Wahl ohne Wahl: Assad lässt in Syrien neues Parlament bestimmen

Eigentlich soll es bei den Genfer Syriengesprächen um die politische Zukunft des Bürgerkriegslandes gehen. Das Regime hält trotzdem an der Abstimmung über eine neue Volksvertretung an diesem Mittwoch fest. Von einer freien und fairen Wahl kann aber keine Rede sein. Von Jan Kuhlmann

Zumindest nach außen hin will das syrische Regime den Schein wahren, dass es in dem Bürgerkriegsland ein normales politisches Leben gibt. So tauchten an den Straßen und Kreuzungen der Hauptstadt Damaskus Wahlplakate von Kandidaten auf, die an diesem Mittwoch einen Sitz im syrischen Parlament gewinnen wollen. Männer und Frauen werben darauf für sich und eine bessere Zukunft des Landes.

Regierungstreue Medien berichten, diesmal träten viele weibliche und junge Kandidaten an. Und das regimeergebene Blatt «Al-Watan» zitiert «Quellen», man rechne mit einem großen Interesse der Wähler. Der Wettbewerb zwischen den Kandidaten sei scharf. Von politischer Normalität allerdings ist Syrien im mittlerweile sechsten Jahr des Bürgerkriegs weit entfernt.

Noch immer wird in vielen Teilen des Landes gekämpft, gerade in den vergangenen Tagen hat die Gewalt wieder zugenommen. Aber nicht nur deswegen halten Gegner des Regimes die für diesen Mittwoch angesetzten Wahlen zur syrischen «Volksversammlung» für eine Farce.

Generell gilt das syrische Parlament als der Ort, an dem Präsident Baschar al-Assad und sein Regierungsclan ihre Politik von den 250 Abgeordneten abnicken und bejubeln lassen. Die Kammer - zuletzt vor vier Jahren gewählt - ist fest in der Hand der regierenden Baath-Partei, woran auch die neue Abstimmung nichts ändern dürfte.

Nach mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg ist Syrien zudem ein geteiltes Land. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) oder Rebellen kontrollieren große Regionen - Wahlen wird es hier nicht geben, auch wenn die Regierung verspricht, Syrer aus diesen Gebieten dürften in anderen Provinzen abstimmen. Nicht einmal die genaue Wählerzahl konnte oder wollte die Regierung bisher mitteilen. Auch die mehr als vier Millionen ins Ausland geflohenen Syrer haben kein Stimmrecht.

Auffällig ist auch die große Zahl der Frauen und Männer, die ihre Kandidatur zurückgezogen haben. Ursprünglich wollten sich rund 11.000 Syrer um einen Sitz im Parlament bewerben. Übrig geblieben sind am Ende lediglich 3500. Es sei eine normale Angelegenheit, dass so viele Kandidaten aufgegeben hätten, ließ der Chef der Wahlkommission, Hischam al-Schaar, dazu nur wissen. Sie hätten festgestellt, dass sie für die Wahl nicht geeinigt seien und kaum Chancen hätten.

Selbst die vom Regime geduldeten inländische syrische Opposition hält die Abstimmung für so undemokratisch, dass sie zu einem Boykott aufrufen hat. Es handele sich um den Versuch der Regierung, eine politische Lösung für den Bürgerkrieg zum Scheitern zu bringen, sagte Hassan Abd al-Asim, Vorsitzender des Oppositionsbündnisses Nationales Koordinierungskomitee.

Auch die USA haben eine klare Meinung: Washington betrachte die Wahlen nicht als legitim, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Mark Toner: «Sie repräsentieren nicht den Willen des syrischen Volkes.» Russland, im Bürgerkrieg neben dem Iran Assads wichtigster Verbündeter, schweigt hingegen offiziell.

Dabei dürfte auch Moskau keinen allzu großen Gefallen an den Wahlen finden. Viele Beobachter sehen die Abstimmung nämlich als weiteres Störfeuer für die dritte Runde der Genfer Friedensgespräche, die ebenfalls an diesem Mittwoch beginnen soll und an deren Fortschritt auch Russland ein Interesse hat.

Bislang stecken die Verhandlungen im Anfangsstadium fest. Die Konfliktparteien saßen sich bisher noch nicht einmal direkt gegenüber. Stattdessen versuchte vor allem das Regime, mit Gesprächen über Formalien die Handbremse festzuziehen.

UN-Vermittler Staffan de Mistura hat vor Beginn der neuen Runde klar gemacht, dass er jetzt in Genf zügig auf konkrete Fragen zu sprechen kommen will. Ein zentrales Thema: freie und faire Wahlen für alle Syrer unter Aufsicht der Vereinten Nationen. Sie sollen am Ende eines 18-monatigen Prozesses stehen. Das Regime hat allerdings schon klar gemacht, dass seine Delegation erst am Freitag für Gespräche bereit sei. Offizielle Begründung: die Parlamentswahl am Mittwoch. (dpa)