Wende unter Papst Franziskus: Wieder Dialog mit Al-Azhar

Sechs Jahre lang hat sich im Dialog zwischen dem Vatikan und der Al-Azhar-Universität nichts getan. Unter Papst Franziskus ist jetzt die Wende gelungen. Die alten Differenzen in den beiderseitigen Beziehungen scheinen überwunden. Von Stefanie Stahlhofen

Eingeleitet wurde die Wende am 23. Mai 2016. Damals war der Großimam der sunnitischen Al-Azhar-Universität, Ahmed Mohammed al-Tayyeb, als erster führender Geistlicher aus Ägypten zu einem Besuch im Vatikan nach Rom gereist. Gut 30 Minuten dauerte die Begegnung zwischen dem Papst und dem Großimam, an deren Ende die Vereinbarung stand, den Dialog wieder aufzunehmen. Anschließend bezeichnete der Vatikan die Unterredung als "historisch".

Im Februar dieses Jahres war es dann so weit. Beide Seiten nahmen offiziell wieder die Gespräche auf. Er sei zuversichtlich, so seinerzeit der vatikanische "Dialog-Minister", der französische Kardinal Jean-Louis Tauran, dass der Dialog mit der renommierten Institution "nach einer langen Eiszeit endlich wieder an Fahrt aufgenommen und auch konkrete Züge angenommen" habe.

In den zurückliegenden Jahren war die islamische Hochschule auf Distanz zum Vatikan gegangen. Die ägyptische Seite hatte sich 2011 darüber empört, dass Benedikt XVI. nach Anschlägen auf Kopten öffentlich einen besseren Schutz der Christen im Land am Nil forderte. Zuvor hatte bereits 2006 die "Regensburger Rede" des deutschen Pontifex zu einer Abkühlung der Kontakte zwischen der Al-Azhar-Universität und dem Vatikan geführt.

Derzeit sieht es danach aus, als würde sich der Neuanfang bestätigen. Und auch der Kurs zwischen beiden Seiten scheint festzustehen: Gemeinsam gegen Gewalt und für Frieden. Diese Orientierung gaben Franziskus und Großimam al-Tayyeb bereits Ende April vor. Damals sprachen beide während des Papstbesuchs in Ägypten bei einem internationalen Friedenstreffen an der Universität in Kairo. Diese Begegnung hat neuen Schwung in den Dialog gebracht.

Anfang Juli reiste eine Delegation des Päpstlichen Rats für interreligiösen Dialog zu Gesprächen mit Vertretern des Al-Azhar-Dialogzentrums nach Kairo. Zum Abschluss teilten beide Seiten mit, man strebe gemeinsam "gewinnbringende und wirksame interreligiöse" Beziehungen an, mit dem besonderen Ziel, "den Frieden und die Schaffung einer gerechteren Welt" zu fördern.

Bei dem Treffen wurden der bisherige Austausch zwischen der sunnitischen Hochschule und dem Vatikan sowie die Reden des Papstes und des Großimams al-Tayyeb bei der Friedenskonferenz gewürdigt. Die nach den jüngsten Gesprächen der Delegation aus Rom veröffentlichte Erklärung, so heißt es, stehe nicht nur "im Kielwasser" des 1998 begonnenen Dialogs zwischen der Al-Azhar-Universität und dem Vatikan, sondern auch "im Licht" der Kairoer Reden des Papstes und des Großimams.

Franziskus ist während seines Besuchs in Ägypten offensichtlich die diplomatische Gratwanderung gelungen: Er stellte Terror und Gewalt gegen die Kopten nicht in den Mittelpunkt, wohl aber den Extremismus. In Erinnerung blieb die Aussage in seiner Predigt: "Der einzige Extremismus, der für die Gläubigen zulässig ist, besteht in der Nächstenliebe". Bei der Friedenskonferenz schlug der Papst ähnliche Töne an: Gewalt sei "die Verneinung jeder authentischen Religiosität".

Sechs Jahre lang hat sich im Dialog zwischen dem Vatikan und der Al-Azhar-Universität nichts getan. Unter Papst Franziskus ist jetzt die Wende gelungen. Die alten Differenzen in den beiderseitigen Beziehungen scheinen überwunden. Hier sind Franziskus und al-Tayyeb auf einer Linie. Der Großimam hatte bereits 2015 gesagt, Extremismus entstehe aufgrund einer "nicht korrekten Interpretation des Koran". Vor seiner Rede beim Friedenstreffen in Kairo bat er zudem um eine Schweigeminute für alle Opfer, "als Zeichen des Trostes für die Angehörigen unabhängig ihrer kulturellen und religiösen Zugehörigkeit". (KNA)