Zeichen gegen die Zerstörung - Kunstschätze aus IS-Gebieten in Rom

In den vergangenen zwei Jahren machte die Terrormiliz IS nicht nur mit grausigen Mordtaten Schlagzeilen, sondern auch mit der Zerstörung antiker Kulturgüter. Drei von ihnen wurden jetzt in Italien rekonstruiert. Von Klaus Blume

Dem Stier von Nimrud müsste das Kolosseum eigentlich richtig jung vorkommen. Einst hütete die mehrere Meter große geflügelte Tierfigur den Thronraum von König Assurnasirpal II. (883-859 vor Christus) in der assyrischen Hauptstadt Nimrud (heute Irak) - knapp tausend Jahre bevor das berühmteste römische Amphitheater errichtet wurde. Jetzt steht das stolze Stück in einem der umlaufenden Korridore des Monumentalbaus und kann dort von Besuchern bestaunt werden - allerdings nicht im Original, denn religiöse Fanatiker der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben es 2015 zerstört.

Die originalgetreue Reproduktion im Maßstab eins zu eins ist Teil der Ausstellung «Wiedererstehen aus Zerstörung», die von Freitag an für das Publikum geöffnet ist. Italienische Denkmalschützer wollen mit ihr ein Zeichen setzen gegen die Kulturbarbarei in Kriegsgebieten in Syrien und im Irak. Zu sehen sind Kunstschätze von drei Schauplätzen des Alten Orients.

Die Videos von den Zerstörungen in Nimrud gingen im vorigen Jahr um die Welt. Noch bekannter ist der Fall der syrischen Oasenstadt Palmyra, die im Mai 2015 vom IS erobert und im März dieses Jahres von der syrischen Armee mit russischer Hilfe zurückerobert wurde. Die radikalen Islamisten sprengten im Sommer 2015 den im Jahr 32 nach Christus geweihten Baal-Tempel, die Italiener haben nun einen Teil der kunstvollen Decke rekonstruiert.

Am weitesten zurück geht die Geschichte des Archivs von Ebla im nördlichen Syrien, das in der Zeit um 2300 vor Christus entstand und ab 1964 von italienischen Archäologen ausgegraben wurde. Es wäre also mehr als doppelt so alt wie das zwischen 72 und 80 n. Chr. Errichtete Kolosseum - wenn es der IS nicht ebenfalls zerstört hätte. Nun ist im Kolosseum eine Rekonstruktion der Grundmauern und einer Vielzahl beschriebener Steintafeln zu sehen.

«Wir wollen zeigen, dass alles, was zerstört wurde, wieder aufgebaut werden kann», sagte der Initiator Francesco Rutelli, Präsident des Vereins «Incontro di Civiltà», bei der Präsentation der Schau amDonnerstag. Er war nach eigenen Worten vor einigen Jahren auf die Zerstörungen in der Kriegsregion aufmerksam geworden, als er Satellitenbilder der vom Bürgerkrieg in Syrien verwüsteten Stätte Apameia am Orontes sah. Bald darauf hätten die gezielten Zerstörungen von Kulturgütern durch den IS begonnen.

Die Rekonstruktionen wurden von drei italienischen Firmen in Rom, Florenz und der Emilia-Romagna unter Einsatz modernster Technik wie 3D-Druckern erstellt. Grundlage waren Fotos, Filmaufnahmen und Zeichnungen, soweit vorhanden. Verschiedenste Werkstoffe wurden eingesetzt, mit Marmorstaub wurden die Reproduktionen auf alt getrimmt. Die Kosten der Arbeiten beziffert Rutelli auf 160.000 Euro, die ausschließlich aus privaten Quellen flossen.

Rutelli, ein früherer italienischer Kulturminister und ehemaliger römischer Bürgermeister, zitiert als Negativbeispiel Afghanistan, wo die Taliban 2001 zwei riesige Buddhastatuen im Bamian-Tal sprengten, die in 15 Jahren nie rekonstruiert wurden. Das solle in Syrien oder im Irak nicht geschehen.

Außer den kunstvollen Nachbildungen sind in der Ausstellung in Rom auch zwei Originale zu sehen: Die Büsten einer Frau und eines Mannes, die im zweiten oder dritten Jahrhundert entstanden, als Palmyra zum römischen Weltreich gehörte. IS-Kämpfer haben ihre Gesichter zerstört.

Nach der Befreiung der Stadt wurden sie in Zusammenarbeit mit syrischen und libanesischen Behörden legal nach Italien gebracht. Hier sollen sie nun rekonstruiert werden, danach wollen sie die Römer nach Palmyra zurückbringen. (dpa)

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