Ungewisse Zukunft nach erbitterten Kämpfen gegen die IS-Miliz

Beirut. In den zehn Jahren des Krieges in Syrien ist die kurdische Minderheit zu einem wichtigen Verbündeten des Westens im Kampf gegen islamistische Milizen geworden. Inzwischen kontrollieren die Kurden ein großes Gebiet im Nordosten mit einer eigenen Verwaltung. Ungewiss ist, ob sie ihre bitter erkämpfte Autonomie erhalten können.



Wie hat der Krieg die Situation der Kurden verändert?

Seit Jahrzehnten prangern die Kurden ihre Diskriminierung durch die Regierung an. Der Krieg zwang Damaskus, sich auf die bewaffneten Aufständischen zu konzentrieren und gab den Kurden die Chance, sich in ihren Gebieten ein gewisses Maß an Freiheit zu schaffen. Nach dem Abzug der syrischen Armee aus ihren Gebieten gründeten sie 2013 ihre autonome Verwaltung mit Polizei, Militär und auch Schulen, in denen Kurdisch unterrichtet wird. "Vor 2011 gab es nichts, was uns Hoffnung gab. Die Kurden wurden total unterdrückt. Wir hatten nicht einmal Ausweispapiere", sagt der kurdische Politiker Aldar Chalil.



Zunächst kontrollierte die autonome Verwaltung die Kurdengebiete. Nachdem kurdische Truppen die Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS) zurückgedrängt hatten, standen auch Regionen mit überwiegend arabischer Bevölkerung unter Kontrolle der Kurden.



Im Januar 2015 vertrieben die kurdischen YPG-Einheiten die IS-Miliz aus der Stadt Kobane an der Grenze zur Türkei. Unterstützt vom Westen übernahm die YPG die Führung des Militärbündnisses Syrische Demokratische Kräfte (SDF), dem auch arabische Gruppen angehören. Vor zwei Jahren verkündete das Bündnis den Sturz des islamistischen Kalifats; bis heute hält es tausende IS-Kämpfer und auch deren Frauen und Kinder gefangen. Wichtige Ölfelder im Osten sind in der Hand der SDF.



Welche Rolle spielen die USA für die Kurden?

Die USA sind seit Langem Verbündete der Kurden. Tausende US-Soldaten standen ihnen sowohl gegen die syrischen Machthaber als auch den Nachbarn Türkei bei. Die Ankündigung 2019 des damaligen Präsidenten Donald Trump, die Truppen abzuziehen, war ein Schock für die Kurden. Nur noch 900 Soldaten sind vor Ort - wie lange noch, ist fraglich. Ohne den Schutz der Vereinigten Staaten wären die Kurden "sehr anfällig für Angriffe von außen", sagt Dareen Khalifa von der International Crisis Group.



Ankara empfindet die kurdische Autonomie jenseits der Grenze als Bedrohung, da sie Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden in der Türkei Auftrieb geben könnte. Für die türkische Regierung sind die YPG-Kämpfer "Terroristen", gegen die sie bereits drei Militäroffensiven startete. 2018 eroberte die türkische Armee mithilfe von auch islamistischen Milizen in Syrien die Region Afrin, ein Jahr später weiteres Grenzgebiet.

Kurden-Politiker Chalil hofft auf mehr Unterstützung der Vereinigten Staaten nach dem Machtwechsel in Washington. "Aber wir können uns nicht auf sie verlassen", sagt er. Ein für die Kurden ermutigendes Zeichen: Das Weiße Haus ernannte Brett McGurk zum Nahost-Koordinator, der sich unter Trump für einen Verbleib der US-Truppen in den Kurdengebieten eingesetzt hatte.



Ist eine Einigung mit Damaskus möglich?

Um die türkische Offensive 2019 zu stoppen, schlossen die Kurden ein Abkommen mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad und seinem russischen Verbündeten: Sie stimmten der Stationierung von Truppen in ihrem Gebiet unter der Bedingung zu, dass die SDF die Kontrolle behält.



"Die Kurden in Syrien haben die syrische Regierung immer der Türkei vorgezogen", sagt der Kurden-Experte Mutlu Civiroglu. Gespräche über die Zukunft der syrischen Kurden mit Damaskus blieben jedoch bisher ergebnislos. Die Regierung beschuldigt die Kurden, sich abspalten zu wollen, und will zum Vorkriegsstatus zurückkehren. Die Kurden wollen ihre Errungenschaften bewahren. "Das Regime ist immer noch nicht überzeugt, dass es einen Schritt nach vorne machen muss", bedauert der kurdische Politiker Chalil. (AFP)