Was Sie über die Rohingya wissen müssen: 9 Fragen, 9 Antworten

Warum sind die Rohingya eine der am meisten verfolgten Minderheiten der Welt? Und worum geht es bei dem Konflikt zwischen der buddhistischen Mehrheit und den muslimischen Rohingya in Myanmar?  Von Shamil Shams

Wer sind die Rohingya?

Die Rohingya sind eine ethnische Minderheit in Myanmar. Sie leben vor allem im  Rakhaing-Staat im Westen Myanmars, der an Bangladesch grenzt. Die Rohingya haben jedoch keinen Anspruch auf die myanmarische Staatsbürgerschaft. Seit Jahrzehnten werfen Kritiker der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit des Landes vor, die Rohingya zu diskriminieren und gewaltsam zu unterdrücken. Jedes Jahr versuchen tausende Rohingya zu fliehen, um muslimisch geprägte Länder wie Malaysia und Indonesien zu erreichen.

Warum sind die Rohingya staatenlos?

Die myanmarische Regierung verweigert den Rohingya die Staatsbürgerschaft des Landes, da sie die schätzungsweise 1,1 Millionen Rohingya als illegale Einwanderer aus dem Nachbarland Bangladesch betrachtet. Myanmar wendet sich auch gegen den Gebrauch des Namens "Rohingya" in UN-Dokumenten. Die Regierung von Myanmar hat sich nur für den Fall bereiterklärt, ihnen die Staatsbürgerschaft zu gewähren, wenn sich selbst als Bengalen bezeichnen, was die Rohingya strikt ablehnen. 

Wann schlug der Konflikt in Gewalt um?

Bei Zusammenstößen zwischen Rohingya und buddhistischen Nationalisten 2012 kamen zahlreiche Menschen ums Leben, anschließend flohen zehntausende Rohingya nach Bangladesch, Malaysia, Thailand und Indonesien. Seit den Unruhen von 2012 leben rund 200.000 Menschen, hauptsächlich Rohingya, in Lagern im Rakhaing-Staat. Im Oktober 2016 griffen militante Rohingya mehrere Kontrollposten an und töteten zahlreiche Polizisten. Die myanmarischen Sicherheitskräfte reagierten mit Maßnahmen gegen die Aufständischen. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch und Amnesty International gehörten zu diesen Gegenmaßnahmen willkürliche Tötungen, systematische Vergewaltigungen, das Niederbrennen von Häusern und die Vertreibung.

Wie kam es zur jüngsten Gewaltwelle?

Am 25. August griffen etwa hundert muslimische Aufständische im Rakhaing-Staat im Grenzgebiet zu Bangladesch myanmarische Sicherheitskräfte an. Diese und militante Rohingya werfen sich gegenseitig vor, ganze Dörfer niedergebrannt und massenhaft Menschen getötet zu haben. Rund 400 Menschen kamen dabei ums Leben, nach offiziellen myanmarischen Angaben sind die meisten der Todesopfer Aufständische. Durch die Gewalt, die schlimmste seit Jahren in Myanmar, sind tausende Menschen ins benachbarte Bangladesch geflohen.

Welche Rolle spielt Bangladesch?

Das muslimisch geprägte Bangladesch hat die Rohingya keineswegs mit offenen Armen empfangen, im Gegenteil, die Regierung versucht, die Zahl der über die Grenze fliehenden Rohingya zu begrenzen. Trotz andauernder Kämpfe in Myanmar werden Rohingya-Flüchtlinge, die es nach Bangladesch schaffen, verhaftet und gewaltsam zurückgeschickt. Gleichwohl ist zehntausenden Rohingya die Flucht nach Bangladesch gelungen. Mindestens 150.000 von ihnen leben in Flüchtlingslagern unter erbärmlichen Bedingungen.

Sind die Rohingya radikaler geworden?  

Der Konflikt ist in den vergangenen Jahren auch zu einem religiösen Konflikt geworden. Im Dezember vergangenen Jahres schrieb die Brüsseler Organisation International Crisis Group, ICG, in einem Bericht, eine Gruppe Rohingya, die im Oktober 2016 myanmarische Grenzbeamte angegriffen hatte, habe Kontakte zu Islamisten. Islamistische Gruppen wie die Taliban, der "Islamische Staat" oder der Al-Kaida-Zweig auf dem indischen Subkontinent haben die Gewalt gegen die Rohingya in Myanmar wiederholt verurteilt und zu einem heiligen Krieg gegen die Regierung in Myanmar und die buddhistische Mehrheitsbevölkerung aufgerufen.

Warum schweigt Aung San Suu Kyi?

Die Stimmen mehren sich, die von Myanmars Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi eine Verurteilung der Verfolgung der Rohingya fordern. Human Rights Watch hat es als unentschuldbar bezeichnet, dass Suu Kyi zu dem Konflikt schweigt. Sogar der Dalai Lama hat die Friedens- und Demokratieikone aufgerufen, sich zu äußern. Doch sie steckt in einem Dilemma. Als Kämpferin für die Menschenrechte, als die sie weltweit betrachtet wird, wäre es ihre Pflicht, das Schicksal der Rohingya und das Vorgehen der Regierung sowie der buddhistischen Volksmehrheit gegen die Rohingya, allerdings auch die Gewalt, die von militanten Rohingya ausgeht, zur Sprache zu bringen. Doch Suu Kyi, die de facto die Regierung führt, will nicht die Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit verlieren.

Kann man von einem Völkermord an den Rohingya sprechen?

Die malaysische Regierung und verschiedene Aktivisten werfen Myanmar einen Völkermord an den Rohingya-Muslimen vor. Die Regierung von Myanmar lehnt diesen Vorwurf strikt ab. Der Historiker Boris Barth, der 2006 ein Buch über das Thema Völkermord geschrieben hat, sagte der Deutschen Welle, man solle den Ausdruck "Völkermord" vorsichtig gebrauchen, nämlich nur dann, wenn klar sei, dass die Regierung eine Volksgruppe oder einen Teil von ihr auszulöschen versuche. Eine eher strenge Auslegung des Ausdrucks "Völkermord", betont Barth, stelle aber keineswegs eine Trivialisierung der verübten Verbrechen dar.

Steckt mehr hinter dem Konflikt?

Allgemein gilt der Konflikt zunächst als religiöses Problem. Verschiedene Experten sagen aber, es steckten politische und wirtschaftliche Gründe dahinter. Siegfried Wolf von der Brüsseler Denkfabrik South Asia Democratic Forum meint gegenüber DW: "Die Muslime in Myanmar und vor allem die Rohingya, haben es mit einer tiefverwurzelten Islamophobie in einer mehrheitlich buddhistischen Gesellschaft zu tun. Fundamentalisten glauben, die buddhistische Kultur und Gesellschaft seien durch Muslime bedroht, vor allem, da Myanmar von muslimischen Ländern wie Bangladesch, Malaysia und Indonesien umgeben ist." Wolf sieht aber auch einen wirtschaftlichen Aspekt: "Der Rakhaing-Staat ist eine der ärmsten Regionen des Landes, obwohl er rohhstoffreich ist. Die Rohingya werden somit als wirtschaftliche Last und als Konkurrenz um die wenigen vorhandenen Arbeitsplätze empfunden." Daher, so Wolf, seien die Ressentiments gegen die Rohingya nicht nur religiös bedingt, sondern auch politisch und wirtschaftlich. (DW)

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