Zukunft ungewiss: Pakistan zwischen Feierlaune und Empörung

Seit 22 Jahren ist der Ex-Kricket-Star Imran Khan politisch aktiv, nun erklärt er sich zum Sieger der pakistanischen Parlamentswahlen. Die werden von Manipulationsvorwürfen überschattet. Wohin steuert Pakistan? Antworten von Veronika Eschbacher und Zia Khan

Die Tore der Wahllokale waren gerade erst versperrt worden, die Sonne hatte sich eben hinter die Hügel Islamabads zurückgezogen - da flogen schon die ersten Raketen in den Himmel. Das Feuerwerk galt einem, der schon in der Vergangenheit gefeiert wurde: Imran Khan.

Noch keiner der Anhänger des Kricket-Nationalhelden und Spitzenkandidaten der Bewegung für Gerechtigkeit (Tehreek-e Insaf/PTI) hatte freilich ein offizielles Ergebnis der Parlamentswahl an diesem heiß-schwülen Tag in den Händen. Doch die ersten, inoffiziellen Ergebnisse, die die PTI in Führung sahen, befeuerten ihre Feierlaune.

So unberechenbar wie der Flug einer Feuerwerksrakete ist nun die Zukunft der südasiatischen Atommacht. Denn die Stimmabgabe wird von massiven Vorwürfen der Wahlmanipulation überschattet. Die beiden etablierten Parteien, die Pakistanische Muslim-Liga (PML-N) von Nawaz Sharif und die Pakistanische Volkspartei (PPP) erklärten noch in der Wahlnacht, das Ergebnis nicht anzuerkennen. Mehrere kleinere Parteien schlossen sich an.

Indirekt wird das Militär beschuldigt, zugunsten Imran Khans eingegriffen zu haben. Schon jetzt gibt es Befürchtungen, die Unklarheiten rund um den Wahlgang könnten das Land ins politische Chaos stürzen.

Bereits 2013 gab es Vorwürfe der Wahlfälschung, die weit weniger seriös waren und nur von einer Partei, der PTI, kamen. Sie resultierten in monatelangen Protesten. «Wenn sich nun alle Betroffenen zusammentun, können wir viel Unruhe in Pakistan erwarten», sagt der Assistenzprofessor für Südasienstudien an der Universität St. Gallen, Paul Rollier.

Dabei war die Euphorie in dem 207-Millionen-Land vor der Wahl groß: Die Stimmabgabe sollte die Demokratie in dem Land stärken, in dem mit diesen Wahlen erst zum zweiten Mal in seiner Geschichte die Macht von einer demokratischen Regierung nach einer vollen Amtsperiode an die nächste übergeben wird. Pakistan wurde fast während der Hälfte seiner 71-jährigen Geschichte von der Armee geführt, die immer wieder die zivile Regierung von der Macht drängte oder putschte. Die Militärs trauten den Zivilisten nicht, das Land richtig zu führen, heißt es.

Das Militär bestreitet allerdings jegliche politische Einmischung. Analysten bereiten aber nicht nur die Vorwürfe des Wahlbetrugs Sorge. Die Demokratie kränkelt in der südasiatischen Atommacht auch an anderen Enden: Die Redefreiheit ist durch das Blasphemiegesetz stark beschnitten, wonach bereits Dutzende Menschen wegen Beleidigung des Propheten Mohammed zum Tode verurteilt worden sind.

Auch Minderheiten in Pakistan beklagen Diskriminierung: Christen leben marginalisiert, in wiederkehrender Regelmäßigkeit werden junge Hindu-Frauen gekidnappt, zwangsverheiratet und gezwungen, zum Islam konvertieren.

Außenpolitisch driftet Pakistan schon seit mehreren Jahren weg vom Westen Richtung China und Russland. Die Beziehungen mit den USA verschlechterten sich bereits vor der neuen Administration in Washington. Doch Aussagen des US-Präsidenten Donald Trump, Pakistan würde Milliarden Dollar erhalten, aber gleichzeitig jenen Terroristen Schutz bieten, die die USA bekämpften, brachten sie auf einen neuen Tiefpunkt. Der Wahlgewinner Imran Khan hat seinerseits die Vereinigten Staaten lange für US-Drohnenangriffe in Pakistan kritisiert.

Er fuhr aber auch immer wieder eine harte Linie gegenüber dem Erzfeind Indien. In der Fernsehansprache, in der Khan noch vor den offiziellen Resultaten seinen Wahlsieg erklärte, gab er sich allerdings versöhnlicher. Er strebe gute Beziehungen zu den Nachbarstaaten an, denn Frieden in Afghanistan bedeute Frieden in Pakistan. Sollte Indien einen Schritt auf Pakistan zugehen, wird Pakistan zwei Schritte machen.

Beobachter aber bezweifeln ob der Macht des Militärs, dass Khan diese Möglichkeit haben wird. «Ich bin mir nicht sicher, ob Khan jemals in der Lage sein wird, unabhängige Entscheidungen in der Außenpolitik oder der inneren Sicherheit zu treffen», sagte Gul Bokhari, ein Politik-Analyst aus der östlichen Stadt Lahore. (dpa)