Wissenschaftler kritisieren mangelnde Erforschung des Salafismus

Islamwissenschaftler und Migration-Experten kritisieren eine mangelnde Erforschung des Salafismus an Hochschulen. Bis heute gebe es keine empirisch abgesicherten Erkenntnisse zum Ablauf von Radikalisierungsprozessen bei Islamisten, erklärte der Islamwissenschaftler Michael Kiefer bei einer Anhörung im nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf. Über die Rahmenbedingungen der Salafismus-Prävention gebe es nur unzureichende Erkenntnisse.

Der Wissenstransfer von der Praxis zur Forschung sei unzureichend, so Kiefer. Die bisherigen Forschungsprojekte unterlägen zeitlichen Befristungen. Dadurch entstehe ein Kompetenz- und Wissensverlust.

Derzeit berät das Landesparlament über eine "stimmige Gesamtstrategie" gegen Salafismus in NRW. Hier hat der Verfassungsschutz gegenwärtig 3.100 radikale Salafisten im Visier. Dem Salafimus-Präventionsprogramm "Wegweiser" bescheinigte Kiefer "positive Alleinstellungsmerkmale" gegenüber allen anderen Ländern. Allerdings müsse die "monothematische Ausrichtung" kritisch hinterfragt werden, sagte der Wissenschaftler vom Institut für Islamische Theologie in Osnabrück.

Die ausschließliche Befassung mit dem Phänomen des Salafismus und Islamismus berge gewisse Risiken, weil sie zu "einer negativen Markierung der Zielgruppe" beitragen könne, erklärte Kiefer. Das wiederum könne Verweigerungshaltungen und Abwehr bei den eigentlichen Adressaten des Präventionsprogramms erzeugen. In der Schule und Jugendhilfe mache die isolierte Bearbeitung eines Phänomens wenig Sinn. In einer pluralen Zuwanderungsgesellschaft sei neben dem Salafismus beispielsweise auch türkischer Ultranationalismus oder Rechtsextremismus unter Russlanddeutschen vorzufinden.

Der Geschäftsführer des "Multikulturen Forums", Kenan Kücük, sprach sich dafür aus, das "Wegweiser"-Programm um den "transnationalen Extremismus" zu erweitern. Immer häufiger berichteten Lehrer aus ihren Schulen von Konflikten, die ihren Ursprung im Extremismus von Grauen Wölfen oder Muslimbrüdern hätten. Salafisten und Rechtsextremisten befeuerten sich gegenseitig. Beide Gruppierungen verbinde der Kampf gegen Pluralität und Demokratie.

Zudem müsse die deutsche Politik eine zunehmende Islamfeindlichkeit im Blick behalten, mahnte Kücük. Im Arbeitsalltag sozialer Träger seien hier "besorgniserregende Entwicklungen" zu beobachten. Diese Erscheinungen stünden "in Wechselwirkung" zum anwachsenden Salafismus. (KNA)