Wahl Barham Salehs zum irakischen Staatspräsidenten: Politischer Umbruch in Bagdad

Die Wahl von Barham Saleh zum irakischen Staatspräsidenten und von Abdel Mahdi zum Regierungschef wirbelt die politische Szene in Bagdad durcheinander. Erstmals seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Saddam Hussein 2003 wird die schiitische Dawa-Partei im Irak nicht den Ministerpräsidenten stellen. Auch die Demokratische Partei Kurdistans (PDK) von Massud Barsani hat bei der Präsidentenwahl eine Niederlage erlitten. Experten hoffen nun auf einen politischen Neuanfang.

Die Vergabe der Posten an Politiker von außerhalb der Dawa-Partei und der PDK "bricht auf positive Weise mit der alten Praxis", sagt Fanar Haddad von der Universität Singapur. Bisher sei die irakische Politik ein Nullsummenspiel gewesen, in dem die Gewinne der einen Seite die Verluste der anderen bedeutet hätten, ohne dass es Platz für neue Kräfte gegeben habe. Nun sei es möglich, dass der Irak die bisherige Politik hinter sich lasse.

Am Dienstag war nach stundenlangem Ringen zwischen der kurdischen PDK und der rivalisierenden Patriotischen Union Kurdistans (UPK) deren Kandidat Saleh vom Parlament zum Staatspräsidenten gewählt worden. Die Partei des früheren Regionalpräsidenten Kurdistans, Barsani, hatte versucht, ihren Kandidaten Fuad Hussein durchzusetzen. Doch am Ende erlitt sie eine vernichtende Niederlage mit 219 Stimmen für Saleh und nur 22 für Hussein.

Barsani habe bei dem Griff nach dem Präsidentenamt "einen wichtigen Faktor" vergessen, sagt der Soziologe Adel Bakawan von der Pariser Hochschule EHESS:. "In der kollektiven Erinnerung der arabischen Schiiten wird Barsani nicht als wichtiger politischer Akteur, sondern als Verräter gesehen, der den Irak spalten wollte", seitdem er vor einem Jahr ein Referendum über die Abspaltung der Kurdenregion organisiert hatte.

Nur zwei Stunden nach seiner Wahl beauftragte Saleh den parteilosen Politiker Mahdi mit der Regierungsbildung. Der frühere Ölminister und Vizepräsident genießt in allen politischen Lagern Respekt und ist einer der wenigen Politiker des Irak, die sowohl vom Iran als auch von den USA akzeptiert werden. Der 76-jährige unabhängige Politikveteran hat nun 30 Tage Zeit, um ein Kabinett zu präsentieren und im Parlament eine Mehrheit zu organisieren.

Die Aufgabe ist schwierig, doch wenn es tatsächlich gelingt, eine Regierung zu bilden, wäre dies "eine beispiellose Niederlage für die Dawa-Partei, die seit 2003 ihre Funktionäre in den Institutionen platziert hat, so dass sie heute dort ein Monopol besitzt", wie Soziologe Bakawan sagt. Der Partei droht nun nicht nur der Verlust von Regierungsposten, auch ihr Zugriff auf wichtige Einnahmquellen in dem hochkorrupten Land ist bedroht.

Vor der Parlamentswahl im Mai waren Ministerpräsidenten Haider al-Abadi von der Dawa-Partei gute Chancen auf eine zweite Amtszeit zugerechnet worden. Dem Schiiten war es seit seinem Amtsantritt 2014 gelungen, die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zurückzudrängen und schließlich zu besiegen. Doch bekam er weder die ausufernde Korruption in den Griff, noch konnte er die öffentlichen Dienste verbessern.

Bei der Parlamentswahl erlitt al-Abadi daher eine herbe Niederlage, während der Block von Moktada al-Sadr stärkste Kraft wurde. Der populistische Prediger forderte ebenso wie der hochangesehene Großayatollah Ali al-Sistani, der von den Schiiten als höchste religiöse Autorität betrachtet wird, eine Regierung aus parteilosen Experten. Mit Saleh und Mahdi sind nun tatsächlich zwei Experten an der Macht.

Ihr Problem ist nur, dass sie "weder die Unterstützung einer soliden Partei haben, noch eine soziale Basis", warnt Bakawan. Um eine Mehrheit zu erhalten, wird Mahdi eine Koalition aus verschiedenen Parteien schmieden müssen, was ihn zu zahlreichen Zugeständnissen zwingen dürfte. Ob die Regierung damit effizienter und weniger korrupt wird, ist ungewiss. Doch zumindest besteht die Chance auf einen Neustart in Bagdad. (AFP)