Vertreter Irans und Libanons in Bagdad zu Gesprächen über neue Regierung

Nach dem Rücktritt der irakischen Regierung sind Vertreter des Irans und der libanesischen Hisbollah-Bewegung zu Gesprächen über die Bildung eines neuen Kabinetts nach Bagdad gereist. Der iranische General Qassem Soleimani dringe darauf, dass ein bestimmter Kandidat die Nachfolge von Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi übernehme, sagte ein hochrangiger Politiker am Dienstag. Auch der Hisbollah-Vertreter Mohammed Kawtharani nehme an den Gesprächen teil.

Der hochrangige Politiker sagte, Kawtharani "spielt auch eine große Rolle dabei, die schiitischen und sunnitischen politischen Kräfte dazu zu überreden". Welchen Kandidaten sie als neuen Ministerpräsidenten einsetzen wollen, sagte der Politiker nicht. Soleimani ist als Kommandeur der Al-Quds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden seit langem ein einflussreicher Akteur in der irakischen Politik.

Die USA kritisierten, die Präsenz von Soleimani zeige, dass der Iran sich erneut im Irak "einmische". Soleimani war nach dem Beginn der Proteste im Oktober mehrfach nach Bagdad und Nadschaf gereist, um die politischen Parteien zu überreden, Abdel Mahdi nicht fallen zu lassen. Unter dem Druck der Proteste trat der 77-jährige parteilose Politiker, der 2018 als Kompromisskandidat die Regierung übernommen hatte, am Freitag aber zurück.

Die Suche nach einem Nachfolger gestaltet sich schwierig, da jeder Kandidat die Zustimmung der zerstrittenen schiitischen Parteien, der kurdischen Autonomieverwaltung im Nordirak sowie von Bagdads verfeindeten Verbündeten, Iran und USA, benötigt. Irakische Regierungsvertreter sagten, alle beteiligten Parteien suchten Garantien, dass ihre eigenen Interessen gewahrt würden. Die Gespräche seien daher "sehr schwierig".

Aus politischen Kreisen heißt es, dass die Parteien die Einsetzung einer Übergangsregierung für sechs Monate erwägen, um vor vorgezogenen Neuwahlen eine Wahlrechtsreform durchzubringen. Eine Reform des Wahlgesetzes ist eine zentrale Forderung der Demonstranten. Die Parlamentsfraktionen wollten am Dienstag über einen Gesetzesentwurf beraten, der das Parlament jünger und repräsentativer machen soll.

Trotz des Rücktritts der Regierung hielten im Südirak die Proteste weiter an, bei denen seit Anfang Oktober mehr als 420 Menschen getötet und knapp 20.000 weitere verletzt worden sind. In der Pilgerstadt Kerbela gab es in der Nacht erneut Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften, die Tränengasgranaten und scharfe Munition einsetzten. In Nadschaf wurden 35 Demonstranten durch Schrotflinten verletzt, wie Rettungskräfte mitteilten.

Mehrere Stammesführer riefen den einflussreichen Prediger Muktada al-Sadr auf, sich mit seinen Milizen zwischen die Demonstranten und die Sicherheitskräfte zu stellen, wie sein Büro mitteilte. Er reagierte zunächst aber nicht auf den Appell. Die Stammesführer im Südirak verhandeln seit Tagen mit Vertretern der Regierung über einen Ausweg aus der Krise, nachdem vergangene Woche die Gewalt eskaliert war.

Abdel Mahdi hatte mehrere Militärkommandeure in den Süden geschickt, um "die Ordnung wiederherzustellen", nachdem Demonstranten in der Nacht zu Donnerstag das iranische Konsulat in Nadschaf angezündet hatten. Allein in Nassirija erschossen die Sicherheitskräfte und bewaffnete Männer in Zivil daraufhin dutzende Demonstranten, bevor Abdel Mahdi gezwungen war, den zuständigen Kommandeur wieder abzurufen. (AFP)