USA und Saudi-Arabien gehen im Fall Khashoggi auf Konfrontation

In zehn Tagen sei sie um zehn Jahre gealtert, sagt die Verlobte des mutmaßlich getöteten saudischen Journalisten Khashoggi. Der mysteriöse Fall zieht immer weitere Kreise, und bringt zwei Verbündete gegeneinander auf. Von Mirjam Schmitt und Can Merey

Im Streit um die mutmaßliche Ermordung des saudischen Journalisten Dschamal Khashoggi in Istanbul gehen die USA und Saudi-Arabien auf Konfrontationskurs. Die staatliche saudische Nachrichtenagentur Spa berichtete am Sonntag unter Berufung auf nicht näher genannte offizielle Quellen, dass jede Handlung gegen das Land «mit einer größeren Handlung» beantwortet werde. Das Königreich weise jeden Versuch zurück, ihm schaden zu wollen, sei es durch Drohungen, dem Erlassen von Wirtschaftssanktionen, politischem Druck oder der Wiederholung falscher Anschuldigungen.

Hintergrund sind Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, dass Saudi-Arabien mit einer «schweren Bestrafung» rechnen müsse, wenn Khashoggi - der im Exil in den USA lebte - von einem saudischen Kommando in Istanbul getötet worden sein sollte. «Wir werden der Sache auf den Grund gehen, und es wird eine harte Bestrafung geben», sagte er einem Interview mit dem US-Sender CBS am Samstag (Ortszeit).

Er sagte im Gespräch aber auch, dass noch niemand wisse, was passiert sei. Auf Trumps Drohung reagierte die saudische Börse nervös. Der Index Tasi verlor am Sonntag zwischenzeitlich etwa sieben Prozent oder mehr als 500 Punkte.

Saudi-Arabien ist politisch abhängig von den USA, die Vereinigten Staaten sind auch einer der wichtigsten Wirtschaftspartner des Königreichs. Einen 110 Milliarden Dollar schweren Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien will der US-Präsident jedoch nicht aufkündigen, wie er erneut bestätigte. «Ich will keinen Jobs schaden. Ich will eine Bestellung wie diese nicht verlieren. Und wissen Sie was, es gibt andere Wege der Bestrafung - um ein ziemlich hartes Wort zu benutzen.» Saudi-Arabien ist der weltweit größte Käufer von US-Rüstungsgütern.

Khashoggi, der am Samstag 60 Jahre alt geworden wäre, hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul betreten um Papiere für seine Hochzeit abzuholen und ist seitdem verschwunden. Die türkischen Behörden gehen nach Medienberichten davon aus, dass er von einem aus Saudi-Arabien angereisten Sonderkommando getötet wurde. Es soll demnach Video- und Tonaufnahmen vom Mord geben. Woher diese stammen sollen, ist unklar.

Immer öfter taucht die Vermutung auf, dass die Türkei das Konsulat mit Abhörgeräten ausspioniert hatte. Die regierungsnahe Zeitung «Sabah» lieferte am Samstag unter Berufung auf «vertrauenswürdige Quellen» noch eine andere Erklärung: Demnach soll Khashoggi  seine eigene Exekution mit einer Computer-Uhr des Herstellers Apple aufgezeichnet haben. Sein Handy, das er seiner vor dem Konsulat wartenden Verlobten gegeben habe, sei mit der Uhr an seinem Handgelenk synchronisiert gewesen.

Allerdings zweifeln Experten wegen technischer Ungereimtheiten an dieser Version. «Ich denke, was ist passiert ist, ganz klar, ist, dass die Türken das saudische Konsulat verwanzt haben. Sie haben Übertragungsgeräte», sagte US-Sicherheitsexperte Robert Baer dem Sender CNN. So wüssten sie vermutlich, was geschehen sei. Und deshalb zögerten sie, es zuzugeben.

Khashoggis türkische Verlobte Hatice C. bestätigte der «Sabah» zwar in einem am Sonntag veröffentlichten Interview, dass der Journalist eine Apple-Uhr besessen habe, nannte aber sonst keine Details. Trump sagte, er habe Hatice C. ins Weiße Haus eingeladen. Auch Trump befürchtet, dass der Journalist nicht mehr am Leben ist.

«Unsere erste Hoffnung war, dass er nicht getötet wurde», sagte er am Samstag im Weißen Haus. «Aber das sieht vielleicht nicht so gut aus.» Trump antwortete auf die Frage, ob der Journalist möglicherweise auf Anordnung der saudischen Führung ermordet worden sei: «Es wird untersucht, das wird ganz, ganz genau angeschaut, und wir wären sehr aufgebracht und verärgert, wenn das der Fall wäre.» Er rechne in der «nicht so fernen Zukunft» mit Klarheit. Trump kündigte an, er werde noch am Wochenende den saudischen König Salman anrufen. «Ich denke, dass es angemessen für mich ist, ihn zu fragen, was los ist.»

Die Türkei kritisiert unterdessen mangelnde Zusammenarbeit der saudischen Führung bei der Aufklärung. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Samstag: «Wir haben noch keine Kooperation zum Wohl der Ermittlungen und zur Aufklärung der Sache gesehen. Die wollen wir sehen.»

Saudi-Arabien müsse dem türkischen Staatsanwalt und den Ermittlern endlich Zugang zum Konsulat verschaffen. Das Versprechen hatte die saudische Führung schon vor Tagen gegeben, bisher aber nicht erfüllt.

Hatice C. sagte der «Sabah», ihr Verlobter habe sich sicher gefühlt, als er das Konsulat betreten habe, weil bei einem vorherigen Termin Ende September alles gut gelaufen sei. Khashoggi habe ihr gesagt, dass die Konsulatsmitarbeiter sehr freundlich zu ihm gewesen seien, er aber noch einmal wiederkommen müsse, weil die Papiere noch nicht fertig seien.

Die Türkei habe noch keine offizielle Erklärung abgegeben, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Weiter sagte Hatice C.: «Auch wenn ich diese Zeit mit Geduld abwarte, bin ich in zehn Tagen um zehn Jahre gealtert. Wie gering meine Hoffnung auch sein mag, ich warte sehnsüchtig auf Dschamals Rückkehr.» (dpa)