Zentralrat der Juden: «Religionsfreiheit europaweit unter Beschuss»

Das sogenannte Schächten sorgt seit Jahren für Diskussionen zwischen Tierschützern und religiösen Gemeinschaften. In Teilen Belgiens kommt nun ein Gesetz, das das Schlachten ohne Betäubung verbietet. Einige sehen darin ein verheerendes Signal.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland warnt vor einer Bedrohung der Religionsfreiheit in Europa. Anlass ist ein neues belgisches Verbot des Schlachtens ohne Betäubung, das nach religiösen Vorschriften im Judentum und im Islam praktiziert wird. «Das Verbot des betäubungslosen Schächtens, das nun auch in der Wallonie in Kraft tritt, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Religionsfreiheit europaweit unter Beschuss ist», sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.

Das neue Gesetz tritt kommenden Sonntag (1. September) im französischsprachigen Teil Belgiens in Kraft. Es sieht vor, dass Tiere nicht mehr ohne vorherige Betäubung geschlachtet werden dürfen. Begründet wird dies mit dem Tierschutz. Im nördlichen Teil Belgiens, in Flandern, gilt ein ähnliches Gesetz bereits seit Anfang 2019.

Schuster sagte der dpa, er hoffe, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Verbot aufhebe und die Religionsfreiheit in seinem Urteil «angemessen berücksichtigt». Der EuGH ist mit der Frage befasst, nachdem die jüdische Gemeinschaft in Belgien gegen das bereits geltende Gesetz in Flandern geklagt hatte. Das EuGH-Urteil dürfte in einigen Monaten kommen und Signalwirkung für ganz Europa haben. Das Schlachten ohne Betäubung ist auch in anderen EU-Staaten wie Schweden oder Dänemark verboten. In Deutschland können aus religiösen Gründen Ausnahmen erteilt werden.

Auch der Vorsitzende des Europäischen Jüdischen Kongresses, Menachem Margolin, sieht in den belgischen Gesetzen ein verheerendes Signal: «Das ist eine starke Botschaft, dass die jüdische Gemeinschaft nicht wirklich willkommen ist», sagte er der dpa. Die Gesetze schränkten die Religionsfreiheit ein.

Der Vorsitzende der belgischen Tierschutzorganisation Gaia, Michel Vandenbosch, widerspricht. Er betont, dass es nicht um Eingriffe in die Religionsfreiheit gehe, sondern um den Tierschutz. Die Reaktion einiger religiöser Führer seien übertrieben. Die Gesetze seien in demokratischen Prozessen mit großer Mehrheit und Stimmen aus allen Parteien beschlossen worden. «Das ist kein Gesetz, das das rituelle Schlachten verbietet, sondern nur das Schlachten ohne vorherige Betäubung», sagte Vandenbosch.

Die Diskussion über das Schächten läuft schon seit Jahren. Eine «einvernehmliche Bewertung» ist nach Angaben des deutschen Bundeszentrums für Ernährung nicht in Sicht. «Aus tiermedizinischer Sicht ist eine Betäubung vor der Schlachtung unentbehrlich, um mögliche Todesängste und Schmerzen beim Entbluten zu verhindern.» (dpa)