UN-Menschenrechtsexperte Heiner Bielefeldt: «Es ist im Nahen Osten nicht einfach, für Dialog einzutreten»

Am Donnerstagabend ist in der zyprischen Hauptstadt Nikosia eine UN-Konferenz mit Religionsvertretern, Parlamentariern und Menschenrechtlern aus Nahost und Nordafrika zu Ende gegangen. Der UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt (57), berichtet im Interview mit Alexander Pitz über die Resultate.

Herr Bielefeldt, sind Sie mit den Ergebnissen des Treffens zufrieden?

Heiner Bielefeldt: Ja, es ist erstaunlich gut gelaufen. Wir hatten ganz bewusst Zypern als Veranstaltungsort gewählt. In einem seit einigen Jahren herrschenden Klima interreligiöser Verständigung sind dort zuletzt beeindruckende Durchbrüche gelungen - zum Beispiel beim Wiederaufbau zerstörter Kirchen oder der Eröffnung neuer Moscheen. Dieser positive Geist sollte den Gesprächen Schwung verleihen. Das hat funktioniert.

Wieso werden die Namen der Teilnehmer nicht genannt?

Bielefeldt: Das gehört zu den vorab vereinbarten Spielregeln dieser Konferenz: keine Namen, keine direkten Zitate. In einem geschützten Raum sollen sich Leute ermutigt fühlen, gleichsam aus der Deckung zu kommen und experimentell nach vorn zu denken. In der derzeit aufgeladenen politischen Atmosphäre in manchen Nahost-Ländern ist es ja nicht einfach, für Dialog einzutreten. Das kann manchem Verratsvorwürfe aus den eigenen Reihen einhandeln. Das gilt nicht nur für Muslime, sondern auch für Juden, Christen und andere. Deshalb braucht man manchmal einen geschützten Raum.

Wurden konkrete Beschlüsse gefasst, mit denen die religiöse Gewalt im Nahen Osten eingedämmt werden könnte?

Bielefeldt: Nein, das kann auch gar nicht sein. Diese Beschlüsse hätte ja niemand namentlich unterschreiben können. Aber viele der Nahost-Teilnehmer haben erheblichen Einfluss in ihren Heimatländern. Dadurch ist es gelungen, trotz des informellen Charakters der Konferenz praxisorientierte Impulse zu geben.

Welche sind das?

Bielefeldt: Es wurden persönliche Zusagen gemacht und Kooperationen vereinbart. Ein relativ eindrucksvoller Punkt war etwa die Erkenntnis, dass auch der Buddhismus zum Nahen Osten gehört. Für gewöhnlich geht es ja bei solchen interreligiösen Gesprächen stets nur um Juden, Christen und Muslime. Dabei leben in Nahost mittlerweile zahlreiche Buddhisten und Hindus - etwa als Hausangestellte in den Golf-Staaten. Im öffentlichen Leben sind sie kaum sichtbar. Ich bin ganz sicher, dass sich in dieser Hinsicht bald einiges bewegen wird.

Welche Rolle hat der islamistische Terror gespielt?

Bielefeldt: Darüber haben wir viel geredet. In einem wichtigen Punkt gab es Konsens: Man darf es sich nicht zu einfach machen und sagen, die Gewalt, die wir derzeit erleben, habe eigentlich nichts mit Religion zu tun. Solche rhetorischen Reflexe müssen überwunden werden. Natürlich sind die Ursachen vielfältig und hängen beispielsweise mit politischen Instrumentalisierungen und historischen Traumata zusammen. Doch bei Gewalt im Namen der Religion spielt Religion eben auch eine Rolle.

Wird Religion dabei «missbraucht», wie es so oft heißt?

Bielefeldt: Sicherlich. Aber eben nicht nur von außen, durch machiavellistische Politiker, sondern auch von innen her – durch engherzige Interpretationen in den Religionsgemeinschaften selbst. Wir erleben das im Nahen Osten vornehmlich unter den Vorzeichen des Islam, aber anderswo auch im Kontext anderer Religionen: des Buddhismus, des Hinduismus oder des Christentums.

Sind Sie optimistisch, dagegen ankommen zu können?

Bielefeldt: Niemand kann in einem naiven Sinn optimistisch sein. Wir erleben derzeit eine irrsinnige Brutalisierung und Zunahme religiös konnotierter Gewalt. Umfassende politische Lösungen waren nicht unser Thema. Es ging um den Erfahrungsaustausch darüber, was interreligiöse Verständigung leisten kann, um religiös polarisierte Gesellschaften zu entgiften. Da geschieht mehr, als wir oft wahrnehmen. Selbst in der Wüste der politischen Paranoia gibt es immer noch Inseln der Vernunft, wo Menschen miteinander reden und kooperieren.

Wurde der neu aufgeflammte Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern thematisiert?

Bielefeldt: Eher am Rande. Und wir merkten dann wieder einmal, wie unendlich mühsam dort Verständigung ist. Doch diese Erfahrung gehört dazu. (KNA)