwach gewesen sein, um seine "Friedensvisionen" zu verwirklichen. Zweitens: Vielleicht ist das Bild vom Friedensfürsten ein luftiges Ideal, das die politische Figur Schimon Peres nur höchst unzulänglich beschreibt. Vielleicht war der "Ausgleich" mit den Nachbarn gar nicht das bestimmende Motiv seines Handelns. Die Wahrheit wird man in einer Mischung aus beiden Antworten suchen müssen.
Im Winter 1995/96 hatte Peres eigentlich leichtes Spiel. Am 4. November 1995 hatte ein nationalreligiöser Fanatiker den amtierenden Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin während einer Friedenskundgebung in Tel Aviv erschossen. Peres, der mit seinem Parteifreund an der denkwürdigen Demonstration für das "Oslo-Abkommen" teilgenommen hatte, rückte vom Posten des Außenministers ins Amt des Regierungschefs auf.

Alles sprach dafür, dass er die anstehenden Wahlen gewinnen und im Amt bestätigt werden würde. Er wurde getragen von einer Welle der Sympathie zu Hause und in aller Welt. Viele Israelis waren erschrocken von dem Hass, der zu der Ermordung Rabins geführt hatte. Peres hätte die gegen das Friedensabkommen mit den Palästinensern hetzenden Fanatiker und ihre politischen Wortführer Ariel Scharon und Benjamin Netanjahu endgültig in die Schranken weisen und in die politische Bedeutungslosigkeit schicken können.
Eine der schwersten politischen Fehlleistungen
Aber Peres scheute die harte Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner im Innern. Mitten im Wahlkampf startete er stattdessen einen Feldzug im Libanon, der unsäglich war und doch den poetischen Namen "Trauben des Zorns" trug. Die beabsichtigte Schwächung der von Iran unterstützten schiitischen Hisbollah blieb aus. Stattdessen tötete die israelische Artillerie bei einem einzigen Bombardement mehr als 100 Menschen, die sich in ein UNO-Gebäude im südlibanesischen Dorf Qana geflüchtet hatten.
Peres wollte sich mit dem Feldzug als harter Hund zeigen, bei dem die nationale Sicherheit gut aufgehoben ist. Die Quittung: bei der Wahl am 29. Mai 1996 unterlag Peres, und Netanjahu wurde Regierungschef. Diese Wahlniederlage muss als eine der schwersten politischen Fehlleistungen der Zeitgeschichte gelten. Dieses Scheitern ist der Schlüsselmoment in Peres' politischer Biografie.
Leserkommentare zum Artikel: Dichtung und Wahrheit
Wie kommen sie auf die Zahl von 100 Todesopfern die in dem Uno Gebaeude in Qana? Wieso wird nur der Iran als aktiver Unterstuetzer der Hisbollah genannt? Wenn offizielle Statements der libanesischen Armee zu der Zeit deutlich Annerkennend gegnueber Hisbollah sind und der Libanon zu der Zeit keine Bemuehung zur Entwaffnung der Hisbollah unternommen hat. Machen Sie sich Glaubwuerdig wenn sie von Israel als Agressor (welches es in diesem Konflikt eindeutig war) berichten und versuchen Sie es fair und nicht indem Fakten einseitig dargestellt werden.
David D10.10.2016 | 09:19 Uhr