Unterschiedliche Reaktionen auf Entscheidung zu Kinderehen

Karlsruhe/Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch in Karlsruhe entschieden, dass das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Zwar könne der Staat durchaus Kinderehen verbieten, heißt es zur Begründung. Es fehle aber an weiter gehenden Regelungen.

Als Beispiele nannte der Erste Senat Unterhaltsansprüche und eine Klärung der Möglichkeiten, eine solche Ehe nach der Volljährigkeit wirksam führen zu können. Der Bundestag muss das Gesetz bis zum 30. Juni 2024 überarbeiten. Politiker und Verbände reagierten unterschiedlich auf die Entscheidung.

Bislang konnte eine Ehe für ungültig erklärt werden, wenn einer der Betroffenen bei der Eheschließung unter 16 Jahre alt war. Im Ausgangsverfahren ging es um eine 2015 vor einem Scharia-Gericht in Syrien nach dortigem Recht geschlossene Ehe zwischen einem 1994 geborenen Mann und einer 2001 geborenen Frau. Die beiden flohen wegen des Krieges nach Deutschland. Das örtliche Jugendamt nahm die Frau in Obhut und brachte sie in einer Jugendhilfeeinrichtung unter. Der Mann wandte sich daraufhin an ein Familiengericht, um die Inobhutnahme prüfen zu lassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) legte den Fall dem Bundesverfassungsgericht vor.

Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), erklärte dazu, das Bundesverfassungsgericht relativiere damit die Nichtigkeit der Kinderehe und lasse sie faktisch nur noch als vorübergehend nichtige Kinderehe erscheinen. Es sei ausgesprochen problematisch, dass der Gesetzgeber eine Regelung einführen müsse, nach der Minderjährige die eigentlich nichtige Ehe ab Erreichen der Volljährigkeit als wirksame Ehe fortführen könnten.

Sie bemängelte zudem, dass das Gericht den Gesetzgeber auffordere, spezielle Regeln zu den Folgen der Unwirksamkeit wie etwa Unterhaltsansprüche zu erlassen. Dies sei zwar nachvollziehbar und diene gerade dem Schutz der Minderjährigen, die nicht ohne nacheheliche Ansprüche dastehen sollen. Entsprechende Regelungen seien aber nicht geeignet, dem Anreiz, aus wirtschaftlichen Gründen im Ausland eine Kinderehe einzugehen, entgegenzuwirken.

Im Grundsatz habe das Gericht aber die Regelung aus dem Jahr 2017 im Grundsatz bestätigt, so Lindholz. Der Bundesjustizminister müsse nun zügig handeln. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Sichert betonte, die Partei werde alles unternehmen, damit es keine Möglichkeit der Legalisierung von Kinderehen in Deutschland geben werde.

Die Frauenschutzorganisation terre des femmes begrüßte die Entscheidung grundsätzlich. Der Minderjährigenschutz bleibe gestärkt. Der Gesetzgeber müsse nun aber bei den Folgen einer für unwirksam erklärten Ehe nachregeln. Die Organisation forderte, jede Frühehe genau zu erfassen. Diese Erkenntnisse müssten Eingang in bestehende Präventions- und Beratungsangebote finden. Jede verheiratete Minderjährige solle zudem durch das Jugendamt betreut und über einen längeren Zeitraum umfassend über ihre Rechte aufgeklärt werden. Ausländerbehörden müssten zudem eine Ehe mit einer Minderjährigen an das Jugendamt melden.

Auch der Erlanger Jurist Mathias Rohe rief dazu auf, bei der Neufassung des Gesetzes "die Schutzinteressen der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen". Der Gesetzgeber trage eine Schutzverantwortung für Minderjährige, "auch und gerade im Hinblick auf so schwerwiegende Entscheidungen wie Eheschließungen", sagte Rohe am Mittwoch auf Anfrage.

Aus Sicht des Professors für internationales Privatrecht und islamisches Recht war zu erwarten, "dass das in aufgeregten Wahlkampfzeiten formulierte Gesetz grundlegende Bewertungsfehler enthielt, die nun korrigiert werden müssen". Das Gesetz sei unverhältnismäßig und in Teilen schädlich gewesen. (KNA)