Weiter regimekritische Proteste im Iran - Zusammenstöße an Uni

Die Protestwelle im Iran ebbt nicht ab, auch in Deutschland gehen zunehmend Menschen gegen die dortigen Machthaber auf die Straßen. Die EU könnte bald mit Sanktionen gegen die Führung der Islamischen Republik reagieren.



Teheran. Die Proteste gegen die Machthaber im Iran gehen weiter: An der Universität Scharif in der Hauptstadt Teheran gingen in der Nacht zum Montag Sicherheitskräfte örtlichen Medienberichten zufolge mit massiver Gewalt gegen Studierende vor, die gegen das repressive islamische System demonstrierten. Der oberste geistliche Führer des Landes, Ali Chamenei, stellte die Aktionen als Verschwörung der USA, Israels und der «iranischen Verräter im Ausland» dar. Die Bundesregierung setzt sich mit mehreren anderen EU-Staaten für Sanktionen gegen die Islamische Republik ein.



Nach Protesten an der Universität Scharif riegelten Polizisten und Milizen nachts den Campus ab. Auch mehrere Professoren der Elite-Universität sollen nach Angaben des iranischen Nachrichtenportals «Emtedad» verprügelt worden sein.



Auslöser der Demonstrationen ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Mitte September. Die Sittenpolizei hatte sie wegen ihres angeblich «unislamischen Outfits» festgenommen. Was mit Amini danach geschah, ist unklar. Die Frau fiel ins Koma und starb am 16. September in einem Krankenhaus. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben; die Polizei weist das zurück. Seit dem Tod der jungen Frau demonstrieren landesweit Tausende Menschen gegen den repressiven Kurs von Regierung und Sicherheitskräften sowie den Kopftuchzwang.



Chamenei hatte lange nicht auf die Proteste reagiert. Am Montag machte er dann deutlich, dass er die Reaktionen auf den Tod der Frau für überzogen hält. Dies sei weder normal noch akzeptabel. Wörtlich sagte er: «Diese Randale sind eine von den USA, dem zionistischen Regime (Israel) und iranischen Verrätern im Ausland programmierte Operation, um die Sicherheit des Landes zu torpedieren.» Es gehe den USA und dem Westen weder um die im Polizeigewahrsam gestorbene Amini noch um den Kopftuchzwang im Iran. «Keiner in den USA trauert um die gestorbene Frau, sondern es geht hier lediglich um die Unabhängigkeit der Islamischen Republik und ihren Widerstand (gegen die USA)», sagte Chamenei im Staatssender IRIB.



Chamenei ist Staatsoberhaupt und militärischer Oberbefehlshaber sowie zugleich auch die höchste geistliche Instanz. Laut Verfassung hat er in allen strategischen Belangen das letzte Wort und ein Vetorecht.



Beim Vorstoß für EU-Sanktionen arbeitet Deutschland mit Frankreich, Dänemark, Italien, Spanien und Tschechien zusammen. Gemeinsam habe man den Partnern in der EU 16 konkrete Vorschläge unterbreitet, gegen welche Einzelpersonen und Organisationen im Iran Sanktionen verhängt werden sollten, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Für diejenigen, die für den Tod Mahsa Aminis und die gewalttätige Unterdrückung der Proteste die Verantwortung trügen, müsse es Konsequenzen geben.



Nach Informationen des «Spiegel» handelt es sich bei den Gelisteten vor allem um «Vertreter des iranischen Unterdrückungsapparats». Auch politische Repräsentanten seien darunter, so das Nachrichtenmagazin.



Demnach ist es das Ziel, dass die EU-Außenminister die Sanktionen bei ihrem Treffen am 17. Oktober beschließen. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, man arbeite mit Hochdruck daran, die Vorschläge umzusetzen.



Zu den Protesten an der Universität Scharif war in sozialen Medien von «bürgerkriegsähnlichen» Zuständen die Rede. Die iranischen Medien wiesen diese Berichte als übertriebene Stimmungsmache gegen das System zurück. Der Unterricht an der Universität wurde bis auf weiteres eingestellt. Nach Angaben des Nachrichtenportals Aftab-News finde er nur noch online statt. Studenten zufolge ist das wegen der Internetsperren, die im Zusammenhang mit den systemkritischen Protesten verhängt wurden, aber derzeit kaum machbar.



Außenministerin Annalena Baerbock sagte den regierungskritischen Demonstranten im Iran ihre Unterstützung zu. «Wir schauen hin. Wir stehen an eurer Seite», sagte die Grünen-Politikerin am Sonntag in Hannover. «Wir können hinschauen. Wir können die Stimme dieser Frauen sein.» In deutschen Städten gingen mehr als 10 000 Menschen auf die Straße, zeigten ihre Solidarität mit den Demonstranten im Iran und protestierten gegen die Diskriminierung von Frauen dort. (dpa)