Türkischen Journalisten droht Haft wegen «Terror-Propaganda»

Wegen der Veröffentlichung von Fotos einer tödlich verlaufenden Geiselnahme in der Türkei hat die Istanbuler Staatsanwaltschaft am Dienstag mehrjährige Haftstrafen für 18 angeklagte Journalisten gefordert. Zu den Angeklagten, die für neun verschiedene Zeitungen arbeiten, gehört auch der Chefredakteur der bekannten Oppositionszeitung "Cumhüriyet", Can Dundar. Ihm und den anderen Journalisten wird "terroristische Propaganda" vorgeworfen, weil sie bei einer Geiselnahme eines Staatsanwalts im März ein Foto des Täters veröffentlichten, der seinem Opfer eine Pistole an den Kopf hält.

Die Geiselnahme des Staatsanwalts Mehmet Selim Kiraz hatte im Frühjahr für Aufsehen gesorgt. Er ermittelte wegen des Todes von Berkin Elvan, einem Jungen, der 2013 bei den Unruhen im Gezi-Park von einer Tränengaskartusche der Polizei am Kopf getroffen wurde und einige Monate später starb. Bei den Geiselnehmern handelte es sich um Mitglieder der linksextremen Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C). Bei der Polizeiaktion zur Beendigung der Geiselnahme kamen alle Beteiligten, auch der Staatsanwalt, ums Leben. Die genauen Umstände wurden noch nicht aufgeklärt.

Im schlimmsten Fall drohen den betroffenen Journalisten nun siebeneinhalb Jahre Gefängnis. Der in der Türkei prominente Dundar reagierte mit scharfer Kritik auf die hohe Strafforderung der Staatsanwaltschaft. Seine Zeitung sei gegen "jegliche terroristische Organisationen", erklärte er. Er verwies darauf, dass Hinrichtungsvideos von Geiseln des Islamischen Staats (IS) von türkischen Medien ausgestrahlt würden, ohne dass diese rechtliche Konsequenzen zu fürchten hätten. "Aber wenn Sie ein Foto einer Geisel der DHKP-C veröffentlichen, drohen Ihnen siebeneinhalb Jahre Gefängnis", protestierte Dundar.

Kritiker im In- und Ausland werfen der türkischen Regierung seit längerem vor, die Grenzen der Presse- und Meinungsfreiheit in dem EU-Bewerberland immer enger zu ziehen. Präsident Recep Tayyip Erdogan geht seit seiner Wahl im vergangenen Jahr gerichtlich gegen Journalisten, Aktivisten und Studenten vor, von denen er sich beleidigt fühlt. (AFP)

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