Zum 75. Geburtstag des Schriftstellers Tahar Ben Jelloun

Diese Schwierigkeit kennen wohl alle Eltern: den Kindern etwas erklären, das sie selbst nicht verstehen. Rassismus zum Beispiel oder Terror. Der französisch-marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun hat diese Herausforderung angenommen - in Büchern, die zu Bestsellern wurden.

International bekannt wurde der Autor mit "Papa, was ist ein Fremder?" (2000). 2003, nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York und dem Ausbruch der Kriege im Irak und in Afghanistan, erschien "Papa, was ist der Islam?". Und vor zwei Jahren folgte "Papa, was ist ein Terrorist?" - nachdem Terrorakte immer wieder europäische Städte erschüttert hatten. Am 1. Dezember wird Ben Jelloun 75 Jahre alt.

Geboren 1944 in Fes in Marokko, zog er als Jugendlicher in die Hafenstadt Tanger, um ein französischsprachiges Gymnasium zu besuchen. Im Anschluss begann er ein Philosophiestudium in Rabat und veröffentlichte seine ersten Gedichte. Nach dem Studium unterrichtete er zunächst Philosophie an einem Gymnasium in Casablanca - bald verfügte das Innenministerium jedoch eine Arabisierung des Unterrichts. Da Ben Jelloun dafür nicht ausgebildet war, entschloss er sich, die Heimat zu verlassen - und kam 1971 in einem Pariser Studentenwohnheim an.

In den kommenden Jahren schrieb er für die Zeitung "Le Monde", nebenbei weiterhin Gedichte und Romane. 1975 promovierte er zudem in sozialer Psychiatrie. Als Autor wurde er in Frankreich zehn Jahre später bekannt, mit dem Roman "Sohn ihres Vaters". Für die Fortsetzung namens "Die Nacht der Unschuld" erhielt er 1987 den renommierten Prix Goncourt - als erster aus Nordafrika stammender Autor. 1994 wurde er zudem mit dem Grand Prix litteraire du Mahgreb ausgezeichnet. 2008 wurde er zum Großoffizier der Ehrenlegion ernannt und erhielt die Ehrendoktorwürde der Universität Montreal.

Das Werk Ben Jellouns lebt vom Kontrast zwischen erschreckender Realität und leichtfüßiger Poesie. In seinem ersten veröffentlichten Roman "Der Gedächtnisbaum" (1978) spielen Themen wie Homosexualität und die Unterdrückung von Frauen im arabischen Raum eine Rolle; 2004 beschrieb er in "Das Schweigen des Lichts" die Zustände im marokkanischen Geheimgefängnis Tazmamart. Letztere Publikation, die auf den Erinnerungen eines Überlebenden beruht, brachte dem Autor auch Kritik ein: Zu spät habe er seine Stimme genutzt, um die "bleiernen Jahre" in seinem Heimatland zu thematisieren, zu effekthascherisch sei der Roman geraten.

2011 veröffentlichte er den Essayband "Arabischer Frühling", der sich mit den Ursachen und Folgen der Demokratiebewegungen in Nordafrika und im Nahen Osten beschäftigt. Die Stadt Osnabrück ehrte den Schriftsteller dafür mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis. Sein Werk werbe für ein friedliches Miteinander der christlichen und islamischen Kulturen, hieß es damals.

Dieses Thema sollte Ben Jelloun weiterhin beschäftigen - nicht nur als Experten, der als bedeutendster Vertreter der maghrebinischen Literatur gilt und als Kenner der arabischen Welt ein beliebter Interview-Partner ist. Wenige Wochen nach dem Attentat auf die Pariser Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" im Januar 2015 veröffentlichte er wiederum einen Essayband mit dem Titel "Der Islam, der uns Angst macht".

Bei dem Anschlag hatte er mit den Karikaturisten Cabu und Wolinski zwei Freunde verloren. Das Buch geriet so zu einem ungewöhnlichen Mix aus Selbsttherapie, Literatur und Analyse - mit klaren Forderungen. Die Gesellschaft müsse mehr darauf blicken, was in Gefängnissen und Moscheen passiere, etwa Imame gründlicher auswählen, mahnte der Autor. Unmissverständlich drückte er auch sein Bedauern über das Desinteresse vieler Menschen im Westen gegenüber dem Islam aus.

Als entscheidend bezeichnete Ben Jelloun darüber hinaus religiöse Bildung. Kinder müssten Toleranz so erlernen, dass sie die Mechanismen von Fanatismus durchschauen könnten, erklärte der Schriftsteller. Eine Botschaft sei dabei besonders wichtig: "dass Spiritualität wesentlicher ist als ein bestimmtes Zurschaustellen von Religion". (KNA)